Quo vadis Deutschland?

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Ein Albtraum, geträumt von Gastautor Reinhold Bachofer – frei von Logik und frei nach Friedrich Dürrenmatt „Der Tunnel“ oder nach Theodor Fontane „Die Brück’ am Tay“:

Der Zug nach (n)irgendwo

Der Zug rast dahin. Es ist ein Hightech-ICE der neuesten Generation.
Der Lokführer ist nicht im Führerstand, weil der hohe Stand der Technik ein autonomes Fahren ermöglicht. Der Zug hat das bekannte Streckennetz verlassen und fährt auf unbekannten Geleisen in eine nicht zu definierende Richtung. Einen Kompass gibt es nicht an Bord, die Funkuhren erhalten seit einiger Zeit kein Signal mehr.
Die Zugbegleiter in ihren schicken blauen Uniformen versprechen aber eine sichere Fahrt mit einem Traumziel, das besser sei als das Schlaraffenland, nämlich Glück und Wohlstand für alle.

Der Zug erscheint sehr, sehr lang und voll besetzt, die Zahl der Waggons ist nicht abzuschätzen, geschweige denn die der Passagiere.
Die Menschen schlafen teilweise, einige lesen Bestseller oder den „Spiegel“, viele schauen gebannt auf ihre Smartphones oder Tablets und spielen Computerspiele oder hören Nachrichten im zugeigenen Intranet. Die meisten haben Kopfhörer oder Ohropax in den Ohren. Hier und da gibt es auch Gesprächsrunden von Intellektuellen, die über Vor- und Nachteile der Plastikvermüllung der Meere diskutieren oder darüber, ob man Selbstmordattentate von Muslimen im Rahmen der Religionsfreiheit legalisieren soll.
Für Verpflegung im Zug ist gesorgt und eine Durchsage lautet, dass ein Engpass auf Dauer ausgeschlossen sei. Einige Rangeleien um das begrenze Angebot von Kaviar und Champagner gibt es aber allemal. Auch einige andere Konflikte unter den Menschen aus aller Herren Länder und Kulturen kommen vor, offensichtlich auch mit Verletzten, die jedoch von den Zugbegleitern rasch und diskret beseitigt werden.
Nur wenige Passagiere werfen einen Blick durch die rosa getönten Scheiben auf die vorbeifliegende Landschaft. Soweit im Zwielicht der Dämmerung erkennbar, hat der Zug die blühenden Landschaften verlassen und es sieht jetzt nach verbrannter Erde aus. Schemenhaft tauchen ab und zu menschenleere Ruinen von Dörfern und Städten auf.
Es kommt nunmehr hinzu, dass im Zug, der bislang fast lautlos dahingeglitten ist, schrille Fahrgeräusche zu hören sind und ein zunehmendes Ruckeln zu spüren ist.
Die wenigen, die die Veränderung wahrnehmen, werden von den Zugbegleitern beruhigt. Es bestünde überhaupt kein Grund zur Sorge, alles verlaufe normal und nach Plan. Das Ziel sei in Sicht.
Einige wenige über die Abteils verstreute Menschen warnen aber dennoch vor einer Katastrophe durch Entgleisung oder Absturz des Zuges im Falle einer plötzlichen Unterbrechung der Geleise; sie fordern eindringlich eine Reduzierung der Geschwindigkeit, manche auch einen Stopp oder gar eine Umkehr. Die Mehrheit der Passagiere hört davon nichts, etliche echauffieren sich aber über die Ruhestörung: lächerlich sei das, reine Panikmache, Rückwärtsgewandtheit, Behinderung auf dem Weg zum Glück.
Die Zugbegleiter eilen herbei und verwarnen die Ruhestörer ultimativ. Für den Fall des weiteren Fehlverhaltens käme die Unterbringung im Gefängniswaggon in Betracht, bei fortgesetzter Renitenz auch die Entfernung aus dem Zug.
Das Schicksal nimmt seinen Lauf…

Quo vadis Deutschland?



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