Die Stille nach den Schüssen

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„Es geht seinen Gang“, war ein geflügeltes Wort in der bleiernen Zeit der 70er Jahre in der DDR. Erich Loest hat einen gleichnamigen Roman darüber geschrieben, wie es war, als es so aussah, als würde alles noch, nein, nicht tausend, aber wenigstens hundert Jahre so weiter gehen.

Nach der Terrorwoche und Merkels Sommerpressekonferenz, die signalisierte, dass alles weiter gehen würde, wie bisher, kam die politisch-korrekte Welt schnell wieder in Ordnung. Alles ist einsortiert: Eine Beziehungstat hier, ein psychisch Gestörter da, ein IS- Täter dort, der es „schwer genug“ hatte, wie ein Journalist auf der Merkel- Show verlauten ließ. Wenn man nach Deutschland gekommen ist, um sich die Splitter aus den Beinen operieren zu lassen, ist das Grund genug, hier Menschen mit einer Splitterbombe ins Jenseits befördern zu wollen.

Auf der Trauerfeier für die Opfer von München wurde das Hauptaugenmerk auf Toleranz und Religionsfreiheit gelegt. Die „bewegendste” Rede wurde von einer Muslima gehalten, die den Koran zitieren durfte, dass, wer einen Menschen ermordet, die ganze Welt tötet, oder so ähnlich.

“Allah, wir bitten Dich um Hilfe für uns, unsere Menschlichkeit nicht zu verlieren”, sagte sie.

Wir? Unsere? Wieso verlieren wir unsere Menschlichkeit, wenn wir von Terroristen angegriffen werden? Die Terroristen sind doch die Unmenschen, oder nicht?

 

Auch Erzbischof Reinhard Marx, hat gesprochen: Man müsse das Verbindende betonen, das gemeinsame Mensch-Sein, nicht das Trennende. Sollen wir näher mit den Mördern zusammenrücken?

“Wir brauchen einander”, sagt der unvermeidliche  Bischof Bedford-Strohm. Keiner könne den Familien der Toten ihre Lieben wiedergeben, aber man könne das Leid gemeinsam tragen, über alle religiösen und kulturellen Grenzen hinweg.

Damit ganz klar wird, was gemeint ist, werden am Altar nicht nur Kerzen für die Ermordeten angezündet, sondern auch eine für den Mörder.

Wenn es die Angehörigen der Opfer als ein Schlag ins Gesicht empfunden haben sollten, wurde das jedenfalls nicht berichtet.

 

Auch Bundespräsident Gauck redete um den heißen Brei herum. Wenn man darüber nachdenke, was Menschen wie den Täter von München zu derart mörderischen Taten treibe,stießen wir auf junge Männer mit labilen Charakteren, die sich von ihrem Umfeld gedemütigt, ausgegrenzt, nicht angenommen sähen.

Dabei stelle sich „die Frage der Verantwortung, die für Betroffene, für Freunde und Familie, für Ärzte, ja, für die ganze Gesellschaft erwächst…

Wir können nur noch schwer auseinander halten, ob eine Tat im Namen einer Religion oder einer Ideologie begangen wurde, aus Fanatismus, Nationalismus oder Rassismus.“

Können wir die Motive einer Tat wirklich nicht auseinanderhalten, oder wollen es die politischVerantwortlichen nicht? Für mich ist klar, dass Zweiteres zutrifft.

Diese Ideologie, dass Täter immer Opfer der Gesellschaft seien, blendet nicht nur die Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen aus, sondern lenkt von den wahren Ursachen des Terrorismus, von dem Amoklauf nur eine Spielart ist, ab.

Proteste gegen diese zynische Lesart sind nicht zu hören. Das ist das Beängstigendste an der gegenwärtigen Situation, noch schlimmer als das Ausbleiben von Massenprotesten gegen den Terror.

Während mit der Münchener Trauerfeier die Mordtaten weitestgehend relativiert wurden, fährt die Politik fort, durch Nebelbomben davon abzulenken, was in unserem Land vorgeht.

Ein Beispiel dafür ist das gestrige ZDF- Sommerinterview mit dem bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Er verfährt darin nach dem lange bekannten Schema: Er kritisiert Kanzlerin Merkel, relativiert die Kritik sofort wieder, markiert den starken Mann, der sich um die Sicherheit der Bevölkerung sorgt, unterlässt aber jede konkrete Ansage. Das hat inzwischen Tradition. Keiner der markigen bayrischen Ankündigungen ist je eine Tat gefolgt. Alles war reine Dampfplauderei und Ablenkung. Kanzlerin Merkel verfolgt ihre Politik der unkontrollierten Einwanderung weiter und Seehofer gibt ihr dafür Rückendeckung. Bei seiner speziellen Art der Kanzlerinnenrettungspolitik scheut Seehofer vor nichts zurück.

Er sagt an einer Stelle im Interview, dass Bayern derzeit nicht an seiner geforderten Obergrenze von 200 000 Zuwanderern pro Jahr für ganz Deutschland festhalten müsse, weil sich die Migrantenzahlen in diesem Jahr weit unter dieser Grenze befänden. Diese Aussage stimmt allerdings nur, wenn man sie auf den Monat bezieht. Bis Ende April kamen laut Bundesamt für Statistik schon 400 000 Einwanderer ins Land, also das Doppelte der von Bayern für das gesamte Jahr angeblich geforderten Obergrenze.

Seitdem ist der Zustrom nicht geringer geworden. Im Juni diesen Jahres wurden allein

73 030 Erstanträge auf Asyl gestellt. Seehofer reagiert auf diese Zahlen, indem er sagt, diese Statistik würde „so nicht weiter geführt“, denn sie würde auch Personen enthalten, die schon 2015 eingereist seien. Die bayrische Obergrenze wäre „tatsächlich überhaupt nicht erreicht“ worden. Ist ein Schelm, wer sich da an Churchills „Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ erinnert fühlt?

Während ich an diesem Text schrieb, schickte mir ein Freund einen Link zu einer Bundestagsdebatte im Jahr 2002, in der Oppositionsführerin Merkel eine Obergrenze bei der Migration und die Vertretung deutscher Interessen forderte. Würde ich heute so etwas schreiben, würde ich sofort als Nazi gebrandmarkt!

„Die Sicherheitslage ist ernst, die Bedrohungslaue ist ernst“, Seehofer sieht „die absolute Notwendigkeit, sich darüber Klarheit zu verschaffen, wer bei uns im Lande ist“(sic!), aber an  Merkels Politik soll nichts geändert werden.Was bis vor Kurzem noch heftig bestritten wurde, dass wir hunderte von „Gefährdern“, also terrorverdächtige Personen, im Land haben, ist nun laut Seehofer „bekanntermaßen“.

Die entscheidende, nein existentielle Frage ist, ob und wie lange sich die schweigende Mehrheit noch mit solchen Tricks beruhigen lässt. Ist die Stille im Land eine Stille vor dem Sturm oder die Stille derer, die bereits erfolgreich zur Interesselosigkeit am eigenen Schicksal manipuliert wurden?



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