Francis Fukuyama rief im Revolutionsjahr 1989 das Ende der Geschichte aus. Er bezog sich damit hauptsächlich auf den russisch-französischen Philosophen Alexandre Kojève, der Hegels „Phänomenologie des Geistes” als Endpunkt der Geschichte gedeutet und später die westliche Lebensart als die Form bezeichnete, auf die sich die Menschen nach dem Ende der Geschichte einigen würden.
Es kam anders. Dreißig Jahre nach dem Zusammenbruch des Sozialistischen Lagers ist unübersehbar, dass von den westlichen Eliten ein neues Kapitel der Weltgeschichte aufgeschlagen wurde. Nachdem der gefesselte und gehasste Kapitalismus sich als attraktiver und stärker erwiesen hat, als sein sozialistischer Gegenspieler, der von zahllosen westlichen Intellektuellen, die ihn selbst nicht aushalten mussten, bevorzugt wurde, musste der Kampf gegen ihn neue Formen annehmen. Diese Form fand sich im westlichen Selbsthass, der schon vor dem Verschwinden des Eisernen Vorhangs existierte, der aber danach verstärkt propagiert wurde.
Seinen Ausdruck findet er in den Schuldgefühlen, die der Bevölkerung, die das Glück hat, in den emanzipatorischen Gesellschaften zu leben, eingeimpft werden.
In Amerika hat das die Gestalt des Antirassismus angenommen. An den Universitäten tritt er als „Kritische Weißseinsforschung“ auf, die auch schon auf Europa übergegriffen hat.
Dabei handelt es sich laut Wikipedia um „ein transdisziplinäres Studienfeld“, das „kulturelle, historische und soziologische Aspekte“ von Menschen beschreibt, die sich selbst als Weiße sehen. Rasse sei lediglich ein soziales Konstrukt ohne biologische Basis. Dieses Konstrukt wurde erfunden, um Nicht-Weiße zu versklaven, unterjochen, oder zu beseitigen.
Die Folgen dieses Antirassismus untersucht Martin Lichtmesz in seiner Schrift: Rassismus – Ein amerikanischer Alptraum.
Seine These ist, dass die Weißseinsforschung ein „Rassismus ohne Rasse“ ist. Ihre Protagonisten leugnen zwar die Existenz von Rassen, sprechen aber andererseits ständig von Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe. Es handelt sich um Rassismus gegen Weiße.
Der emanzipatorische Traum, dass man den Anderen nicht mehr als Angehörigen einer Rasse, sondern nur als Menschen sieht, als Gleicher unter Gleichen, ist damit ausgeträumt. Ein überwunden geglaubtes Vorurteil kommt unter anderen Vorzeichen mit Macht zurück. Antirassismus vergiftet, wie einst der Rassismus, das gesellschaftliche Klima. Der Weiße spielt dabei die Rolle des ewigen Bösewichts.
„Weiße, die aus einer farbigen Nachbarschaft ausziehen, sind Rassisten, denn sie machen sich der ‘Weißenflucht’ schuldig. Weiße, die in eine farbige Nachbarschaft ziehen, sind Rassisten, denn sie machen sich der Gentrifizierung schuldig.“
Auch Linke werden vom Rassismus-Verdacht nicht verschont. So traf es den linksaußen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders, weil er meint, dass „Klasse“ wichtiger sei als „Rasse“.
Die anfängliche Hoffnung, dass die Präsidentschaft von Barack Obama die Rassenunterschiede überwinden, eine „postrassistische Gesellschaft“ entstehen würde, hat sich als Illusion erwiesen. Für viele Schwarze ist Rasse nach wie vor das entscheidende Thema. Obama musste stets Sorge tragen, genügend schwarz zu erscheinen, um als solcher anerkannt zu werden. Seine weiße Mutter war sein schwerstes Problem. Obama hält heute die Illusion einer postrassistischen Gesellschaft für naiv.
„Die überraschende historische Wahrheit ist“, schreibt Lichtmesz, „dass Amerika über den Großteil seiner Geschichte hinweg kein multikulturelles, multirassistisches Land, kein ‘Schmelztiegel’ und auch keine ‘universale Nation’ war.“ Amerika war bis vor Kurzem ein Ableger Europas. Man vergleiche die Filme, die in den 60er und 70er Jahren gemacht wurden, mit ihren Remakes des neuen Jahrtausends.
Bis zum Immigration and Naturalisation Services Act des Ted Kennedy von 1965, waren die USA stets bemüht, Einwanderung zu kontrollieren, wenn nötig zu stoppen. Bereits in den 1780er Jahren wurde das Konzept des „Schmelztiegels“ entwickelt, in dem die Einwanderer aus den verschiedenen europäischen Nationen zu einer amerikanischen „neuen“ Rasse geformt werden sollten. Das gelang nur bedingt. Am ehesten waren die Deutschen bereit, in einer neuen Rasse aufzugehen, die Iren weniger.
Später kam das Konzept der kulturellen Assimilation hinzu, was, wie die China-Towns in großen amerikanischen Städten beweisen, nur bedingt wirksam war. Als Drittes entwickelte der jüdisch-amerikanische Philosoph Horace Kallen sein Konzept des „kulturellen Pluralismus“, das sich heute weitgehend durchgesetzt hat. Nach Kallen können die Menschen ihre Kultur, nicht aber ihre ethnische Zugehörigkeit ändern. Die Lösung sollte eine amerikanische „Transnationalität” sein, die im gegenwärtigen Amerika immer mehr zum Traumbild mutiert.
Inzwischen hat sich die amerikanische Elite dem Globalismus zugewandt. Es ist eine globalistische Klasse der Superreichen im Entstehen, deren Heimat der Weltmarkt ist und die den Bürger durch den globalen Konsumenten ohne Identität ersetzen will, dessen Sehnsucht nicht mehr der Heimat, sondern einem bestimmten Label gilt.
Amerika ist das unbestrittene Hauptquartier dieses Globalismus, der nun dabei ist, das Land bis zur Unkenntlichkeit zu verändern. An der Spitze dieser Veränderung steht die Forderung nach einem „Weißen Genozid“. Nur wenn die Weißen verschwänden, könne der Planet gerettet werden. Natürlich sei nicht die Tötung von Weißen gemeint, beteuern die Anhänger dieser Theorie. Vielmehr meine man die Beendigung der weißen Vorherrschaft.
Welche praktischen Auswirkungen diese Theorie bereits auf das Land hat, illustriert Lichtmesz am Ende seines Buches mit den Erkenntnissen, die der israelische Autor Tuvia Tenenbom auf seiner Rundreise durch Amerika gewonnen hat: „Es ist rassistisch, es ist hasserfüllt und seine Bürger folgen einem destruktiven Kurs.“
In Europa sind wir noch nicht ganz so weit. Es hat noch die Möglichkeit, den amerikanischen Kurs zu vermeiden. Ob das gelingt, wird sich in nächster Zukunft entscheiden.
Martin Lichtmesz: Rassismus – Ein amerikanischer Alptraum