Der Kampf gegen rechts und die Weichzeichnung kommunistischer Diktaturen

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Die umstrittene Tagung über den angeblichen „rechten Rand der DDR-Aufarbeitung“ unter der Leitung der ehemaligen Inoffiziellen Mitarbeiterin der Staatssicherheit Anetta Kahane hat stattgefunden und alle Fragen, warum diese Tagung von der Landeszentrale für Politische Bildung gefördert wurde, sind offen geblieben.

Es handelte sich offenkundig nicht um eine Veranstaltung, die den Förderrichtlinien der Landeszentrale, wie man sie auf deren Homepage nachlesen kann, entspricht. Sie war nicht wirklich öffentlich, sondern wohl nur für speziell ausgesuchte Gäste zugänglich. Abends während des Abschlusspodiums, das für siebzig Teilnehmer angekündigt worden war, blieben nach Aussagen eines Zuhörers etwa dreißig Stühle unbesetzt. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich 30 Anmelder kurzfristig entschlossen haben sollten, nicht zu erscheinen; Warum gab es keine Warteliste? Warum wurden auch Journalisten wie Tomas Kittan von der BZ nicht zugelassen?

Aber zum Inhalt dieser ‘Fachtagung’: Schon im Einladungsschreiben kam deutlich die tendenziöse Absicht zum Ausdruck, die bisherige Aufarbeitung der zweiten deutschen Diktatur, insbesondere die Gedenkstätten in ehemaligen Haftanstalten zu diffamieren, indem man ihnen unterstellt, „am rechten Rand” zu stehen.

Man durfte gespannt sein, welche Argumente und Fakten gebracht werden würden, um diese Anschuldigung zu belegen.

Nach den mir vorliegenden Informationen zeichnet sich folgendes Bild ab:

Die überwiegende Stimmung im Saal entsprach dem, was ein Teilnehmer so formulierte: Die Frauen, die den Brief gegen die Gedenkstättenleitung geschrieben hätten, müssten eine Auszeichnung erhalten, denn die hätten geschafft, was vorher nicht gelungen sei, den Knabe (ehemaliger Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen) „abzuschießen“.

Diesem Credo soll auch das Niveau der meisten Beiträge entsprochen haben. Am deutlichsten soll das beim Vortrag von Klaus Bästlein, einem der Unterzeichner der Einladung, geworden sein. Bästleins angekündigtes Thema waren die angeblichen rechten Tendenzen in der Dauerausstellung der Gedenkstätte Hohenschönhausen. Statt dessen hielt er eine Philippika gegen Hubertus Knabe, verbunden mit der wiederholten Beschwerde, dass seine, Bästleins, Ideen nicht berücksichtigt worden seien. Eine wissenschaftliche Analyse sieht sicherlich anders aus.

Die letztlich in der Tagung vorgetragenen Argumente für eine „rechte Unterwanderung“ der DDR-Aufarbeitung waren meist weit hergeholt und zum Teil uralt. Die umstrittenen Bemerkungen von Siegmar Faust in einem Gespräch mit dem Journalisten Markus Decker (der durch Abwesenheit glänzte, obwohl er als Referent angekündigt war) sollten als Beweis für Antisemitismus dienen. Faust, der natürlich auch nicht zugelassen war, ist kein Antisemit. Deckers Artikel über ihn erscheint nach den maßlosen Attacken seines Autors auf Henryk Broder und die NZZ in einem anderen Licht. Hat Decker in seinem Stück über Faust ähnlich überreagiert, wie in seinem Tweet gegen Broder?

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Dann wurde die angebliche Attacke eines Workuta-Häftlings auf Ines Reich, die Leiterin der Gedenkstätte Potsdam Leistikowstraße, hervorgeholt. Der Vorfall, der schon im Einladungschreiben erwähnt wurde, liegt 7 Jahre zurück. Damals wollte der Mann, ausgestattet mit einer behördlichen Erlaubnis, die Ausstellung in dem ehemaligen NKWD-Gefängnis, in dem er eingesessen hatte, vor der Eröffnung ansehen. Frau Dr. Reich wollte ihn dennoch nicht einlassen, also versuchte er, sie beiseite zu schubsen.

Frau Dr. Reich ist wie man neudeutsch sagt ‘umstritten’.  Sie gerät immer wieder in Kritik, wegen Äußerungen oder Handlungen, die als Verharmlosung der stalinistischen Verbrechen empfunden werden oder als Brandmarkung von Gefangenen in dem ehemaligen NKWD-Gefängnis.

Über zehn Jahre her ist auch die Diskussion um den Hohenschönhausenpreis, der seit 2008 vom Förderverein der Gedenkstätte verliehen wird. Ja, es gab ursprünglich den Vorschlag, diesen Preis nach Walter Linse zu benennen. Dieser Vorschlag ist aber nach einer internen Vorstandsdiskussion mit Mehrheit abgelehnt worden. Das heute noch als Beispiel für Rechtslastigkeit der DDR-Aufarbeitung aufzuführen, zeigt, dass in dieser ‘Fachtagung’ wirklich aber auch gar nichts Substantielles geboten wurde.

Die von den Einladern bezüglich der Schlussfolgerungen offenbar intendierte Stoßrichtung der Tagung zeichnete sich auch deutlich ab. Es geht um die Weichzeichnung der Geschichte der zweiten deutschen Diktatur. Frau Dr. Reich hat es in der Gedenkstätte Leistikowstraße vorgemacht. Und vor allem soll offenbar der Antitotalitäre Konsens, formuliert von der jüdischen Philosophin Hannah Arendt als Antwort auf die linken und rechten Diktaturen in Europa, beerdigt werden.

Hier muss klar dagegen gehalten werden. Ganz im Geiste der wegweisenden Entscheidung des Europäischen Parlaments den 23. August, den Tag der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes, als Gedenktag zu Mahnung von den Gefahren des Totalitarismus einzuführen.

Während des Abschlusspodiums passierte dann aber offenbar doch noch etwas Bemerkenswertes. Prof. Günter Morsch, der ehemalische Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen, sprach sich nicht nur gegen die Diffamierung des früheren UOKG-Vorsitzenden und Bundesverdienstkreuzträgers Finn aus, wie sie im Einladungsschreiben versucht wurde.  Es war auch Morsch, der offenbar klar die Gefahr erkannt hat, die von dem Exempel, das in der Gedenkstätte Hohenschönhausen statuiert wurde, für alle Gedenkorte ausgeht. Gedenkstätten seien immer unabhängige Orte gewesen, bei denen die Politik kein Eingriffsrecht hat. Wenn nun ein Gedenkstättenleiter von der Politik abgesetzt wird, könne das als Präzedenzfall zur Zerstörung der Unabhängigkeit der Gedenkstätten beitragen.

Da soll es einen Augenblick muckmäuschenstill im Saal geworden sein. Man kann sich nur wünschen, dass einigen Beteiligten klar wurde, worauf sie sich eingelassen haben.



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