Von Ramin Peymani auf Liberale Warte
Es soll Menschen geben, die den Sinn der sogenannten Islamkonferenz in erster Linie darin sehen, das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom türkischer Islamverbände zu behandeln. Die jüngsten Reaktionen auf die Buffetauswahl bei der 12. Islamkonferenz in Berlin zeigen, dass sie damit recht haben könnten.
Das Buffet war kaum eröffnet, da twitterten die ersten Teilnehmer, es sei unerhört, Blutwurst angeboten zu bekommen. Wein, Speck und Tartar würden gar gereicht, erzürnten sich andere. Es dauerte nicht lange, bis die Nachricht die Runde machte. Schnell “brannte” das Netz. Befeuert wurde der Schwelbrand von Deutschlands Journalisten, die nicht etwa darauf hinwiesen, dass bei einem Dutzend verschiedenster Häppchen für jeden etwas dabei gewesen sein dürfte, sondern die Agenda der muslimischen Influencer eiligst beförderten. Während das Speisenangebot des Bundesinnenministeriums zur Konferenz für die Frankfurter Rundschau “ein böser Witz” war, stellte die FAZ die Frage, ob Horst Seehofers Ministerium genug “Respekt vor den Gewohnheiten der Muslime” habe. Und die WELT sekundierte süffisant, “auch ohne den Koran intensiv studiert zu haben, sollte man eigentlich wissen, dass für viele Muslime der Verzehr von Schweinefleisch und blutigen Speisen ein Tabu ist”. Sämtliche Leitmedien schlugen in die gleiche Kerbe und ergriffen die willkommene Gelegenheit, den ungeliebten Bundesinnenminister in die Pfanne zu hauen, weil dieser sich dem Islam nicht im gewünschten Maße angedient hatte. Seehofer und sein Ministerium entschuldigten sich prompt für den Fauxpas, der keiner war.
Anders, als man angesichts des Aufschreis vermuten könnte, wurde keiner der Gäste vom Innenministerium zwangsernährt
Es ist beschämend, dass Regierungspolitiker Abbitte dafür leisten, muslimischen Konferenzteilnehmern den Anblick von Speisen und Getränken zugemutet zu haben, die für Nicht-Muslime völlig normal sind. Anders, als man angesichts des Aufschreis vermuten könnte, wurde keiner der Gäste zwangsernährt. Es war also ein Leichtes für alle anwesenden Muslime, wie auch für alle Abstinenten, Laktoseintoleranten und Veganer, einen Bogen um jene Speisen und Getränke zu machen, die ihnen nicht behagten. Das hätte jedenfalls ein Normaldenkender getan. Doch an Normalität ist den Krakeelern nicht gelegen. Wer sich an einer Blutwurst abarbeitet, um die vermeintliche Wichtigkeit seiner als Staatsform verstandenen Religion zu demonstrieren, führt in Wahrheit einen Kulturkampf, mit dem Ziel, die Gesellschaft in der er lebt, radikalen religiösen Vorstellungen zu unterwerfen. Politik und Medien haben diesen Weg bereits so weit beschritten, dass vieles unumkehrbar erscheint. Um zu verstehen, warum sie dies tun, genügt es nicht, sich die Bedrohungslage vor Augen zu halten, die ein selbstbewusster Umgang mit dem Islam heraufbeschwört. Es ist vielmehr eine vollkommen außer Kontrolle geratene politische Korrektheit, die religiösen Eiferern inzwischen ermöglicht, ihre Intoleranz allen anderen aufzuzwingen. Sie haben ihren Marsch durch die Institutionen angetreten und werden bald nicht mehr nur in Islamverbänden wirken, sondern auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in den Parlamenten und im Rechtswesen. Haben sie die staatlichen Gewalten erst einmal durchdrungen, können sie das Land nach Belieben steuern.
Die Islamverbände suhlen sich in ihrer Opferrolle – Täter sind all jene, die den Islam nicht für den Nabel der Welt halten
Man stelle sich vor, irgendwelche vegetarischen Interessenvertretungen hätten einen derartigen Zirkus veranstaltet. Auch sie bekämen donnernden Applaus von der Pressetribüne, doch käme im Traum kein Politiker mit einem Funken Verstand auf die Idee, sich anschließend entschuldigen zu müssen. Bei den Islamverbänden ist das anders. Vor ihnen und vor allem vor ihren mächtigen Hintermännern fürchten sich die Regierenden. Es ist daher wenig verwunderlich, dass es sich kein führender Politiker mit ihnen verderben will. Und auch aus der zweiten und dritten Reihe räuspert sich nur, wer Personenschutz in Kauf zu nehmen bereit ist. Die türkischen Islamverbände haben derweil wieder einmal erreicht, worum es ihnen geht: Sie stehen im Mittelpunkt der Debatte und suhlen sich in ihrer Opferrolle. Täter sind dabei all jene, die den Islam nicht für den Nabel der Welt halten. Schon deshalb ist es ein alarmierendes Signal, dass sich das Innenministerium nun entschuldigt hat. Im arabisch-orientalischen Raum gilt es übrigens als ungeheuerlicher Affront, die Speisen seines Gastgebers abzulehnen oder gar zu kritisieren. Umgekehrt nimmt man sich dieses Recht gerne heraus. Und so dürfte die Speisekarte für die nächste Islamkonferenz mit den Islamverbänden abgestimmt werden. Vielleicht auch die zulässige Bekleidung der weiblichen Teilnehmer. Und irgendwann womöglich der gesamte Ablauf, der in nicht allzu ferner Zukunft das gemeinsame islamische Gebet zwingend vorsehen könnte. Oder findet sich etwa am Ende doch noch eine Regierung, die bereit ist, die Errungenschaften der Aufklärung zu verteidigen? Inshallah!