Von Ramin Peymani auf Liberale Warte
Haben Sie schon einmal von Anja Karliczek gehört? Nein? Machen Sie sich nichts draus – ich kannte den Namen bis vor kurzem auch nicht. Wir dürften uns damit in bester Gesellschaft befinden, denn ich wage die Behauptung, dass nur wenige Menschen wissen, wer Frau Karliczek ist. Vermutlich genau diejenigen, mit denen sie aus den Elfenbeintürmen des Parteienstaates heraus zusammenarbeitet.
Die Unbekannte ist – man höre und staune – seit mehr als einem halben Jahr Regierungsmitglied. Und zwar in Berlin. Sie haben richtig gelesen: Die 47-jährige CDU-Politikerin verantwortet als Bundesbildungsministerin alles, was in unserem Land mit Bildung und Forschung zu tun hat. Da staunen Sie, was? Zugegeben, ähnlich dem Landwirtschafts- oder Entwicklungshilfeministerium ist auch das Bildungsministerium ein Ressort, das vor allem einschlägig damit Befasste oder unmittelbar Betroffene wahrnehmen. Und doch spricht es Bände, dass man die Ministerriege heutiger Bundesregierungen kaum mehr kennt. Lange vorbei sind die Zeiten, in denen es nur profilierte Köpfe in höchste Staatsämter schafften. Heute reicht es, sich ein paar Jahre als treuer Parteisoldat erwiesen zu haben, der nirgends angeeckt und mangels eines Profils auch keinem Wähler unangenehm aufgefallen ist. So hat uns der Himmel also Anja Karliczek geschenkt. Und die hat sich nun einen Namen damit gemacht, dass es ihr egal ist, ob Deutschland nach einer Reihe weit weniger entwickelter Länder ebenfalls irgendwann einmal flächendeckend über den modernsten Mobilfunkstandard verfügt.
Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet unsere Bildungsministerin ein modernes flächendeckendes Handynetz für entbehrlich hält
Die Ministerin ließ uns wissen, es gäbe beim Ausbau des Mobilfunknetzes keinerlei Eile: “5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig”, bügelte Karliczek lauter werdende Klagen über Funklöcher und langsame Handynetze ab. Damit hat die mit ihrem Amt überfordert wirkende Bundestagsabgeordnete sogar den Parteienstaat gegen sich aufgebracht. Und eigentlich müsste sie es besser wissen, Denn die Kauffrau, die einer alten westfälischen Hoteliersfamilie entstammt, gehört zu der aussterbenden Spezies jener Berufspolitiker, die vor ihrer steuerzahlerfinanzierten Laufbahn auch mal auf eigenen Füßen gestanden haben. Sie besitzt eine abgeschlossene Bankausbildung und war viele Jahre in leitender Stellung für den familieneigenen Hotelbetrieb tätig. Es ist also beileibe nicht so, dass die Bundesbildungsministerin keine Ahnung davon hätte, wie die Welt außerhalb der All-inclusive-Versorgung des Berliner Bunkers aussieht. Offenbar verblassen die gesammelten Erfahrungen aus dem wirklichen Leben jedoch mit jedem Tag im Bundestag etwas mehr. Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet unsere Bildungsministerin ein modernes Handynetz für entbehrlich hält. Dabei darf es keinesfalls als Entschuldigung gelten, dass es über weite Strecken ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Mobilfunk in Deutschland nicht weit her war. Denn Millionen von Bürgern sind längst im 21. Jahrhundert angekommen, und auch der Bauer mit der Milchkanne mag weder auf ein modernes Netz noch auf das schnelle Internet verzichten, das Karliczek wohl ebenfalls für nachrangig halten dürfte.
Gerade als Kind vom Land sollte sich die Ministerin dafür einsetzen, dass Deutschland endlich Anschluss ans internationale Mittelfeld findet
Aus den Worten der Ministerin spricht nicht nur eine bestürzende Rückwärtsgewandtheit, sondern auch eine Geringschätzung des ländlichen Raums. Gerade als Kind vom Land aus dem Norden Westfalens sollte sie sich dafür einsetzen, dass Deutschland beim Mobilfunk endlich Anschluss ans internationale Mittelfeld findet. Man muss sich gar nicht in ländliche Regionen verirren, um die Widersprüchlichkeit eines modernen Industriestaates zu erkennen, der zwar mit viel Eifer Windräder in die Wälder pflanzt und dabei sämtliche Bedenken von Anwohnern und Naturschützern ignoriert, aber nur äußerst ungern Mobilfunkmasten aufstellt, weil er eine Gefährdung vermutet, die gar nicht belegt ist. Die Äußerung der Bundesbildungsministerin steht sinnbildlich für den Politikbetrieb unserer Zeit, so sehr Regierungs- und Oppositionskollegen sich auch empören mögen. Denn die Leitlinien der Politik werden nicht mehr vom gesunden Menschenverstand, den wirtschaftlichen Notwendigkeiten oder dem Gemeinwohl bestimmt, sondern von Ideologien und übergeordneten Masterplänen, in denen nationale Interessen sich einem größeren Ganzen unterzuordnen haben. Was auf der Strecke bleibt, sind die notwendigen Investitionen in die eigene Infrastruktur, weil das Geld zur Erfüllung des Brüsseler Größenwahns, irrer UN-Vorgaben und verrückter “Wendepläne” benötigt wird. Aber irgendwie ist es ja auch nur konsequent: Wer braucht noch moderne Kommunikationsnetze, wenn die freie Meinungsäußerung zunehmend unerwünscht ist und die Verbreitung von Informationen als gefährlich gilt?