Merkel, Angela oder von Kafka lernen, heißt siegen lernen

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von Gastautor Ingo Langner 

Bei der Bundestagswahl erhält die Union aus CDU/CSU nur noch 32,9 Prozent und die Bundeskanzlerin reagiert so: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten.“ Dieser Satz aus dem Munde von Angela Merkel löst, je nach gesellschaftspolitischem Standort und Temperament, sehr unterschiedliche Reaktionen aus. Manche reagieren mit stiller Genugtuung, manche mit Fassungslosigkeit, manche mit überschäumenden Wutanfällen.

All das lässt naturgemäß auch Journalisten nicht kalt, und wie schon auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise wird Angela Merkel aufgefordert, Selbstkritik zu üben. Manche erwarten sogar Demutsgesten von ihr. Doch wer das erwartet oder zumindest erhofft, verkennt grundlegend, wo und wie Angela Merkel Politik gelernt hat.

Zur Erinnerung: am 9. November 1989, am Abend des Mauerfalls also, ist Merkel in der Sauna gewesen. Sie war zu diesem Zeitpunkt keine Dissidentin. Sie hatte sich nicht für gesellschaftspolitische Veränderungen in der DDR engagiert. Sie wollte als Physikerin eine berufliche Zukunft haben. Dass dies außerhalb der DDR, wie sie nun einmal war, stattfinden könne oder gar sollte und müsse, lag außerhalb ihrer Vorstellungskraft.

Doch als nach dem 9. November 1989 erst die DDR und dann die mächtige Sowjetunion zusammen mit dem waffenstarrenden Warschauer Pakt in einer nicht für möglich gehaltenen Geschwindigkeit im Orkus der Geschichte versank, hatte Angela Merkel ihre Lektion gelernt: Auch nur ein einziger politischer Fehler kann im umfassendsten Sinne des Wortes alles zum Einsturz bringen.

Genau das hatten auch, von W. I. Lenin bis K. Tschernenko, alle Moskauer Parteichefs in den Genen. Als hätten Sie Franz Kafkas Erzählung „Der Landarzt“ gelesen, wussten sie: „Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt – es ist niemals gutzumachen“. Allein Michail Gorbatschow war so töricht zu meinen, sich mit grundlegenden Systemreformen über dieses innerste Gesetz jeder Diktatur hinwegsetzen zu können. Sein Ende ist bekannt.

Den Untergang des Sowjetimperiums haben westliche Politiker und Journalisten nicht existentiell erfahren, Angela Merkel allerdings schon, und sie hat ihre Lektion gelernt. Sie weiß genau: Es wäre der Anfang von ihrem politischen Ende, wenn sie jetzt Selbstkritik übte oder gar Demut zeigte. Also wird sie solange in ihrem sattsam bekannten Stil weitermachen, bis die Partei (oder wer auch immer) sie auf ihrem einsamen Posten erlöst. Denn wie heißt es in einem bekannten Gassenhauer so schön: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.



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