Taliban oder nicht Taliban – das ist die Frage

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Auf meinen Artikel über die Forderung nach Entfernung der „Judensau“ an der St.Annen-Kirche in Wittenberg habe ich folgende Mail erhalten, die ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte:

Herr Thomas M., der zu den Protestierenden gehört, schrieb mir:

Sehr geehrte Frau Lengsfeld,

dass Sie die Forderung von Christen, die sog. Judensau von der Kirche in Wittenberg zu entfernen, mit der Zerstörung von „antiken kulturellen Hinterlassenschaften der Christen und der Buddhisten“ durch Taliban und IS gleichsetzen bzw. noch als Steigerungsform dieser Verbrechen betrachten, ist mehr als geschmacklos.

Hier geht es nicht um Zerstörung, sondern um Entfernung einer schmähenden Darstellung, die einzig und allein dazu geschaffen wurde, die Juden und ihren Glauben der Lächerlichkeit preiszugeben und zu schmähen. Ja, es ist eine Hinterlassenschaft von Christen, aber keine, die ihnen Ehre macht oder die mit der Bibel zu rechtfertigen wäre. Es ist eine schändliche Darstellung, die, wäre sie heute mit real existierenden Persönlichkeiten veröffentlicht worden, bestimmt strafrechtliche Folgen hätte oder aus öffentlichen Medien verbannt worden wäre.

Die Darstellung ist zwar historisch, aber beleidigt eine heute existierende Nation und Religion weiterhin.

Für die „Wissensdurstigen“ sollte sie in einem Museum mit ausreichender Erläuterung ausgestellt werden.

Übrigens, am Mittwoch war die Teilnehmerzahl der „normalen Christen“ größer als die der teilnehmenden Pfarrer und Ordensschwestern.

Und noch etwas: Wenn Sie schon den „politisch- korrekten Kniefall vor dem Zeitgeist“ bemühen, dann sollten Sie sich in diesem Fall besser informieren. Der Zeitgeist zu diesem Thema ist ein ganz anderer. In ca. 2 Dutzend Kirchen in Deutschland gibt es noch solche und ähnliche Darstellungen. Eine Abnahme ist bisher überall verweigert worden. In den meisten Kirchen weigert man sich sogar, eine Erklärung anzubringen und sich von dieser Darstellung zu distanzieren, aus Angst vor Rechten und Souvenirjägern.

Zum Schluss: Es nahmen an der Mahnwache auch Leute teil, die in ihrem Urlaub nach Israel fahren, um Shoa- Überlebenden und armen Menschen in Israel Wohnungen zu renovieren und anderweitig zu helfen. Auch sie waren über die Kreuzabnahme von Bischof Bedford- Strohm auf dem Tempelberg sehr enttäuscht.

Mit freundlichen Grüßen und Shalom

Meine Antwort darauf:

Lieber Herr…

es ist so einfach, gegen historischen Antisemitismus vorzugehen. Da passiert einem nichts und man kann sich wieder einmal moralisch überlegen fühlen.

Wir haben ein Riesenproblem mit Antisemitismus, der sich als Israelkritik tarnt, mit Boykottaufrufen gegen Israel und mit dem muslimischen Antisemitismus, der sich schon lautstark auf deutschen Straßen und in deutschen Schulen geäußert hat. Aber dagegen zu demonstrieren, kann u.U.unangenehm werden.

Der Vergleich mit den Taliban ist geschmacklos? Vielleicht passt ja auch die Chinesische Kulturevolution besser. Da sind im großen Umfang historische Hinterlassenschaften zerstört worden. Sie haben ja offenbar auch vor, an zahlreichen Kirchen Reliefs zu entfernen. Wenn das erreicht ist, wie geht es weiter?

Werden systematisch alle historischen Hinterlassenschaften, alle Kunstwerke, alle Schriften von nicht mehr zeitgeistgemäßen Darstellungen gesäubert?

Aktuell gibt es schon die Forderung im „Manifest“ einer Künstlergruppe, die Nürnberger Stadtmauer abzureißen. Das ist ein durchaus ernst gemeinter Versuchsballon. Wenn diese Leute die Möglichkeit dazu hätten, würden sie sofort zur Tat schreiten.

Ich habe übrigens an keiner Stelle Anlass zu der Behauptung  gegeben, Ihre Forderung “noch als Steigerungsform dieser Verbrechen betrachten“.

Damit versuchen Sie, mich zu diskreditieren. Tatsächlich habe ich vor den Anfängen gewarnt, die verheerende Folgen nach sich ziehen können, das lehrt ein Blick in die Geschichte.

Mit freundlichen Grüßen!

Mir ist leider erst nach dem Absenden der Mail eingefallen, dass auch die Kommunisten nicht alle kirchlichen Requisiten und Kunstwerke zerstört haben. Einen Teil haben sie für „Wissensdurstige“ in Museen der Religion belassen.



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