Schon 1949 hat sich der deutsche Politikwissenschaftler und Journalist Dolf Sternberger mit den Gefahren einer Allparteien-Koalition auseinandergesetzt. Ein Brief von Leser M.P.
Verehrte Frau Lengsfeld,
ein Ihren Texten auf “Freedom Is Not Free” praktisch immer nur zustimmender Leser erlaubt sich aus aktuellem Grund den Hinweis auf eine aufschlussreiche Lektüre:
Im Januar 1949, als in Westdeutschland noch über den Text des Grundgesetzes beraten wird, setzte sich Dolf Sternberger in der Zeitschrift „Die Wandlung“ (Erstes Heft 1949, S. 3 ff.) kritisch mit diesen Beratungen auseinander.
Im Deutschland des Jahres 2017 klingt seine Analyse (wenn auch seiner Sprache gelegentlich das Alter von fast 70 Jahren anzuhören ist) wie für unsere Gegenwart geschrieben.
Vor allem wirft Sternberger den nur zweifelhaft demokratisch legitimierten Vertretern der Parteien im Parlamentarischen Rat vor, dass es ihnen lediglich darum geht, ihr Machtkartell für alle Zukunft zu sichern. Als Methoden dafür begreift er die 5-Prozent-Klausel, die möglichst auf Dauer neue Mitbewerber von der Teilhabe an der Macht ausschließen soll, und das Verhältniswahlrecht, das möglichst den häufigen Wechsel zwischen Regierung und Opposition vermeiden und stattdessen am besten allen bisherigen Parteien permanent eine Art Regierungsbeteiligung sichern soll. „Es ist die Furcht vor dem Wechsel schlechthin, vor jenem lebendigen Prozess im Verhältnis von Mehrheit und Minderheit, welche allein das krampfhafte Festhalten an dieser Mechanik der proportionalen Abbildung verständlich macht. … Das Verhältnissystem sichert (für eine Weile), gleich einer rundum aufgeführten Stützmauer, die Aussicht aller einmal bestehenden Parteien, in irgendeinem Maße in der Vertretung zu verharren und durch Koalition an Regierungen und Behörden beteiligt zu bleiben. …“ „Freiheit ist die einzige Sicherung vor Demokratieverlust“ weiterlesen