Warum ermittelt die Staatsanwaltschaft in Chemnitz wegen Totschlags?

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Von Gastautor Max Kinast, Staatsanwalt

Was Chemnitz anbelangt, mit der notwendigen Zurückhaltung:

Auch die Begriffe Mord und Totschlag unterliegen der Begriffsverwirrung. Beide beschreiben die vorsätzliche Tötung eines Menschen. Eine Tötungsabsicht, wie sie das formuliert haben (“Absicht” ist streng genommen wieder ein terminus technicus) ist bei beiden Verbrechen notwendiges Tatbestandsmerkmal.  Liegt sie nicht vor, reden wir von z.B. fahrlässiger Tötung (tödl. VVerkehrsunfälle). Die vorsätzliche Tötung wird zum Mord, wenn sog. Mordmerkmale hinzutreten (§ 211 Abs. 2 StGB). Einen Totschlag kann man also auch mit einem Messer begehen. Was im Chemnitzer Verfahren passieren wird, bleibt abzuwarten.

Auch hier gilt für mich: Es ist keine seriöse Auskunft möglich, weil ich den Sachverhalt nicht kenne. Gleiches gilt übrigens prinzipiell auch für die ermittelnden Staatsanwälte: Das Ermittlungsverfahren hat am 26.8. begonnen. Man steht ganz am Anfang. Was passiert ist, wissen nur die Beteiligten. Mit dem vorläufigen Tatverdacht “Totschlag” ist man auf der sicheren Seite. Ob es doch mehr gewesen ist, wird sich zeigen, wenn der Sachverhalt aufgeklärt ist (Spurenauswertungen, Obduktionsergebnis, ärztliche Befunde, Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen, Überwachungsaufnahmen). Dann ist erstmals Zeit für eine rechtliche Würdigung und bis dahin wird wegen eines Tötungsverbrechens ermittelt, das vorläufig als Totschlag bezeichnet ist.

Übrigens: Die Frage nach Rechtfertigungsgründen (z.B. Notwehr) gehört zum Prüfschema der Strafbarkeit. Z.B.: Auf einen Menschen einzustechen und damit u.U. auch den Todeseintritt in Kauf zu nehmen, legt ja den Verdacht eines Tötungsverbrechens nahe. Wenn dies jedoch erfolgt ist, um einen Angriff auf sich oder andere abzuwehren, liegt mit Notwehr ein Rechtfertigungsgrund für das sonst einem Tatbestand entsprechende Verhalten und damit keine Straftat vor, denn “Recht muß Unrecht nicht weichen”. Auch die Verlautbarungen aus Chemnitz bezogen heißt das: Wenn ein Haftbefehl beantragt oder gar erlassen wurde, haben Staatsanwalt und Richter den dringenden Verdacht für eine Strafbarkeit prüfen und auf diesem Weg das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen ausschließen müssen. Der besondere Hinweis darauf, daß ohne rechtfertigenden Grund gehandelt worden sei, ist eine Worthülse; läge einer vor, wäre eine Inhaftierung gesetzlich ausgeschlossen. Daß auch kein Rechtfertigungsgrund vorgelegen haben dürfte, ergibt sich – die Richtigkeit der Mitteilung unterstellt – aus der Anzahl der geführten Stiche, denn selbst wenn theoretisch für den Syrer/Iraker eine z.B. Notwehrsituation bestanden haben sollte, würde man wohl von einer sog. Notwehrüberschreitung – und damit vorliegender Strafbarkeit – ausgehen müssen.

Es ist schon beängstigend und merkwürdig, womit man sich 2018 im “Heiligen Merkelreich ohne Nation” beschäftigen muß. Ich frage mich immer wieder, was an der alten Bonner Republik so grundverkehrt gewesen sein mag, daß sie die Ewigmorgigen (Klonovsky) so abgrundtief zu hassen scheinen und abschaffen müssen. Und ich fürchte: Chemnitz ist nicht das Ende.



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