In der Wüste

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Es war ein angenehmer Flug mit Air Berlin nach Tel Aviv. Wir kamen bei strahlendem Sonnenschein und frühsommerlichen Temperaturen eine Viertelstunde zu früh auf dem Flughafen Ben Gurion an. Bei der Passkontrolle musste ich etwas warten. Mir kam dabei der Gedanke, dass ein Land, das genau hinschaut, wer seine Grenzen überschreiten will, mehr Respekt einflößt, als eines, das in diesem Punkt Interesselosigkeit demonstriert. Als der Passkontrolleur hörte, dass ich zum sechsten Mal nach Israel gekommen war, wünschte er mir sichtlich erfreut einen schönen Aufenthalt. Das Flughafengebäude ist für mich eines der schönsten der Welt. Wenn man die lange Rampe herunterkommt und dann von oben einen Blick in die Rotunde hat, wo die Fluggäste am Springbrunnen entspannt ihren Tee oder Kaffee genießend auf ihren Abflug warten können, fühlt man sich gleich wohl.

Leider geriet mein Schwung, mit dem ich das Land erobern wollte, am Gepäckband ins Stocken. Der Albtraum aller Flugpassagiere wurde für mich und etwa zwanzig Mitreisende wahr. Unsere Koffer kamen nicht an. Wir mussten uns am Schalter für das verloren gegangene Gepäck anstellen. Es dauerte ewig. Ich hatte mich auf eine schöne Nachmittagsfahrt in die Wüste Negev, mein Ziel, gefreut. Es ging auf den Abend zu, als feststand, dass mein Koffer nicht in Tel Aviv angekommen war. So musst ich nur mit meiner Handtasche die Fahrt nach Metar antreten.

Auch bei der Autovermietung Hertz gab es lange Schlangen. Da ich aber schon im Internet bestellt hatte, ging ich einfach nach vorn. Ich hatte Glück. Ich bekam mein Auto und ein iPad mit dem neuesten israelischen Navigationssystem. Der freundliche junge Mann tippte meine Adresse ein. Ich fand mein Auto nach einigem Suchen und fuhr los – in einen blutroten Sonnenuntergang. Nachdem ich den Flughafenbereich verlassen hatte, merkte ich, dass etwas nicht stimmen konnte. Ich fuhr Richtung Tel Aviv und sollte in zwanzig Minuten am Ziel sein. Da ich schon einmal in Metar gewesen war, wusste ich, dass die Fahrt über eine Stunde dauern würde.

Ich nahm also die nächste Ausfahrt, suchte eine Stelle, an der ich anhalten konnte, was nicht einfach war, und konsultierte das Navi. Es gibt HaKoveshim-Straßen in zwanzig Orten Israels. Ich gab also die Adresse neu ein und fuhr wieder los – von Tel Aviv weg.

In einer Stunde sollte ich das Ziel erreichen. Das Navi war phantastisch. Es warnte mich vor Radarfallen (1), Unfällen (4), Staus (3) und teilte mir mit, wie lange ich brauchen würde, den Stau zu passieren. Ohne weitere Zwischenfälle kam ich in Metar an der palästinensischen Grenze an. Hier wohnt seit vielen Jahren der Schriftsteller Chaim Noll mit seiner Familie. Vom Dach seines Hauses kann man weit ins palästinensische Land sehen. Das weiß ich von meinem ersten Besuch. Jetzt war es dunkel. Obwohl es erst 21 Uhr war, wirkte der Ort wie ausgestorben. Nur Hundegebell war zu hören. Die Straßen waren von Katzen bevölkert. Die Katzen brauchen die Bewohner des schnell wachsenden Ortes gegen die Schlangen und die Skorpione, die sich sonst in den Gärten breit machen würden. Die Hunde gegen die Wölfe und die Schakale.

Bei Chaim und seiner Frau, der Malerin Sabine Kahane, bekam ich noch eine köstliche Kascha, wie sie wohl die russischen Juden in Israel eingeführt haben und zuckerlosen Kuchen, der erstaunlich gut schmeckte. Mit einem Gläschen Rotwein stießen wir auf meine Ankunft an, bevor ich zu meinem Zimmer gebracht wurde.

Heute muss ich vor die Studenten der Ben Gurion-Universität in Beer Sheva treten, mit meinen Reiseklamotten. Mein Vortrag über den wachsenden Antisemitismus in Deutschland ist in meinem Koffer wer weiß wo unterwegs. Glücklicherweise habe ich meinen Laptop entgegen meiner ursprünglichen Absicht in mein Handgepäck genommen, so dass ich meinen Text bei mir habe.

Das Abenteuer kann beginnen.

 

 

 



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