von Philipp Lengsfeld
Am Karfreitag hat der Bundeswahlausschuss über die Frage der Zulassung von Listen von Parteien und anderen politischen Organisationen für die Europawahl am 9. Juni befunden.
Gelegenheit für eine erste politische Analyse: Und die ist für das liberal-konservative Lager aus meiner Sicht verheerend.
Obwohl die politische Bedeutung des Europaparlaments außer jeder Frage steht. Und obwohl durch das Europarecht für die Europawahl in Deutschland nicht die strengen Partei(verein)privilegien gelten, die die Bundestagswahl und die meisten Landtagswahlen gängeln und (über)regulieren und trotz der teils elendigen Performance der Ampelunion und auch der AfD, die eine riesige politische Lücke im pragmatisch-reformerischen demokratischen Lager rechts der Mitte lässt: Trotz aller dieser Voraussetzungen ist die real-existierende Situation mehr als ernüchternd.
Der Bundeswahlausschuss hat 35 Listen zur Europawahl zugelassen.
Zuvorderst natürlich die Listen der Ampelunion und AfD (deren Liste auch trotz Enthaltung der Linksparteivertreterin im Wahlausschuss anstandslos akzeptiert wurde – eine für liberal-konservative Demokraten politisch schon recht bittere Pille, denn die einst als Euro-Schulden- und EU-Bürokratie-kritische Professorenpartei gestartete AfD schickt mit Maximilian Krah und Petr Bystron an der Spitze nicht nur eine radikale rechte Liste in den Wahlkampf, sondern beide Spitzenmänner zeichnen sich auch durch dubiose Kontakte Richtung China (Krah und seine tiktok-Reichweite) und Russland (Bystron ist hier aktuell unter Druck, sogar aus den eigenen Reihen) aus.
Das deutsche Parteivereinsrecht unterstützt aber nun mal nach geltem bundesrepublikanischem Parteienrecht agierende Parteivereine – deshalb finden Sie auf der Europawahlliste neben obig erwähnten auch noch die Freien Wähler, die ÖDP, die DKP, die MLDP und weitere deutsche Parteien.
Die Europawahl hatte aber traditionell auch noch ein anderes Incentive: Die fehlende 5%-Hürde legt die Latte für die Erreichung eines Europamandats mit knapp 1% sehr niedrig: Eine große Versuchung und zumindest in der letzten Wahl auch ein Mandatsgenerierungsmaschine für Kräfte die sonst nicht mal in die Nähe eines wichtigen Mandats kämen. Natürlich tummeln sich die, die diese Hürde in der letzten Wahl übersprungen haben auch wieder auf dem Wahlzettel: MdEP Martin Sonneborn und seine Die Partei, die grün-reformerische VOLT um MdEP Damian Boeselager, auch die Piraten und die Familien-Partei. Alle diese Parteivereine haben in Deutschland praktisch keine Wirkung, aber hatten genug Ressourcen die Formalhürden (4000 Unterstützerunterschriften bundesweit) für die Zulassung zu nehmen.
Ich erwarte aber, dass bei dieser Wahl trotz der nicht optimalen Ausgangslage die Zahl von Mandatsgewinnen dieser Kleinkräfte überschaubar sein wird – zumal es weitere Konkurrenten gibt, die im gleichen Segment fischen, wie z.B. Tierschutzpartei, Klimaliste und Liste der Letzten Generation.
Wenn ich wetten würde (was ich in politischen Kämpfen grundsätzlich nicht mache), dann würde ich mein Geld sicher nicht auf einen Wiedereinzug von Martin Sonneborn oder Damian Boeselager setzen.
Wie sieht es aber im Segment liberal-konservativ aus?
Wie schon angedeutet, nicht gut: Trotz guter Ausgangslage gab es keine Einigung.
Die WerteUnion hat Europa nicht nur links liegen gelassen, sondern die wenigen geeigneten Persönlichkeiten, die neben Parteigründer Hans Georg Maaßen bereit waren, diesem Konzept zu folgen, wurden durch die Aufnahme in den Bundesvorstand gebunden – zwar führt dieser Aspekt in diesem Artikel zu weit, aber der momentane rechtliche Rahmen für deutsche Parteivereine bewirkt die Art von destruktiven Mechanismen, die wir alle kennen und die uns zur Verzweiflung bringen: Es dreht sich alles um meist völlig abstruse Binnendiskussionen und -kämpfe, während der originäre Zweck einer politischen Partei, nämlich Politik für seine Wählerschaft zu machen meist sofort auf der Strecke bleibt.
Das Gründungschaos rund um die WerteUnion hat die mediale Aufmerksamkeit gebunden und lässt die Kräfte die auf eine politische Erneuerung setzen frustriert und verzweifelt zurück.
Trotzdem hätte das Europawahlrecht ein Zusammengehen der verbliebenen vernünftigen politischen Reformkräfte ermöglicht – immerhin gab es mit Bündnis Deutschland und dieBasis zwei Parteivereine, die in letzter Zeit mit klarem Anspruch auf bessere Politik gegründet wurden. Und auch mit den Überbleibseln der Partei von Bernd Lucke (LKR, jetzt WirBürger) gab es zumindest noch einzelne Personen, die Interesse an und gewisse Kompetenz für Europa hätten mitbringen können.
Aber die Kräfte des deutschen Parteiunwesens sind stärker als jede Vernunft: Bündnis Deutschland hat ohne jede Not schon im November Tatsachen geschaffen und eine eigene Liste aufgestellt: Mit Ex-AfD, Ex-LKR MdEP Lars-Patrick Berg an der Spitze – ein Mann, der sicherlich eine gute gemeinsame Liste gestärkt hätte, der aber stattdessen mit BD-Generalsekretär Niklas Stadelmann eine Liste anführt, die ich nur als unwählbar bezeichnen kann. Der Bundeswahlausschuss hat von den 14 im November von Bündnis Deutschland Nominierten drei, inklusive der ersten und nach meiner Kenntnis einzigen Frau gestrichen – auf den Seiten von Bündnis Deutschland kann man sich die nun bestätigte Liste anschauen: Machen Sie sich einfach ihr eigenes Bild.
Und dieBasis?
Auch hier haben die Vereinsbinnenkräfte einen traurigen Sieg errungen: dieBasis, eine Neugründung aus den Kämpfen der Coronazeit und ein deutscher Parteiverein, der stärker von Frauen geprägt ist als dies sonst der Fall ist hat auch den Großteil ihrer nicht unerheblichen Mitglieder- und Aktivistenresourcen auf innerparteiliche Kämpfe verschwendet – in zwei Mitgliederversammlungen, die beim zweiten Mal sogar über zwei Tage lief wurde aus einm Pool von tausenden Mitgliedern am Ende eine Europaliste bestehend aus vier (!) Personen nominiert! Die Hürde der Unterschriftensammlung hat die mitgliederstarke Organisation zwar locker genommen, aber die politische Strahlkraft ist nicht existent und unterscheidet sich meines Erachtens nach keinen Deut von der Unwählbarkeit der Liste von Bündnis Deutschland – auch hier braucht man keine hellseherischen Fähigkeiten um zu prophezeien, dass die Europawahl für die selbsternannte Basispartei ein totaler Reinfall wird.
Aber selbst ohne BüD und ohne dieBasis hätten die verbliebenen Kräfte immer noch eine gute Liste ins Rennen schicken können.
Aber es sollte nicht sein: WirBürger und auch eine weitere nicht so uninteressante Kleinpartei, die Liberalen Demokraten, scheiterten lieber mit ihrem Verein, als sich für eine Diskussion über eine gemeinsam erstellte Liste zu öffnen. „Zwischenbilanz Europawahl-Vorbereitung – das liberal-konservative Lager ist in der Defensive“ weiterlesen