Italienische Staats- und Solidaritätsanleihen

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Von Gastautor Rainer Wolski

Otto-Normalverbraucher, also jene, die in Deutschland kaum Vermögen haben und zur Erwirtschaftung ihres Lebensunterhalts ein Arbeitsverhältnis eingehen müssen (oder sich als kleiner Selbständiger selbst und ständig ausbeuten) kennen zwar Kredite, haben aber mit Anleihen bisher wenig zu tun.

Nun entspringen Kredit und Anleihe der selben Ausgangslage:

Jemand (egal, ob Otto-Normalverbraucher, ein Unternehmen oder der Staat) braucht Geld.

Bei diesem Prozess der Geldbeschaffung ist klar: Nur derjenige, der eine guten Leumund hat und bei dem man vermutet, dass er das Geld zurückzahlen kann, kann sich erfolgreich auf eine Geldbeschaffungstour begeben. Dieser Jemand wird als „kreditwürdig“ bezeichnet. Ihn zeichnen auch aus: Fleiß, keine Verschwendung, Disziplin, Ehrlichkeit.

Von einer Kreditvergabe sind alle die ausgenommen, die für einen Kredit „unwürdig“ sind:

  • Jene, die Sozialleistungen beziehen, da der Bezug an den Nachweis der Nicht-Existenz von Vermögen gebunden ist. Die kriminellen Fälle, wo Vermögen da ist, aber versteckt wird, lassen wir hier mal außen vor.
  • Jene, die im Schuldner-Register erwähnt sind (weil sie insolvent sind oder bald werden).
  • Kriminelle, notorische Lügner, Verschwender.
  • Unternehmen, bei denen die Insolvenz zu erwarten ist.
  • Staaten, die politisch instabil oder wirtschaftlich bankrott sind.

Alle anderen haben die Möglichkeiten, sich Geld am Markt zu beschaffen. Otto-Normalverbraucher und kleine Selbständige im Familien- und Bekanntenkreis oder bei Banken. Größere Selbständige und Unternehmen bzw. multinationale Firmen und Staaten können Kredite von Banken erhalten oder eben eigene Anleihen ausgeben.

Den Kredit kennen sie: Man bekommt Geld, muss eine Sicherheit hinterlegen (dazu zählen bei kleineren Beträgen auch ein unbefristeter Arbeitsvertrag, eine Eintragung im Grundbuch auf ein Grundstück zugunsten des Geldgebers, die Verpfändung eines Aktiendepots oder wertvollen Gemäldes etc.) und erhält das Geld über eine bestimmte Laufzeit unter Hinzurechnung der Zinsen für den Kredit.

Was ist eine Anleihe?

Die Anleihe wurde im Mittelalter erfunden von den italienischen Stadtstaaten, zumeist zur Finanzierung von Kriegen. Der Staat nahm also bei seinen Bürgern einen Kredit zu einem festen Zinssatz auf und versprach, ihn langfristig zurückzuzahlen. Der Zinssatz entsprach auch den Risiken. Hohe Risiken entsprachen einem hohen Zins.

Da der Stadtstaat nun nicht mit tausenden Bürgern individuell einen Kreditvertrag abschließen konnte, bot er den Bürgern die Anleihe an und jeder konnte nun, gestückelt nach Größen, diese Anleihen kaufen. Beispielsweise Anleihen über 50, 100 oder 1.000 Einheiten einer Währung.

Wenn nun aber große Banken oder Wertpapierhändler diese Anleihen kauften, dann mussten sie auch auf große Beträge ausgestellt sein. Also begab ein Staat eine Anleihe von Millionen oder hunderten Millionen in seiner Währung.

Die Bonität des Staates wurde von mehr oder weniger unabhängigen Rating-Agenturen regelmäßig eingeschätzt und beeinflusst den Ausgabepreis der Anleihe. Wieder gilt: Je schlechter die Bonität um so höher der Preis der Anleihe.

Nun hat es vor wenigen Tagen einen Paukenschlag im sonst so ruhigen Bankenwesen gegeben:

Am 13. September verkündete das Handelsblatt Forderungen italienischer Politiker, dass die europäische Zentralbank (EZB) das Land durch Anleihekäufe absichern müsse.

Im Klartext: den Italienern gehen die Euros aus und sie wollen italienische Staatsanleihen an die EZB verkaufen um dafür im Gegenzug Euros zu erhalten.

EZB-Präsident Draghi aber wollte nicht und sagte: „Unser Mandat ist, mittelfristig Preisstabilität zu sichern. Unser Mandat deckt nicht ab, die Tragfähigkeit von Staatsschulden unter allen Umständen zu garantieren.“

Die italienische Regierung nahm das übel und drohte politische Konsequenzen an, indem sie z. B. einen Haushaltsentwurf nach Brüssel schickte, der nicht den dortigen Anforderungen entsprach.

Das lockte auch die Bundesbank aus der Zurückhaltung. Denn die Kredite im Rahmen des Verrechnungssystem der EZB an Italien stellen unbesicherte Kredite dar. Italienische Anleihen werden durch den italienischen Staat garantiert, aber wenn er eines Tages diese Anleihen nicht mehr bedienen kann, was dann?

Um auf die eingangs beschriebene, nun fehlende, Kreditwürdigkeit im Falle der Nicht-Rückzahlung des Kredites zurückzukommen: Otto-Normalverbrauchers verpfändetes Gemälde oder die Eigentumswohnung würden versteigert werden und die Gläubiger erhielten ihre ausstehenden Gelder. Eine GmbH oder AG erhielte einen neuen Mit-Eigentümer, die Bank. Aber was erhält in diesem Falle die Bundesbank? Nichts.

Selbst die Beschlagnahmung und anschließende Verwertung italienischen Eigentums wäre in der EU nicht möglich. Aus den italienischen Anleihen würde eine Euro-Schenkung an Italien werden.

Solidaritätsanleihen (vulgo: Zwangsanleihen)

So machte also ein mittlerer Beamter der Bundesbank (beim Bundesbankpräsidenten wäre es ein politischer Affront gewesen) den folgenden Vorschlag:

„Die italienische Bevölkerung wäre verpflichtet, die Solidaritätsanleihen zu erwerben, und zwar beispielsweise in Abhängigkeit vom Nettovermögen der Haushalte“, schreibt der Leiter der Abteilung Öffentliche Finanzen bei der deutschen Notenbank, Karsten Wendorff, in einem Gastbeitrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (27.10.). „Sofern Italien die Schulden wie versprochen bedient und diese eine angemessene Rendite abwerfen, würden die italienischen Haushalte nicht belastet.“ Er sprach von Zwangsanleihen von 20 % auf Vermögen, ein Freibetrag von 50.000 € sollte angesetzt werden können. So könnte fast die Hälfte der italienischen Staatsschulden in „Solidaritätsanleihen“ umgewandelt werden.

Damit würde die italienische Anleihe mit materiellen Werten besichert. Man kann davon ausgehen, dass die Italiener dem nicht zustimmen werden. Denn sie haben sich seit Jahren an die Alimentierung durch die EZB mittels Anleihen gewöhnt.

Kleine Anmerkung: Mein Urgroßeltern hatten 1916 ihre goldenen Eheringe in eiserne eingetauscht, um den Krieg zu finanzieren. „Gold gab ich für Eisen“ hieß diese Aktion. Wie wir heute wissen, brachte uns dieser Krieg den Versailler Vertrag.

Das bedeutet, dass am Tage X auch das Kartenhaus der EZB zusammenfällt. Was uns in Deutschland dann erwarten würde, würde alle bisherige Erfahrungen mit Schuldentilgung in den Schatten stellen (Versailler Vertrag, Potsdamer Abkommen, einzelne Reparations-Verträge, Demotagen von Industrie-Anlagen, Einheitsvertrag mit den Auswirkungen für die Ossis).

Deshalb auch die Bemühungen, einen Aufsichtsrat eines der größten Finanzkonzerne als Kanzler zu inthronisieren, um sich weiter durchzuwursteln und den Tag der Abrechnung hinauszuzögern.



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