Von Gastautor Ramin Peymain
Eines der wohl schönsten deutschen Weihnachtslieder beginnt mit der Strophe: „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!“ Viel ist davon diesmal im Advent nicht mehr übrig. Weder geben die Ereignisse Anlass zur Fröhlichkeit noch spüren wir das Glück der Vollendung. Und auf die Gnade der Handelnden dürfen wir nicht mal zu Weihnachten hoffen. Sie ziehen es eiskalt durch. Das traurigste Weihnachtsfest aller Zeiten steht uns bevor, jedenfalls all jenen, die merken, dass unsere Demokratie ans Kreuz geschlagen wird. Nachdem das Grundgesetz zwanzig Monate lang sturmreif geschossen worden ist, wird die dauerhafte Einschränkung der Grundrechte nun endgültig besiegelt. Nur wenig mehr als zwei Stunden sind für das Theaterstück in zwei Akten veranschlagt, an dessen Ende der Bundestag für den gesetzlichen Zwang zur Corona-Impfung stimmen wird. Seit jeher ist die Weihnachtszeit für die vielen Menschen schwierig, die an den Feiertagen die Einsamkeit besonders spüren, und erst recht für jene, die jetzt mit höherer Wahrscheinlichkeit als zu anderen Zeiten einen geliebten Menschen verlieren, weil Krankheiten im Winter härter zuschlagen. Die besinnliche Zeit ist immer auch eine Zeit der Tränen, in diesem Jahr mehr denn je. Zur staatlich verordneten Einsamkeit, die zum zweiten Mal in Folge Familien davon abhält, so zusammenzukommen, wie sie möchten, und zur staatlich verordneten Erschwernis bei der Begleitung Schwerkranker oder Sterbender kommt im Advent 2021 die bedrückende Erkenntnis, dass die ersten zwanzig Artikel des Grundgesetzes nach sieben Jahrzehnten nicht mehr mit der gleichen unumstößlichen Selbstverständlichkeit gelten, wie dies für Generationen der Fall war. Die Väter des Grundgesetzes dürften heftig im Grab rotieren.
Unbewiesene Behauptungen genügen inzwischen, wo ehemals nur mit erdrückender Faktenlage gesetzliche Grundrechtsbeschränkungen eine Chance gehabt hätten
So verzweifelt die Verteidiger der Bürgerrechte auch protestieren – es ist beschlossene Sache: Der Impfzwang in Deutschland kommt. Spätestens ab März 2022 soll die Weigerung, sich eine Corona-Spritze setzen zu lassen, unter Strafe gestellt werden. Damit gilt der Schutz des Artikels 2 Abs. 2 GG nicht mehr, der die Bürger vor staatlichen Eingriffen in ihre körperliche Unversehrtheit bewahren soll. Behauptungen genügen, wo ehemals nur mit erdrückender Faktenlage gesetzliche Beschränkungen eine Chance gehabt hätten. Nicht einmal mehr die nationale Notlage muss offiziell noch festgestellt werden. Das Ganze geschieht mit derselben Chuzpe, mit der kritische Nachfragen zur Legitimation und Legalität ins Reich rechter Hetze verbannt werden. Da mögen die Kritiker noch so renommiert sein, über jeden Zweifel erhaben bisher, ihr Wort hat keinerlei Gewicht mehr, wenn es sich gegen staatlich verordneten Zwang richtet. Aus der Klimapolitik kennen wir das. Kein Wissenschaftler, der das Narrativ des menschengemachten Klimawandels mit Fakten einer Debatte zu öffnen versucht, darf je wieder darauf hoffen, Forschungsgelder zu erhalten oder in den durch und durch politisierten Fachgremien gleichberechtigt mitreden zu können. Im 21. Jahrhundert haben Sekten das Regiment übernommen. Sie stützen ihre Macht auf eine gewaltige Zahl an Mitgliedern, die sie mithilfe immer dramatischer formulierter Apokalypseerzählungen rekrutieren und die in der Zugehörigkeit zur Sekte die Erlösung suchen. In ihrer Hysterie betrachten die Sektenanhänger jeden als Feind, der sich ihnen nicht anschließt. Sie erledigen die Arbeit ihrer Herren, indem sie unablässig nach schärferen Regeln, neuen Verboten, mehr Zwang und härteren Strafen verlangen. „Gottloses Weihnachtstheater: Das böse Schauspiel der unchristlichen Gnadenlosen“ weiterlesen