Merz als Retter?

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Für eine kurze Zeit wirkte es tatsächlich, als wollten CDU und SPD ihr Debakel bei den hessischen Landtagswahlen mit rhetorischen Verbeugungen vor den Bürgern hinter sich lassen. Aufgrund des Ausmaßes der Niederlage wirkte dieses versuchte „Durchmogeln“ aber bereits in der Wahlnacht surreal.

Am nächsten Morgen kam dann tatsächlich der Paukenschlag. Angela Merkel kündigte den Rücktritt vom Parteivorsitz an und schloss eine erneute Kandidatur als Kanzlerin aus.

Lediglich der Gedanke an eine Erneuerung löste bei vielen CDU Anhängern eine regelrechte Euphorie aus. Doch die Dauer von der „Ära-Merkel“ zeigt, wie wichtig es ist, die nächsten Personalien weise zu wählen. Erleichterung und Euphorie sollten nicht die Wichtigkeit der Sache untermauern. Die Entscheidung über den neuen Parteivorsitz sollte nicht zu leichtfertig und emotional aufgeladen geschehen. Wenn man nach über einem Jahrzehnt wieder die Chance hat, die Ausrichtung der Partei signifikant zu ändern, sollte man dies mit Bedacht und nicht negligeant tun.

Zu vorschnell scheint auch die Euphorie gegenüber der Kandidatur von Friedrich Merz für den Parteivorsitz. Merkel geht, ein konservativer aus der Wirtschaft kommt, die „Experten“ warnen sogar vor einem Rechtsdruck – alles super!

Aber wie ich schon in meinem Artikel „Kann Friedrich Merz die CDU retten?“ beschrieben habe, ist auch hier beileibe nicht alles Gold, was glänzt.

Besonders die starke Nähe des Friedrich Merz zur Wirtschaft sollte nicht zu vorschnell als nur positiv abgestempelt werden. Ja er war nach Politikkarriere auch in der Wirtschaft erfolgreich und ja, er ist nicht auf Versorgung durch die CDU angewiesen (laut Handelsblatt waren bei der Kanzlei Mayer Brown, bei welcher Merz als Wirtschaftsanwalt gearbeitet hat, Tagessätze von 5.000 Euro nicht unüblich). Doch dieser Fakt allein sollte von den anderen Konsequenzen seiner Karriere bei verschiedenen Firmen wie z. B. BlackRock nicht ablenken.

Insbesondere seine Nähe zu einigen Protagonisten der soganannten Cum-Ex Geschäfte muss einen genaueren Blick wert sein. Immerhin werden die Cum-Ex Geschäfte als der größte Steuerraub in der deutschen Geschichte bezeichnet. Erst vor Kurzen wurden die sogenannten CumEx-Files nach einer ausführlichen investigativen Recherche von mehreren Medien unter Führung des Recherchezentrums Correctiv veröffentlicht. Nach den Ergebnissen der Recherche beläuft sich die Last für die Steuerzahler aus Deutschland und weiteren europäischen Ländern durch Cum-Cum und Cum-Ex Geschäfte auf knapp 55 Milliarden Euro (davon circa 31 Milliarden lediglich für deutsche Steuerzahler).

Was genau sind Cum-Ex Geschäfte überhaupt und wieso schaden sie dem Fiskus? Wenn ein Aktionär Dividende ausgeschüttet bekommt, wird eine Steuer, nämlich die Kapitalertragsteuer, abgeführt. Der Aktionär erhält für die Abgabe eine Bescheinigung – und damit einen Anspruch auf eine Steuergutschrift, so können positive Kapitalerträge mit

Verlusten verrechnet werden. Zu viel gezahlte Kapitalertragssteuern werden dann vom Finanzamt erstattet.

Durch ein recht kompliziertes Verfahren haben es Banken und Co. geschafft, dass gleich zwei Aktionäre eine Bescheinigung und damit einen Anspruch auf eine Steuergutschrift erhielten. Als Konsequenz erstatteten die Finanzämter mehr Steuern, als sie zuvor eingenommen haben. Wiederhole dieses Prinzip tausendfach mit hohen Summen und perfekt ist der größte Steuerraub. Eine genaue Erklärung der Mechanik finden sie hier.

Doch zurück zu Friedrich Merz. Nachdem sich Merz vor über einem Jahrzehnt aus der Politik zurückgezogen hat, war er in verschiedenen Unternehmen in diversen Positionen tätig. Unter anderem hat Merz als Wirtschaftsanwalt gearbeitet sowie in mehreren Aufsichtsratspositionen gesessen.

Einen Aufsichtsratsposten hält Merz seit 2010 bei der HSBC Trinkhaus, einer Privatbank aus Düsseldorf. Die ZEIT schreibt „Die Düsseldorfer Privatbank HSBC Trinkhaus ist laut dem Abschlussbericht des Bundestagsuntersuchungsausschusses in Steuergeschäfte verwickelt gewesen, die der Öffentlichkeit erst seit einiger Zeit unter dem Namen Cum-Ex bekannt sind.“ Generell hat die HSBC (Londoner Muttergesellschaft der HSBC Trinkhaus) nicht das beste Image und wird aufgrund der zahlreichen beschriebenen Verwicklungen in Geldwäsche, Steuerbetrug, Korruption oder Zins- und Währungsmanipulation oft als Skandalbank bezeichnet.

Auch bei einem anderen sehr umstrittenen Unternehmen sitzte Merz im Aufsichtsrat, nämlich bei BlackRock, dem größten Vermögensverwalter der Welt. Erst vor wenigen Tagen haben Ermittler der Kölner Staatsanwaltschaft einem Insider zufolge Büroräume von BlackRock in München durchsucht. Bislang waren im Zusammenhang mit Cum-Ex Geschäften vor allem Kreditinstitute in den Blick der Ermittler geraten, etwa die Deutsche Bank oder die spanische Santander oder eben die HSBC. Mit BlackRock bekämen die Tricksereien ein neues Level, den BlackRock verwaltet mehr als sechs Billionen Dollar an Kundengeldern und wird aus diesem Grund häufig als sog. „Schatten-Bank“ tituliert (als Vergleich: Die DWS als deutsches Pendant verwaltet lediglich rund 700 Milliarden Kundengelder). Diese Größe von BlackRock wird auch als weiterer Kritikpunkt gesehen. BlackRock wird nämlich oft vorgeworfen, einen zu großen Einfluss auf deutsche Unternehmen ausüben zu wollen. In fast allen Dax Unternehmen ist BlackRock einer der größten Anteilseigner (Sieben Prozent sind es bei Bayer, rund 5 Prozent bei Siemens). Am DAX insgesamt hat BlackRock einen Anteil von 4,5%. Experten für Wettbewerb sehen das kritisch.

In den USA gibt es beispielsweise zur Regulierung des Schatten-Banken-Sektors den Vorschlag, große Vermögensverwalter wie BlackRock als “systemrelevant für das Finanzsystem” einzustufen. Die Unternehmen wären dann mit einer Art Gefahrensiegel versehen und stärkerer Aufsicht unterworfen. BlackRock hat intensiv Lobbyismus betrieben, um einen solchen Gesetzentwurf zu stoppen. Neben den eigenen Lobbyisten beauftragte BlackRock laut Lobbypedia zu diesem Zwecke sogar die Lobbyagentur „Rich Feuer Anderson“, die dafür im Jahr 2016 320.000 Dollar erhielt. Und bis jetzt wurde das Vorhaben nicht durchgesetzt. BlackRock rechtfertigte sich gegenüber der ZEIT, „um eine Systemkrise zu verhindern, sei ein Regulierungsansatz, der sich auf einzelne Anlageprodukte beziehe, besser geeignet als die Regulierung einzelner Unternehmen“..”

“Ein umstrittenes Unternehmen also” fasst die ZEIT zusammen. Und führt dann weiter aus: “Und Merz spielt in diesem Unternehmen keinesfalls eine unwichtige Rolle. Als er vor rund drei Jahren den Posten antrat, teilte das Unternehmen mit, dass seine Aufgabe über die reine Aufsichtsfunktion hinausginge. Er solle eine “weiter gefasste Beraterrolle einnehmen, in der er die Beziehungen mit wesentlichen Kunden, Regulierern und Regulierungsbehörden in Deutschland für Blackrock fördern wird”, schrieb sein Arbeitgeber damals. Merz war also der zentrale Lobbyist für Blackrock in Deutschland und hat – wenn er seinen Job gut gemacht hat – darauf hingewirkt, dass der Staat dem Unternehmen möglichst wenige Hindernisse in den Weg legt.”

Damit stellen sich folgenden Fragen:

Waren die Geschäftspraktiken zulasten der deutschen Steuerzahler ein Thema im Aufsichtsrat der HSBC Trinkhaus?

Sind eventuell „nicht-öffentliche“ Intentionen eines stärkeren Einflusses von BlackRock auf die deutsche Wirtschaft einem wichtigen Aufsichtsrat bekannt?

Ist eine Vergangenheit mit solchen Unternehmen wirklich eine gute Voraussetzung für eine Vorsetzung der politischen Karriere an so sensibler Stelle? Sind Interessenkonflikte wirklich auszuschließen?

Alles dies sind Fragen, welche sich die CDU stellen muss, bevor sie Friedrich Merz als ihren neuen Retter kürt.



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