Es geht los: Bald werden wir nichts mehr besitzen – werden wir auch glücklicher sein?

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Von Gastautor Ramin Peymani

Liebe Leser, einigen von Ihnen mag es aufgefallen sein: Ich habe mich in jüngster Zeit in den Sozialen Netzwerken etwas rarer gemacht. Aufgrund verschiedener neuer Projekte habe ich aktuell einfach zu wenig Zeit für andere Dinge. Das gilt insbesondere für die Liberale Warte, bei der ich einen gewissen Anspruch an mich selbst habe. Ich mag nicht schnell mal ein paar Zeilen hinknallen, nur um etwas zu schreiben. Für meine Artikel möchte ich mir die notwendige Zeit für Themenauswahl und Recherche nehmen. Die Liberale Warte wird daher künftig etwas unregelmäßiger erscheinen. Aus dem gleichen Grund macht auch das Videogespräch auf eigentümlich frei TV eine Pause, wie Wolfgang van de Rydt und ich Ihnen mitteilten. Die „Herrenrunde“ wird es dagegen weiterhin geben, wenn auch vielleicht in etwas größeren Abständen, dafür aber regelmäßig mit profilierten Gästen wie zuletzt Vera Lengsfeld, Matthias Matussek und der polnischen Journalistin Aleksandra Rybinska, die mit hochinteressanten Einblicken zum Ukraine-Krieg und zu weiteren Themen aufwartete, über die in den deutschen Medien nicht sachgerecht informiert wird. Allerdings sollte man die Hoffnungen dabei nicht zu hoch hängen: Denjenigen, die immer noch nicht erkennen, auf welch gefährlichem Weg sich Deutschland befindet, kann man wohl kaum mehr helfen. Allen anderen muss man nicht helfen. Es mag gut tun, sich im Kreise Gleichgesinnter zu wissen, und ich spüre, wie viele Menschen dankbar dafür sind, dass auch ich ihnen eine Stimme gebe, doch stellt sich die Frage, was das ändert. Wir wackeren, weitsichtigen, warnenden Aufrechten haben es nicht vermocht, den Wahnsinn aufzuhalten, und es gab wohl auch nie eine echte Chance dazu. „Es geht los: Bald werden wir nichts mehr besitzen – werden wir auch glücklicher sein?“ weiterlesen

Gräben in der Gesellschaft

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Konrad Adam hat es im Journalismus ganz nach oben geschafft. Er war im Feuilleton der FAZ zuständig für Bildungs-und Wissenschaftspolitik, wechselte dann zu Welt, wo er acht Jahre lag, bis 2008 politischer Chefkorrespondent in Berlin war. Kaum im Ruhestand, wurde er Mitbegründer der AfD, die er aber längst wieder verlassen hat, weil er mit manchen Gestalten, die in die neue Partei drängten, Ämter und Mandate besetzten, nichts zu tun haben wollte. „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze“, den Journalisten auch nicht, wie man am einstmals gefeierten, heute so gut wie vergessenen Frank Schirrmacher sehen kann. Adams Analysen dürften, anders als die Schirrmachers, die mehr Hype waren, als sie Substanz hatten, Bestand haben. Deshalb ist es verdienstvoll, dass das Buchhaus Loschwitz Adam in seine Exil-reihe aufgenommen hat.

Adams großes Thema ist die Freiheit und ihr allmähliches Verschwinden. Er verweist auf den französischen Soziologen Raymond Aron, der in seinem Kampf gegen die Gesinnungstyrannei immer wieder auf seinen großen Landsmann Montesqieu zu sprechen kam, der überzeugt war, dass Freiheit auf Gewaltenteilung beruht.

Nicht nur ungeteilte Gewalt, auch eine Einheits-Elite, ist freiheitsfeindlich, Woraus der Leser schon ableiten kann, wie es um die Freiheit in Deutschland bestellt ist. Freiheit lebt in den beständig gefährdeten Zwischenregionen „in der die Menschen gelernt haben, Autonomie und Kooperation miteinander zu verbinden“.

Diese Zwischenregionen seien in den sechzehn Merkel-Jahren schwach und bedeutungsarm geworden, sie seien zum Teil sogar verschwunden, „fortgeschwemmt von einer Sturzflut an Empfehlungen und Auflagen, Vorgaben und Sprachregelungen, die der Freiheit immer engere Grenzen gezogen haben“. „Gräben in der Gesellschaft“ weiterlesen

Das große Egal oder konservative Korrektur?

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Antje Hermenau, frühere Bundestagsabgeordnete und langjährige Fraktionschefin der Grünen im Sächsischen Landtag hat ein neues Buch, genauer, ein Essay vorgelegt. Wer Hermenaus analytische Schärfe aus ihren früheren Büchern kennt, hegt hohe Erwartungen, wenn er das schmale Bändchen aus der Exil-Edition des Buchhauses Loschwitz in die Hand nimmt.

So viel kann ich verraten: Man wird nicht enttäuscht.

Deutschland, konstatiert Hermenau, ist eine „historisch und demografisch erschöpfte Gesellschaft“, die „im alltäglichen Biedermeier und intellektuellen Rokoko nunmehr durch den Umgang mit dem Corona-Virus in einem großen Egal auf sich selbst zurückgeworfen wird. Wir blicken hinter die glitzernde Verpackung und sind wahrscheinlich alle etwas erschüttert darüber, wie unscheinbar die wirkliche Substanz im deutschen Alltagsleben ist“.

Für Hermenau ist das Anlass im alltäglichen Leben wieder auf eine Basis der Vernunft und Aufklärung zurückzukehren, anstatt im Moralisieren und in intellektuellen Manieriertheiten zu erstarren.

Nach der Vereinigung hat sich die deutsche Gesellschaft immer mehr nach Links entwickelt (im Gegensatz zu den zahlreichen Warnungen eines Rechtsrucks). Dringend notwendig ist eine konservative Korrektur. „Das große Egal oder konservative Korrektur?“ weiterlesen

Grüne Ideologie in der Sackgasse

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Dieses Foto, das jüngst aus Katar um die Welt ging, ist ein Abbild des Zeitgeistes: Vizepräsident Robert Habecks Haltung gegenüber dem Terrorscheich zeigt, wie er gleichzeitig sich beugen und über sich hinauswachsen will.

Der Katzbuckel als verrutschtes Symbol für die Augenhöhe, mit der der Bittsteller zu verhandeln glaubt. Am Ende dieses peinlichen Auftritts wird sich Habeck bescheinigen, Erfolg gehabt zu haben. „Großartig“ findet der Minister seinen Deal: Katar wird künftig Flüssiggas liefern. Damit will Habeck so etwas wie die Pest mit der Cholera austreiben, denn er findet die Cholera weniger tödlich.

Er gab der FAS zu Protokoll: zwischen einem „nicht demokratischen Staat, bei dem die Situation der Menschenrechte problematisch ist, und einem autoritären Staat, der einen aggressiven, völkerrechtswidrigen Krieg vor unserer Haustür führt, gibt es noch mal einen Unterschied“.

Auf das „Wording“ kommt bei den Grünen alles an. Wie mächtig Worte sind, wusste schon der alte Goethe, auch wenn er es seinen Faust „mit Worten ein System bereiten“ nennen lässt.

Was Habeck als „nicht demokratisch “ verharmlost bedeutet, dass in Katar die Menschenrechte nicht mit Füßen getreten werden, man benutzt hier die Peitsche. „Grüne Ideologie in der Sackgasse“ weiterlesen

Eine erdrückende Anzahl von Einzelfällen

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Vor wenigen Tagen habe ich in einem Artikel anlässlich der Vergewaltigung eines ukrainischen Mädchens darauf aufmerksam gemacht, dass es Belästigungen von Ukrainerinnen bereits bei der Ankunft am Bahnhof und in den Erstunterbringungen gibt. Sofort wurde mir von den einschlägigen Anonymi, die ihr Leben mit Internet-Denunziantentum vergeuden, vorgeworfen, ich schüre wegen eines Einzelfalls Hass und Hetze. Inzwischen haben sich die Einzelfälle so gehäuft, dass sich Innenministerin Faeser gezwungen sah, zu reagieren. Nun sollen mit massiver Bundespolizeipräsenz, in Uniform und Zivil, die Ukrainerinnen vor Menschenhändlern und Sexualstraftätern geschützt werden.

“Jeder, der es versucht, die Not der Geflüchteten auszunutzen, sollte wissen: Auf solche Taten reagieren wir mit aller Härte des Gesetzes”, sagte die SPD-Politikerin der “Bild am Sonntag”.

Fraglich ist, wie die Härte des Gesetzes in diesen Fällen aussieht. Abschiebung? Selbst wenn sie praktiziert würde, ist sie ein stumpfes Schwert, denn die Innenministerin hat ja angewiesen, dass an der Grenze nicht kontrolliert werden darf. Jeder Abgeschobene kann sofort zurückkommen.

Es sollen bereits über 200 000 Kriegsflüchtlinge bei uns angekommen sein, aber das ist offiziellen Eingeständnissen nach nur die Spitze des Eisbergs. Angesichts dieses Flüchtlingsstroms ist die Untätigkeit des Bundes ein Skandal.

Nach mehr als drei Wochen gibt es keinen ministeriumsübergreifenden nationalen Krisenstab im Kanzleramt. Die dringend nötige Koordination, bei der alle Fäden zusammenlaufen, darunter auch die Abstimmung mit den Bundesländern, findet nicht statt.  Deshalb hat Katrin Göring-Eckardt von den Grünen jetzt verlangt, staatliche Strukturen schnell hochzufahren und für eine bessere Verteilung zu sorgen. „Eine erdrückende Anzahl von Einzelfällen“ weiterlesen

Ukraine: was tun!

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Von Gastautor

Als wir am Morgen des 24. Februar die Nachrichten zur Kenntnis genommen haben, war jedem klar, was von den Beteuerungen Putins & Co, Rußland bedrohe niemanden, zu halten ist: Es ist eine unverschämte Lüge, die die wahren Absichten verschleiern sollte. Das offenbarte sich ja dann mit „Ab 6.00 Uhr wird zurückgeschossen!“

Man kann die Entwicklung, die dahin geführt hat, die Frage, wer da welche Fehler gemacht hat und wie aus dem Konflikt wieder rauszukommen ist, unterschiedlich beurteilen, aber eins ist klar: Die Bevölkerung der Ukraine, die Opfer eines Krieges ist, braucht unsere ganze Solidarität. Da gibt es wohl unabhängig von der parteipolitischen Verortung keine Meinungsverschiedenheiten. Und das ist gut so!

Aber täuschen wir uns nicht: Gewisse Allergutestmeinende versuchen weiter auszugrenzen und zu denunzieren. Nach ausländerfeindlich, Klimaleugner, Coronaleugner versucht man nun Andersdenkende als Putinversteher in die Ecke zu stellen. Ja ist es denn verwerflich, andere, auch den Gegner, verstehen zu wollen? Die Absichten und Handlungen zu verstehen, heißt ja nicht, sie zu billigen. Man kann Verbrecher nur wirksam und möglichst vorbeugend bekämpfen, wenn man deren Denken und Ziele versteht. Will da wer die Bereitschaft aller Deutschen, den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zu helfen, will da wer die Einigkeit in diesem Punkt zerschlagen? Was sollen die Bilder im Fernsehen und in Leitmedien, die Ukraine-Flüchtlinge zeigen, die vom Aussehen her wohl eindeutig keine Ukrainer sind? Will man damit unbedachte Äußerungen provozieren, um dann wieder auf die draufzuschlagen, auf die der Mainstream seit 2015 draufschlägt?

Lassen wir uns von solchen Attitüden nicht beindrucken und nicht provozieren! Die Ukraineflüchtlinge sind Flüchtlinge aus unserer Nachbarschaft. Sie verschleiern nicht ihre Identität. Sie gehören zur christlich-europäischen Kultur. Die meisten wollen nahe ihrer Heimat in Polen bleiben bis der Krieg beendet ist. Die Solidarität der Polen mit ihnen ist fabelhaft und Polen braucht da auch die Unterstützung aus Deutschland, denn die wirtschaftliche Tragfähigkeit ist dort – das weiß jeder – geringer als bei uns. Ist da Hilfe aus der EU zu erwarten, wo die EU-Zentralisten ja unverkennbar darauf aus sind, Polen mit Finanzsanktionen zu erdrossen? Ein Zusammengehen unserer rotgrünen Regierung mit der polnischen ist kaum zu erwarten. „Ukraine: was tun!“ weiterlesen

Hände weg von unseren Kindern!

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Meine Rede anlässlich der Freiheits-Demo in Zittau:

Liebe Freunde,

leider kann ich heute nicht bei Euch sein. Das hat nichts mit dem langen Weg von Berlin nach Zittau zu tun, im Gegenteil, ich wäre gern gekommen, um die Stadt wieder zu sehen, die mich beim ersten Besuch so beeindruckt hat. Aber vielleicht kommt gerade in diesem Augenblick, wenn mein Text verlesen wird, mein fünfter Enkel auf die Welt.

Eine Enkeltochter kam 2020 in die erste Klasse, eine kam in den Kindergarten und die Große musste ihr Universitätsexamen unter Corona-Bedingungen ablegen.

Deshalb soll mein heutiges Thema sein, was die so genannte Corona-Politik den Kindern angetan hat.

Zu Beginn der Pandemie war da noch die große unbekannte Gefahr, die Ungewissheit, was über uns gekommen war. Deshalb haben wir die angeordneten Maßnahmen ernst genommen, obwohl wir wussten, dass die Politik im Nebel stochert. Aber sehr schnell wurde klar, dass Kinder und Jugendliche von Corona kaum betroffen sind. Trotzdem wurden sie von der Politik als Geiseln genommen. Deutschland ist wohl das kinderfeindlichste Land Europas und tut alles, um es zu bleiben

Von Anfang an wurden unsere Kinder von der Politik zu Schuldigen gemacht und ihre Rechte missachtet. Ich erinnere an die Panikpapiere des Innenministeriums, in denen es im März 2020 hieß: „Hände weg von unseren Kindern!“ weiterlesen

Staatsversagen auf ganzer Linie!

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Seit drei Wochen herrscht Krieg in der Ukraine. Ebenso lange kommen jeden Tag mehr Flüchtlinge in Deutschland an. Inzwischen sind die Tagesrekorde von 2015 gebrochen, nicht zehntausend, sondern zehntausende überschreiten täglich die Grenze. Es gibt aber, anders als 2015, keine langen Schlangen vor den BAMF-Niederlassungen, weil laut EU-Beschluss Ukraine-Flüchtlinge sich nicht registrieren lassen müssen. So fällt im Stadtbild nicht so auf, dass auch tausende Nicht-Ukrainer zusätzlich ins Land kommen.

Laut Anweisung von Innenministerin Faeser darf die Bundespolizei diese Ankömmlinge nicht kontrollieren.

Schon 2015 ist das durch Staatsversagen angerichtete Chaos von den Bürgern aufgefangen worden. Unzählige freiwillige Helfer haben den Ausfall der staatlichen Institutionen kompensiert. Ob das 2022 wieder gelingen kann, steht in den Sternen. Wir wissen von vielen, die 2015 bei uns ankamen immer noch nicht, wer sie sind. Die staatlichen Institutionen haben aus 2015 nichts gelernt. Der Flüchtlingsstrom trifft anders als 2015 auf eine stark geschwächte krisengeschüttelte Gesellschaft.

Heute Morgen (18. März) hörte ich im MDR-Kultur ein Interview mit einem Professor aus Dresden, Berater der Sächsischen Regierung. Obwohl der Mann sichtlich bemüht war, moderat zu formulieren, kam deutlich genug heraus, dass auch nach drei Wochen keinerlei staatliche Maßnahmen getroffen worden sind. Weder gäbe es eine Koordinierungsgruppe zwischen Bund, Ländern und Kommunen, noch die nötigen Richtlinien und Erlasse. Die zivilgesellschaftlichen Gruppen und Institutionen seien ganz auf sich allein gestellt.

Sie betreuen die Flüchtlinge von der Ankunft bis zur Erstaufnahme, danach ist alles unklar. Die Erstaufnahmeeinrichtungen laufen bereits über, es gibt aber keinen Verteilungsschlüssel, der regelt, wo die Menschen weiter untergebracht werden sollen. „Staatsversagen auf ganzer Linie!“ weiterlesen

Steinmeiers Tour und Potjemkins Beitrag

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Der 18. März ist ein besonderer Tag für Deutschland. Heute ist es nicht ganz so warm. aber genauso sonnig, wie an jenem 18. März 1990, als die Bürger der DDR sonntäglich gekleidet, viele Frauen mit Blumensträußen in der Hand, zur ersten freien Volkskammerwahl gingen. Selten wurde die Demokratie so gefeiert. Allerdings war das Ergebnis der Abstimmung ein Schock für die Linken Ost und West. Es siegte die Allianz für Deutschland und mit ihr der Wille nach schneller Vereinigung. Das war nicht nur der Anfang vom Ende der DDR, sondern auch vom Ossihass des linken Establishments.

Der 18. März war aber auch der Beginn der 1848er Märzrevolution, an deren Ende der König gezwungen war, vor den Gefallenen seinen Hut zu ziehen.

Bundespräsident Steinmeier hat den 18. März für den Beginn seiner Deutschlandtour „Ortszeit Deutschland“ gewählt. Bei seiner Auftaktrede im Schloss Bellevue, bei der viele Kommunalpolitiker Anwesend waren, umriss er sein Ziel so:

„Mir als Bundespräsident ist es sehr wichtig, dass wir als Gesellschaft wieder mehr miteinander ins Gespräch kommen: um uns wieder näher zu kommen und die Wunden aus der Zeit der Pandemie zu heilen… „Steinmeiers Tour und Potjemkins Beitrag“ weiterlesen

Du Hurensohn, du wirst keine Christensöhne unter dir haben

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Von Gastautor Steffen Meltzer

Wie man sich gegen Eroberer der heutigen Ukraine wehrt, zeigten die rauflustigen Kosaken, die  einen Befehl vom Sultan des Osmanischen Reiches, Mehmeds IV. in einem bemerkenswerten Schreiben erwidert haben. Gegenüber den Saporoger Kosaken war Jan Böhmermanns Schmähgedicht über Erdogan nur ein „pubertäres Stammeln“

Einige Leser werden sich noch an Böhmermanns Schmähgedicht, das an den türkischen Staatschef Erdogan gerichtet war, sehr gut erinnern. An die sich anschließenden diplomatischen und strafrechtlichen Aktivitäten inklusive. Auch Angela Merkel sprach in einem Telefonat mit dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten  Ahmet Davutoğlu davon, dass die Verse „bewusst verletzend“ gewesen wären.  Später nahm sie diese Bemerkung wieder zurück. Ein angestrengtes Strafverfahren gegen Böhmermann wurde eingestellt. Am 1. Juni 2017 beschloss der Bundestag einstimmig die Abschaffung des § 103 StGB („Majestätsbeleidigung“), die am 1. Januar 2018 in Kraft trat.

Wie wir inzwischen wissen, dürfen Linke gegen aller Art von Menschengruppen „Satire“ betreiben. Das betrifft nicht nur umweltsauende Omas, sondern vor allem den „alten weißen Mann“, der privilegiert für sämtliches Elend dieser Welt verantwortlich wäre. Weitere hysterische Beispiele finden Sie hier. Jan Böhmermännchen hätte sich bei den Saporoger Kosaken noch einiges abschauen können. Allerdings halte ich es für zweifelhaft, dass dieser schmalschulterige Typ über den Job eines Pferdeknechts, bei diesen (tatsächlich) lustigen Naturburschen hinausgekommen wäre. Gehen wir einige Tage in der Menschheitsgeschichte zurück.

Der politisch und militärisch mehrfach gescheiterte Sultan des Osmanischen Reiches, Mehmeds IV. (02.01.1642; † 06.01.1693), war durch seinen Großvisier nicht nur vor Wien gescheitert. Ein besonderes Ressourcen verschlingendes Ärgernis stellten die links-und rechtsufrigen Dnjepr-Kosaken dar, die sich mitunter nicht immer grün waren und mit wechselseitigen Bündnissen auch gegenseitig bekämpften. Diese lebten im weiten Grenzland („Ukraine“) zwischen Polen-Litauen, Russland und dem Osmanischen Reich. Doch bevor die Säbel rasselten, versuchte sich der türkische Herrscher mit einer Art Verwaltungsakt mit der folgenden Aufforderung:

„Ich, Sultan und Herr der Hohen Pforte, Sohn Mohammeds, Bruder der Sonne und des Mondes, Enkel und Statthalter Gottes auf Erden, Beherrscher der Königreiche Mazedonien, Babylon, Jerusalem, des Großen und Kleinen Ägyptens, König der Könige, Herr der Herren, unvergleichbarer Ritter, unbesiegbarer Feldherr, Hoffnung und Trost der Muslime, Schrecken und großer Beschützer der Christen, befehle euch, Saporoger Kosaken, freiwillig jeglichen Widerstand aufzugeben und mein Reich nicht länger durch eure Überfälle zu stören.“

Das schwer narzisstisch anmutende Schreiben muss bei den Nachfahren entlaufener Leibeigener, für viel Heiterkeit gesorgt haben. Nicht umsonst steht der Name „Kosaken“ für „Freie Menschen“. Alle Saporoger waren untereinander gleich, um Besitzstreitigkeiten zu verhindern, war der Ehestand verboten. Bei diesen Freigeistern war der „Bruder der Sonne und des Mondes“ an die Richtigen geraten. Die Saporoger Kosaken sollen zurückgeschrieben haben:

„Du türkischer Teufel, Bruder und Genosse des verfluchten Teufels und Sekretär des leibhaftigen Luzifers! Was zum Teufel bist du für ein Ritter, wenn du nicht mal mit deinem nackten Arsch einen Igel töten kannst? Was der Teufel scheißt, das frisst du samt deinen Scharen. Du Hurensohn, du wirst keine Christensöhne unter dir haben. Dein Heer fürchten wir nicht. Wir werden uns zu Wasser und zu Lande mit dir schlagen, gefickt sei deine Mutter!

Du Küchenjunge von Babylon, krummbeiniger Mazedonier, Bierbrauer von Jerusalem, Ziegenhirt von Alexandria, Schweinehirt des großen und kleinen Ägypten, Schwein von Armenien, tatarischer Geißbock, Verbrecher von Podolien, Henker von Kamenez und Narr der ganzen Welt und Unterwelt, dazu unseres Gottes Dummkopf, Enkel des leibhaftigen Satans und Schlappschwanz. Schweinefresse, Stutenarsch, Metzgerhund, ungetaufte Stirn, gefickt sei deine Mutter!

So haben dir die Saporoger geantwortet, Glatzkopf. Du bist nicht einmal geeignet, christliche Schweine zu hüten. Nun müssen wir Schluss machen. Das Datum kennen wir nicht, weil wir keinen Kalender haben, keinen Monat am Himmel, kein Jahr in einem Buch, und wir haben den gleichen Tag wie du. Deshalb küss uns den Arsch!

Unterschrieben: Der Lager-Ataman Iwan Sirko mitsamt dem ganzen Lager der Saporoger Kosaken“

Ob der Brief tatsächlich geschrieben wurde, ist bis heute nicht geklärt. Journalist Peter Dittmar bezeichnet in einem Welt-Artikel den Text aus einer „einer Ansammlung übelster Schmähungen und Beschimpfungen, die Jan Böhmermanns Einlassungen zu Erdogan als pubertäres Stammeln erscheinen lassen“.

Als ich mir im Internet das Gemälde „Die Saporoger Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief“ ansah, konnte ich nicht meine aufkommende große Sympathie verhehlen. Die angeblich briefeschreibende Szene aus dem Jahre 1676, hat der russische Maler Ilja Repin (05.08.1844 † 29.09.1930) in einem Historienbild eindrucksvoll nachgestellt. Auf dem Bild wurde auch der legendäre Kosakenführer, Ataman (militärischen Rang, frei gewähltes Oberhaupt) Iwan Sirko (ca. 1605/10 † 1680), dargestellt, der in der Ukraine als Nationalheld gilt.

Mehmeds IV. scheiterte bei seinem Versuch, die gesamte Ukraine im Osmanisch-Russischen Krieg 1676–1681 zu erobern. Der Sultan wurde entmachtet und gefangengesetzt.

Anm.: Bei diesem Beitrag habe ich ausnahmsweise einige Wikipedia-Einträge verlinkt.

Steffen Meltzer  ist Autor von Ratgeber Gefahrenabwehr – So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf