Von Gastautor Angelika Barbe
Am 17. Juni 1953 geriet das SED-Regime das erste Mal an den Rand des Zusammenbruchs. Flächendeckend wurde in der gesamten DDR an diesem und den Folgetagen gestreikt, demonstriert oder es wurden die örtlichen Machtzentralen gestürmt wie in Görlitz und Bitterfeld. Eine Millionen Bürger gingen in über 700 Städten und Gemeinden auf die Straßen, 13.000 Verhaftungen erfolgten, etwa 80 Todesopfer forderte die Niederschlagung des Volksaufstands. Die kollektive Erinnerung und Wahrnehmung der Vorgänge vor 67 Jahren blieb lange diffus. In der DDR-Bevölkerung war die Niederschlagung der Aufstände als entmutigende Niederlage in Erinnerung. In der alten Bundesrepublik begleitete ein Deutungsstreit den offiziellen Feiertag bis zu seiner Abschaffung. Lange Zeit galten die Juni-Ereignisse des Jahres 1953 lediglich als „Arbeiteraufstand“. In der DDR wurden sie gar als „faschistischer Putsch“ oder „vom RIAS angezettelte Konterrevolution“ gebrandmarkt. Inzwischen konnten Historiker wie Armin Mitter, Stefan Wolle, Ilko-Sascha Kowalczuk u. a. belegen, dass die Unruhen in den Dörfern sogar früher begannen als in den Städten, länger andauerten und alle Teile der ländlichen Gesellschaft erfassten. Die einseitige Betrachtungsweise auf die Arbeiterproteste führte dazu, dass die vielfältigen Ursachen der durch russische Panzer „gewaltsam abgebrochenen Revolution“ (Faulenbach) aus dem Blick gerieten.