Von Gastautor Joachim Nikolaus Steinhöfl
An diesem Freitag steht das von Justizminister Maas geschaffene „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ auf der Tagesordnung des Bundestages (19.05.2017, TOP 38). Das Gesetz ist eine 30-seitige, verfassungs- und europarechtswidrige juristische Totgeburt. Es verstößt gegen Art. 3, 5 und 12 GG (Gleichheitsgebot, Meinungsfreiheit, Berufsfreiheit). Hinzu kommt, dass das Gesetz überflüssig ist. Hier unser Gegenentwurf.
Für den Kampf gegen strafbare und zivilrechtlich unzulässige Inhalte im Netz genügen die Gesetze, die wir haben.
Der Kampf lässt sich mit einer hinreichend ausgestatteten Justiz ohne weiteres erfolgreich führen.
Es bedarf der drastischen Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bevölkerung und der drohenden automatisierten Massenvernichtung freier Rede nicht.
Der Münchener Kollege Maximilian Krah und ich haben uns gestern zusammentelefoniert und hatten nach 30 Minuten einen alternativen Gesetzesentwurf für ein Meinungsfreiheitsgesetz (MfG) fertig, den wir nachstehend veröffentlichen und hier kurz erläutern wollen. Was zwei Juristen in einer halben Stunde schaffen, sollte ein Ministerium in ein paar Monaten auch bewerkstelligen können.
Die massiven Entgleisungen in den sozialen Netzwerken sind eine Tatsache. Sie sind zu ahnden, wenn sie bestehende straf- oder zivilrechtliche Vorschriften verletzen. Niemand muss sich beleidigen lassen, keine freie Gesellschaft sollte Volksverhetzung ein Forum geben. Dies lässt sich aber alles ohne die drastischen Eingriffe in Freiheitsrechte bewerkstelligen, die Maas’ Gesetz vorsieht.
Schon nach geltendem Recht haftet jedes soziale Netzwerk ab Kenntnis für die dort befindlichen Inhalte. Und zwar sowohl zivil- als auch strafrechtlich. Löscht das Netzwerk nach Beschwerde einen zB beleidigenden Inhalt nicht, kann man Facebook ebenso verklagen, wie die Bild-Zeitung. Die Strafverfolgungsbehörden können gegen die verantwortlichen Personen vorgehen, wenn strafbare Inhalte nicht entfernt werden. Aber anstatt die Justiz entsprechend auszustatten, damit sowohl schnelle zivilrechtliche Abhilfe, als auch strafrechtliche Ahndung erfolgt, verlagert der Justizminister diese hoheitliche Aufgabe unter Verletzung verfassungsrechtlicher Vorgaben und der Gewaltenteilung an einen privates, durch drohende Sanktionen von bis zu € 50 Millionen maximal eingeschüchtertes Privatunternehmen. Eine Vorschrift, die den von zu Unrecht erfolgten Löschungen oder Profilsperrungen Betroffenen eine Handhabe gibt, ist in dem Entwurf nicht vorgesehen. Es geht besser. Nämlich so.
Entwurf von Joachim Steinhöfel und Maximilian Krah
Gesetz zur Gewährleistung freier Rede und Einhaltung straf- und zivilrechtlicher Vorschriften in den sozialen Netzwerken (Meinungsfreiheitsgesetz – MfG)
§ 1 Anwendungsbereich
Dieses Gesetz gilt für soziale Netzwerke. Dies sind Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht im Inland Plattformen im Internet betreiben, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
§ 2 Inländischer Zustellungsbevollmächtigter
Anbieter sozialer Netzwerke haben für Zustellungen in Deutschland in ihrem Impressum einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen.
§ 3 Haftung für rechtswidrige Inhalte Dritter
Anbieter sozialer Netzwerke haften auch für von Dritten eingestellte rechtswidrige Inhalte, wenn sie diese nach Kenntnis nicht unverzüglich entfernen.
§ 4 Haftung für Löschungen und Sperrungen
(1) Anbieter sozialer Netzwerke können auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie Inhalte Dritter entfernen, deren Veröffentlichung nicht gegen deutsches Recht verstößt.
(2) Anbieter sozialer Netzwerke können auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn sie Profile Dritter löschen oder befristet sperren, soweit der betroffene Dritte deutsches Recht nicht verletzt hat.
(3) Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 gelten dann nicht, wenn der betroffene Dritte die AGB (Gemeinschaftsregeln) des sozialen Netzwerks verletzt hat und die AGB ihrerseits rechtmäßig sind. Dies gilt dann nicht, wenn das soziale Netzwerk eine marktbeherrschende Stellung hat.
§ 5 Bagatellklausel
Die Ansprüche aus § 3 MfG können nur dann geltend gemacht werden, wenn die rechtswidrigen Inhalte geeignet sind, die Interessen des Betroffenen spürbar zu beeinträchtigen.
§ 6 Gerichtsstand
Für Klagen aufgrund dieses Gesetzes ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
§ 7 Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt am Tag der Verkündung in Kraft.
(2) Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird mit Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgehoben. Alle etwa aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Entscheidungen sind gegenstandslos.
Einige Worte zur Erläuterung:
§ 2: Eine Zustelladresse im Inland ist deshalb wichtig, weil deren Fehlen zu dramatischen Verzögerungen der Verfahren führt.
§ 3 ist im Prinzip redundant, weil sich dies bereits aus dem Telemediengesetz ergibt. Dennoch gehört diese Klarstellung hierher.
§ 4 Abs. 1 gewährt eine klare Handhabe gegen Eingriffe der sozialen Netzwerke in das grundrechtlich verbriefte Recht auf freie Meinungsäußerung durch das Entfernen rechtmässiger Inhalte. In der Begründung zu dem Gesetz von Maas heißt es zwar: „„Niemand muss hinnehmen, dass seine legitimen Äußerungen aus sozialen Netzwerken entfernt werden.“ Sein Entwurf schafft aber keine entsprechende Regelung. Dem helfen wir mit § 4 Abs. 1 ab. Abs. 2 begründet einen Anspruch auf Schadensersatz bei befristeter Sperrung oder gar Löschung von Profilen, wenn der Nutzer deutsches Recht nicht verletzt hat. Abs. 3 räumt den sozialen Netzwerken einen gewissen Ermessenspielraum ein, was sich auf den Plattformen abspielen darf. So darf ein Portal der Dackelfreunde durchaus jemanden sperren oder löschen, wenn er ständig Vandalismus betriebe und seine Lieblingskatzenfotos veröffentlicht oder Texte zur veganen Esoterik. Allerdings soll dies dann nicht gelten, wenn das soziale Netzwerk, und dies würde zB für Facebook gelten, eine marktbeherrschende Stellung hat und nicht zB auf bestimmte Interessen- oder Themenbereiche beschränkt ist.
§ 5 soll in geringem Maße den etwas anderen Kommunikationsformen im Netz Rechnung tragen. Nicht jede im Eifer des Gefechts gemachte Äußerung soll justiziabel sein um so einer Sinflut von Abmahnungen und Gerichtsverfahren vorzubeugen. Wann eine „spürbare Beeinträchtigung“ vorliegt, soll der Entscheidungshoheit der Gerichte überlassen bleiben.
Herr Maas, gerne hören wir von Ihnen, warum sie unseren Entwurf nicht übernehmen und ihr Gesetz fallen lassen.
© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2017