Von Gastautor
Ulrich Sauer
Eigentlich muss man dankbar sein, dass es Zeitungen gibt, die sich wie die SZ dem Wächteramt für die Demokratie verpflichtet fühlen, und alles dafür tun, dass dieses Land nicht im braunen Sumpf versinkt. Eigentlich. Wäre da nicht ein leichtes Unbehagen im Zusammenhang mit den Vorfällen um das Aiwanger Flugblatt. Vorfälle vor über drei Jahrzehnten wurden zu Beginn der Briefwahl zum bayerischen Landtag publik. Man stutzt.
Wie akkurat hatten sie die Grube ausgehoben. Jetzt mussten die süddeutschen Qualitätsjournalisten nur noch die Nazikeule hervorholen und diesen Winzling aus Dunkeldeutschland, der sich erdreistet hatte, die Demokratie zurückholen zu wollen, diesen Schandfleck für Bayern usw. gewissermaßen politisch keulen und verscharren. Dass sie selbst in die Grube fallen könnten, war angesichts der erdrückenden Beweise außerhalb jeder Vorstellung.
Gedacht, getan.
Ein Braune-Socken-Jäger und die Gebirgsschützen der Alpenprawda, durchdrungen vom unbedingten Kampfeswillen gegen Neonazis, sichteten alle Unterlagen, die der passionierte Dokumentensammler anzubieten hatte, auch wenn diese eigentlich als Dienstgeheimnisse nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Ein guter Zweck, nämlich der Schutz der Republik vor Gefahren von Rechts, heiligte, was sonst, die Mittel.
Schnell waren die Jagdgenossen sich einig, dass mit dem im Schulranzen von Aiwanger aufgefundenen Flugblatt allein noch kein Staat zu machen sei, war doch damit noch kein Beweis für die Autorschaft erbracht. Richtig! Was tun? Gottseidank gab es ein weiteres Dokument aus dem Schatzkästlein des niederbayrischen Sammlers und Heckenschützen, eine Facharbeit aus dem Jahr 1990, die schreibmaschinentechnisch mit dem ominösen Flugblatt verglichen werden konnte. Und siehe da. Ein – wohl einwandfreies – Gutachten ergab, dass beide Schriftstücke auf derselben Maschine getippt worden waren. Jetzt hatte man – dank einer kriminalistischen Hochleistung – ermittelt, dass Aiwanger das Pamphlet verfasst hatte. Meinten die süddeutschen Meisterrechercheure und bliesen zur Treibjagd. Halali. Nur, war das wirklich ein unwiderleglicher Beweis von Aiwangers Urheberschaft? „Jagdszenen aus Niederbayern oder die Wahrheit aus den Alpen“ weiterlesen