Bisher hatte sich die Kanzlerin in den so genannten Jamaika-Verhandlungen aufs Moderieren beschränkt. Aber es lief diesmal nicht alles so glatt, wie sie es von anderen Koalitions-Verhandlungen gewohnt war. Zu weit liegen ihre Koalitionspartner mit dem, was sie im Wahlkampf verkündet haben, auseinander. Der Unmut über die Unterhändler, die sich viel zu oft auf dem Balkon fotografieren ließen, ohne Ergebnisse vorweisen zu können, wuchs. Den Jungen in der CSU platzte der Kragen und sie forderten von Horst Seehofer, der immer wieder als Merkels Bettvorleger gelandet war, statt vorgeblich zu versuchen, CSU-Positionen durchzusetzen, endlich Konsequenzen zu ziehen und glaubwürdigeren Leuten Platz zu machen.
Christian Lindner wurde von den vielen salti mortali, die er während der Sondierungen schon absolvieren musste, am Ende so schwindlig, dass er anfing, Neuwahlen für eine Option zu halten.
Nun hat Merkel selbst die Reißleine gezogen, nachdem die Warnung ihres Sprachrohrs, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), nahezu ungehört verhallte. Ausgerechnet an seine eigene Partei hatte Günther appelliert, in den Gesprächen offener für Kompromisse zu sein. Neuwahlen seien „ein Signal der Handlungsunfähigkeit demokratisch gewählter Parteien und ein Nährboden für Extremisten“.
Das war einfach lächerlich. Die CDU kann gar nicht offen für Kompromisse sein, weil sie keinerlei Positionen mehr hat, die sie zu verteidigen bereit ist. An die Grünen durfte sich Günther offensichtlich nicht wenden, denn ihre Handschrift soll am Ende bestimmend für den Koalitionsvertrag sein. Von der FDP wird nur erwartet, sich ihrer „staatsbürgerlichen Verantwortung“ bewusst zu sein, das heißt, jede Kröte zu schlucken, die ihr von Merkel-Grün serviert wird. Das wäre für die FDP der Todeskuss. Aber die Partei hat schon einmal den Kotau gemacht, warum nicht auch noch ein zweites Mal?
Jedenfalls hat die Kanzlerin jetzt klar gemacht, was sie erwartet. Ihr Befehl per Facebook lautet: Am Montagabend wird sie mit den Verhandlungsführern die Schwerpunkte festlegen, die noch geklärt werden müssen. „Wir wollen auch die Knackpunkte jetzt schon herausarbeiten.“ Dies werde bis Ende dieser oder Anfang nächster Woche geschehen. „Und dann geht es in die Endrunde, denn am Donnerstag, dem 16. November, wollen wir fertig sein mit allem. Und da steht noch viel Arbeit an.“
Immer wenn Merkel damit droht, zu arbeiten, wird es gefährlich. Es sollen offenbar auf Biegen und Brechen alle Differenzen unter den Teppich gekehrt werden. Angeblich wollten die Wähler eine „stabile Regierung“.
Nein, die Wähler wollen vor allem ein Ende des Asylchaos. Sie wollen eine Rückkehr zur Gesetzestreue und stabile rechtsstaatliche Verhältnisse. Sie wollen sich wieder sorglos im öffentlichen Raum bewegen können und wieder eine solide Finanzpolitik, die diese Bezeichnung auch verdient, anstatt unsere Steuermilliarden für diejenigen zu verschleudern, die unser Land bis zur Unkenntlichkeit verändern werden. Sie wollen Politiker, die ihre Aufgabe ernst nehmen, statt Politikdarsteller, die außer twittern nichts mehr können.
Merkel will ihre vierte Amtsperiode um jeden Preis, außer dem, dass sie tatsächlich ihren Amtseid ernst nimmt. Dieser Eid lautet:
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe“.