Musée des Cluny – Eine wahre Perle von Paris

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Das Musée de Cluny ist allein eine Reise wert. Das liegt schon an seiner bemerkenswerten Baugeschichte. Als Paris noch das römische Lutetia war, wurde hier eine Therme errichtet. Teile des ehemaligen Frigidariums und eines benachbarten Raumes sind heute noch erhalten. Es ist das bedeutendste römische Gemäuer nördlich der Loire. Im 15. Jahrhundert bauten die reichen Äbte von Cluny einen gotischen Palast auf den römischen Überresten. Im südlichen Teil gründete der Cluny-Orden 1269 ein Kolleg, dem später eine Unterkunft für die Studenten beigefügt wurde. Noch später folgten zwei Privatwohnungen in einem der ersten städtischen Häuser mit Vorgarten, Hof und Garten hinter dem Haus. Im April 1833 mietete Alexandre du Sommerard Teile des Hauses, um seine Privatsammlung von Kunstwerken aus dem Mittelalter unterzubringen. Schon drei Monate später wurde ein Gesetz erlassen, das aus dieser Sammlung das Museum Cluny machte. Als der Sohn Alexanders, Edmond du Sommerard, 1845 verstarb, verfügte das Museum über 11.000 Objekte.

Seither hat sich der Bestand ununterbrochen vergrößert. Im Jahr 1992 wurde das Museum umbenannt in Nationalmuseum des Mittelalters. Weil der Bestand aus allen Nähten platzte und Baumängel immer sichtbarer wurden, fasste man den Beschluss, das Gebäude zu restaurieren und zu erweitern. Den gelungenen Abschluss der Arbeiten kann man seit 2022 bewundern. Es gelang eine perfekte Symbiose von römischen, gotischen und modernen Bauelementen, die respektvoll die historischen Strukturen aufnehmen. Gleichzeitig wurde der Bestand völlig neu präsentiert. Die Besucher können in die 1500 Jahre alte Kunst- und Kulturgeschichte in 22 Räumen eintauchen. Wer das tut, kommt mit einem radikal veränderten Bild vom Mittelalter wieder heraus. Das allgemeine Wissen über diesen Zeitraum beschränkt sich meist darauf, eine „dunkle Zeit“ gewesen zu sein. In der Tat waren es stürmische Zeiten, mit Kriegen, Pest, Cholera, Hungersnöten und religiösem Wahn. Das 14. Jahrhundert begann in Frankreich mit einem Fluch, den Jacques de Molay, Großmeister des Templerordens, von seinem Hinrichtungsplatz aus verhängte: „Papst Clemens, König Philipp! Bevor das Jahr um ist, werdet ihr vor Gottes Richterstuhl erscheinen, um eure gerechte Strafe zu empfangen. Seid verflucht, seid verflucht, bis in die 13. Generation!“ Tatsächlich starben der Papst und der König innerhalb weniger Monate.

Letzterer hinterließ nur Töchter, die ihm nicht auf den Thron folgen konnten, und die daraus resultierenden Streitigkeiten verwickelten Frankreich und England zwischen 1337 und 1453 in einen über 100 Jahre währenden Krieg.

Trotz all dieser Härten und Hemmnisse war es eine Zeit, in der die Städte wuchsen und neben den herrschaftlichen Höfen zu Horten von Kunst und Kultur wurden, die eine ungeahnte Blüte erreichten. Wer die Exponate im Cluny anschaut, wird sehr schnell davon überzeugt, dass im Mittelalter der Zeitgeist auf Eleganz und Schönheit gerichtet war. Alle Schichten der Gesellschaft, nicht nur die so genannten Eliten, waren um Eleganz und Schönheit bemüht. Beides ist in unseren Zeiten aus dem Alltag fast verschwunden. Während unsere Vorfahren sich größte Mühe gaben, ihre Umgebung, die Gebrauchsgegenstände, ihre Kleidung so schön wie möglich zu gestalten, haben wir es heute überwiegend mit Verfall zu tun. Der Kontrast zwischen denen, die vor den Vitrinen die kunstvollen Gewänder und Frisuren, die schön bemalten Truhen und mit Schnitzereien verzierten Kämme bewundern und selbst in Schlabberkleidung und kaum frisiert herumlaufen, könnte nicht größer sein.

Wofür würde eine der wunderschönen Mägde, die auf den atemberaubenden sechs Wandteppichen der „Dame mit dem Einhorn“ abgebildet sind, denken, wenn sie einer heutigen Altersgenossin begegnen würde? Wir haben keinerlei Grund, uns über unsere Vorfahren überlegen zu dünken. Wir haben mehr Technik zur Verfügung, aber dafür sind unsere Sinne abgestumpft.

Selbst in den Kampf zog man mit prächtigen, reich verzierten Rüstungen und die Schwerter, die man zum Töten mit sich führte, waren trotzdem Kunstwerke.


Auf den Eintrittskarten sind die wichtigsten Exponate des Museums abgebildet. Eines ist die Goldene Rose, die 1330 in Avignon angefertigt wurde. Eine kunstvolle Schmiedearbeit, deren Blätter so detailgenau sind, als hätte man Originale mit Gold übergossen. Auf anderen Karten sieht man Ausschnitte aus den berühmten Wandteppichen, deren Farbigkeit sich über die Jahrhunderte erhalten hat und deren Botschaft zum Teil bis heute ein Rätsel ist.
Ein Highlight, wie man heute auf Neudeutsch sagt, ist die extravagante gotische Kapelle, die zu den Privaträumen der Clunys gehörte. Nicht nur das filigrane Muster der Säulen des Kreuzgewölbes macht sprachlos. In der Ecke gewahrt man eine farbige Emaillearbeit, die sich bei näherem Hinsehen als Tür zu einer Treppe in den Garten entpuppt.
Frankreich ist ein Garten, dieses Image hatte sich das Land spätestens ab dem 15. Jahrhundert erworben. Es galt als das irdische Eden. Das hinderte seine Künstler nicht, Anregungen aus dem Ausland anzunehmen. So hatten die Renaissance in Italien und die Flamen Einfluss auf die französischen Künstler. Cluny bietet eindrucksvolle Beispiele, wie sich unterschiedliche Kulturen gegenseitig befruchten können. Kunst überwindet die von der Politik und ihren Kriegen erzeugten Schranken. Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft der Ausstellung.

Wer spontan Lust bekommen hat, das Cluny zu besuchen, sollte nicht zögern. Zur Zeit wird die permanente Ausstellung durch eine Schau ergänzt, die sich mit Frankreich zur Zeit von Charles VII. und Johanna von Orleans beschäftigt. Absolut sehenswert!

Foto: Seven Lingreen

 

Paris – ein Fest fürs Leben? Jedenfalls ein Erlebnis!

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Ernest Hemingway war hier, Stefan Zweig, Rainer Maria Rilke, Paula Modersohn Becker und viele, viele andere, die sich in diese Stadt verliebten. Charles Aznavour wurde in Paris vom Armenier zum Pariser und zum Botschafter der Heimat seiner Vorfahren. Ein großer Teil der Emigranten aus Nazideutschland machte hier Station, zog weiter oder wurde von den Nazis überrollt. Inzwischen macht die Stadt mehr Schlagzeilen wegen des Brandes von Notre Dame 2019, ihrer oft brennenden Vorstädte und diversen Protesten, seien es die der Gelbwesten oder andere. Hunderttausende Touristen besuchen Paris jährlich. Was macht das mit der ehemaligen Hauptstadt der westlichen Welt, von der Geld für die amerikanischen Rebellen, Vorkämpfer der allgemeinen Menschenrechte, geschickt wurde, und in der die Jakobiner-Diktatur entstand, Urbild des schrecklichen Terrors des 20. Jahrhunderts?

Wir fliegen mit EasyJet ein, nachdem wir am Gate des Pannen-BER eine unangenehme Situation überstanden hatten. Unser Handgepäck entsprach zwar den auf der Website der Fluggesellschaft angegebenen Maßen für eine kostenlose Mitnahme, am Gate stand aber ein Gerät, das sagte, unsere Koffer ragten in der Länge um drei Zentimeter über das erlaubte Limit. Wir mussten jeder 58 € nachzahlen.

Beim Landeanflug über Paris war alles vergessen. In der Ferne grüßte der Eiffelturm, das Versprechen einer schönen Reise. Dem Flughafen Orly sieht man seine Jahre an. Der Siebziger-Jahre-Schick sieht abgewetzt aus. Nur die Shopping-Meile ist frisch renoviert, um die Käufer bei Laune zu halten. Der Flughafen-Express bringt uns in nur 6 Minuten nach Antony, von dort geht es mit der Metro weiter. Nach sechs Stationen sind wir an der Station Luxembourg. Ein Stück am Zaun des berühmten Parks entlang, einbiegen in eine Seitenstraße, schon waren wir am Hotel Trianon Rive Gauche, das seinen alten Charme bewahrt hat. Die freundliche Rezeptionistin lobt unser holpriges Französisch und weist uns darauf hin, dass Père Louis an der Ecke das beste Restaurant weit und breit sei. Wir probierten es sofort aus und fanden das bestätigt. Das Essen war köstlich und bezahlbar, der Wein sehr gut und die Tarte Tatin am Schluss eine echte Gaumenfreude. Ein gelungener Auftakt unserer Kulturreise. „Paris – ein Fest fürs Leben? Jedenfalls ein Erlebnis!“ weiterlesen

Rückenwind fürs E-Auto

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Von Hans-Hofmann Reinecke

Warum nehmen wir die Windgeneratoren mit ihrem Flatterstrom eigentlich nicht vom Netz und laden damit die derzeit so unbeliebten E- Autos auf? Das wäre mal eine echte Win-Win Situation. Nicht möglich sagen Sie? Lesen Sie weiter

Ein Regal voller Strom

Nehmen wir eine handelsübliche Windmühle, auf deren Typenschild 2 Megawatt steht. Das heißt auf Deutsch, dass sie im Durchschnitt pro Tag um die 2 MW × 24 h × 20% = 9,6 MWh oder 9600 Kilowattstunden liefert. Die 20% stehen für den Zeitraum, an dem ein vernünftiger Wind weht. Betrachten wir jetzt ein generisches Elektroauto, dessen Batterie 48 kWh fasst, dann könnte die Windturbine täglich 9600 / 48 = 200 Stück davon betanken – oder mehr, sofern die nicht alle total leer waren.

Aber wie soll das gehen, wenn Sie ihren elektrischen Liebling auftanken möchten und es herrscht Windstille? Und hier kommt der Trick: Der Windmüller hat da ein ganzes Regal voller Batterien herumstehen, die teils gerade geladen werden oder die bereits voll sind, und die nur darauf warten, auf die Reise zu gehen. So ein frisch geladenes Exemplar wird dann im Austausch für die leere Batterie in ihr Fahrzeug eingebaut. Vielleicht protestieren sie jetzt: Aber das ist doch MEINE Batterie, die habe ich gepflegt und die gebe ich nicht her, auch wenn sie leer ist.

Tatsache ist, dass Ihnen die Batterie nie gehört hat, sondern dass sie beim Kauf des Fahrzeugs als Leihgabe mit dabei war. Die kommt jetzt beim Windmüller an die Steckdose und wird demnächst mit jemand anderem auf die Reise gehen.

Das geht doch nicht

Jetzt höre ich ganz deutlich Ihren Einwand: die e-Autos haben doch alle ganz verschiedene Batterien, wie soll das gehen? Gut, die Batterien müssten normiert werden; ein Alltagswagen hätte dann vielleicht das 48 kWh Standard Modell an Bord, und die schwere Limousine zwei Stück davon. Dass das kein Problem ist, das sieht man bei den Spielzeugautos unserer lieben Kleinen, da hat das „Dune-Baggy“ zwei AA Zellen an Bord, und der „Humvee“ hat vier oder, je nach Bewaffnung, auch sechs vom selben Typ and Bord.

Aber trotzdem wollen Sie ja nicht den halben Tag warten, bis das Teil aus-und eingebaut ist! Der Austausch dauert doch etwas länger als bei den erwähnten Spielzeugautos! Ja, etwas länger schon, aber nicht viel. Ein freundlicher Roboter erledigt das in der „Swap Station“ in fünf Minuten. Schauen Sie sich das hier an und staunen Sie.

Zu viele Vorteile

Diese Lösung hätte sehr viele Vorteile:

  • Die vielen Windmühlen, die das Netz durch Flatterstrom instabil machen, und die als Backup zusätzlich konventionelle Kraftwerke erfordern, hätten endlich eine nützliche Verwendung.
  • Es wird kaum mehr überschüssigen Strom geben, der ins Ausland verklappt werden muss, da man das System insgesamt so auslegen kann, dass zu jedem Zeitpunkt ein gewisser Anteil der Batterien aufgeladen werden muss.
  • Der Aufbau ist dezentral. Einer oder ein paar Windgeneratoren versorgen eine „Swap Station“ direkt mit Strom. Das macht die für Einspeisung ins Netz heute erforderlichen Transformatoren und Leitungen überflüssig.
  • Es gibt keine Notwendigkeit für das von den Batterien so gefürchtete Schnellladen.
  • Die lange Wartezeit für das Aufladen entfällt als Argument gegen den Kauf eines E-Autos.
  • Der Wiederverkaufswert von E-Autos steigt, da der Zustand der Batterie für den Käufer kein Risiko darstellt. Beim nächsten Tanken bekommt er ja sowieso eine andere.

Wird man diesen Weg in Deutschland verfolgen? Vermutlich hätte diese Sache zu viele Vorteile für die Bevölkerung und wird deswegen abgelehnt – so wie die Kernkraft. Man wird unsere Autos lieber mit Kraftstoff aus Feuerland betreiben, wo Strom in Wasserstoff, dann mit Co2 verbunden in Methanol verwandelt und um die halbe Welt zu uns transportiert wird.

Dieser Artikel erscheint auch im Blog des Autors Think-Again. Der Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.

 

Hilferuf aus Port-au-Port

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Liebe Leser heute wurde ich von Dagmar Jestrzemski auf den im Anschluss an diesen Artikel angehangenen Hilferuf aufmerksam gemacht. Frau Jestrzemski war so nett, den folgenden, schon etwas älteren, Text zur Verfügung zu stellen, um die Hintergründe näher zu beleuchten: 

Bei dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck mit einer Delegation von Wirtschaftsvertretern vom 21. bis 23. August in Kanada stand die Energie- und Klimapolitik im Fokus. Kanada verfolgt das Ziel, einer der größten Erzeuger und Exporteure von Wasserstoff und dessen Derivaten mit Hilfe von „sauberen“ Technologien zu werden. Wenn der Energieträger Wasserstoff durch Elektrolyse mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, gilt er als nahezu CO2-freier, „grüner“ Wasserstoff. In die Entwicklung und Infrastruktur für Windparks und sogenannte Power-to-Gas-Anlagen investiert Kanada ab sofort Milliarden und sucht dafür ausländische „Wasserstoff-Partner“. Die Deutschen ließen sich nicht lange bitten, zumal das große Potenzial für die Onshore- und Offshore-Windenergie entlang der windreichen kanadischen Atlantikküste als ideale Voraussetzung für die Erzeugung von „grünem“ Strom gilt.

Nach Montréal und Toronto war das 6600-Einwohner-Städtchen Stephenville im Südwesten Neufundlands das letzte Ziel der deutschen Gäste. Der ehemalige Militärstützpunkt mit seiner günstigen Lage in der Baye St. George im Golf von St. Lorenz ist als erster Knotenpunkt (Wasserstoff-Hub) für Kanadas zukünftige Wasserstoff-Wirtschaft vorgesehen. Im Beisein von Ministerpräsident Justin Trudeau unterzeichnete der Bundeskanzler eine Absichtserklärung zwischen beiden Ländern über eine Wasserstoffallianz im Umfang von 12 Milliarden Euro. Am Tiefwasserhafen von Stephenville soll laut Plan die erste Anlage des Landes zur Gewinnung von Wasserstoff mit Hilfe von regenerativ erzeugtem Strom für den Export nach Deutschland, Europa und Asien errichtet werden. Für den Transport in Tankschiffen muss der Wasserstoff entweder verflüssigt oder in ein Trägermedium wie Ammoniak umgewandelt werden. Deutschland will heimische Firmen unterstützen, damit diese den Wasserstoff importieren können. Die ersten Schiffe sollen laut Plan 2025 ablegen. Premierminister Trudeau äußerte sich zufrieden über das Abkommen. Es werde in der Region Arbeitsplätze schaffen, die lokale Wirtschaft fördern und zur Produktion von sauberer Energie in Kanada beitragen. „Hilferuf aus Port-au-Port“ weiterlesen

Wolken und Salz

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Von Hans Hofmann-Reinecke

Trotz zunehmender Zweifel an der These, dass fossile Brennstoffe einen fatalen Klimawandel verursachen, ist dennoch jedes Mittel recht, um diesen zu bekämpfen. In den Vereinigten Staaten hat nun ein Vorhaben Aufsehen erregt, welches die Einstrahlung der Sonne reduzieren soll, indem man die Wolken manipuliert. Man spricht von „Geo – Engineering“, gewissermaßen von plastischer Chirurgie an Mutter Erde.

Oben weiß und unten dunkel

Die Theorie hinter dem „CAARE“ genannten Projekt ist folgende: Das menschengemachte CO2 hindert die Erde daran, die von der Sonne empfangene Energie wieder ins All zurückzustrahlen. Als Gegenmaßnahme sorgen wir jetzt dafür, dass die Sonne ihrerseits nicht ihre volle Strahlung bis zur Erdoberfläche bringt. Wie soll das geschehen? Durch Wolken. Was sind Wolken überhaupt?

Die Sonnenstrahlung wärmt die Erd- oder Meeresoberfläche. Die erwärmte Luft steigt auf, und mit ihr das darin absorbierte Wasser. Wieviel das ist, das hängt von der Temperatur ab. Bei 20°C sind es maximal 17 Gramm pro Kubikmeter, bei tieferen Temperaturen wesentlich weniger. Deswegen wird die Flasche Mineralwasser, direkt aus dem Kühlschrank geholt, jetzt auch außen nass, denn die 20°C warme Umgebungsluft kühlt sich an der Flasche dramatisch ab, und das bislang gasförmige Wasser kondensiert. „Wolken und Salz“ weiterlesen

Von Tahiti an die Saale

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Ab und zu ist es angebracht, sich vor Augen zu führen, auf welch großen Schultern alter weißer Männer, die heutzutage von Nichtwissern und Nichtkönnern pausenlos diffamiert werden, wir stehen. Wo trifft man heute noch Personen, die siebzehn Sprachen, darunter die klassischen, meisterhaft beherrschen, als Botaniker, Geologe, Schriftsteller hunderte Pflanzen, Tiere, Mineralien entdeckt und beschrieben und nebenbei einen Botanischen Garten angelegt haben? So ein Mann war der Weltumsegler Johann Reinhold Forster, der Vater des berühmteren Georg Forster, ein Genie ähnlichen Kalibers, wegen seiner aktiven Unterstützung der Jakobiner-Diktatur eine Ikone der Linken.

Reinhold, seit seiner Weltumseglung mit James Cook eine Legende, wurde bald nach seinem Tod in Halle, wo er die letzten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte, vergessen. Erst seit Neuestem interessiert man sich, zumindest in Halle, wieder für ihn. Aber anstatt ihn zu ehren, prangt am Hallenser Riebeckplatz eine Tafel zu Ehren seines Sohnes Georg, dem „Deutschen Jakobiner“. Die Unterstützung blutiger Diktaturen löst immer noch mehr Faszination aus als ihre Ablehnung. Manchmal gibt es aber durch Zufall so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit.

Das Bildnis neben der Tafel zeigt nicht Georg, sondern seinen Vater Johann Reinhold, der anders als sein Sohn eng mit Halle verbunden war. Es ist ein großes Verdienst des Hallensers Michael Pantenius, dass er eine Biografie Forsters sen. vorgelegt hat. „Von Tahiti an die Saale“ weiterlesen

Women to go

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Ein geheimnisvoller Tod, acht Frauen und ein Testament, lautet der Untertitel des ersten Romans der Filmemacherin und Autorin Kay Konrad. Der Titel ihres Werks wird sofort verständlich, wenn man liest, dass die Hauptheldinnen, zwei freie Filmemacherinnen, die sich aus guten Gründen von den Öffentlich-Rechtlichen verabschiedet haben, Kaffee in Pappbechern bevorzugen. In allen möglichen und unmöglichen Situationen haben sie einen coffee to go in der Hand. Das Buch handelt von einer ganz besonderen Freundschaft zwischen zwei Frauen, die nach den ungeschriebenen Regeln ihres Berufs Konkurrentinnen sein müssten, sich statt dessen gegenseitig unterstützen. Beide eint, dass sie den inzwischen leider üblich gewordenen Haltungsjournalismus ablehnen.

Insofern liest sich das Buch wie eine Illustration zu dem kürzlichen veröffentlichten „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ in dem die 130 Unterzeichner mehr Meinungsvielfalt von ARD, ZDF und Deutschlandradio fordern. Im Roman wird beschrieben, wie der Redaktionschef fordert, dass gestrandete Wale an der dänischen Küste Opfer des Klimawandels und der Meeresverschmutzung zu sein haben, obwohl sie von Schiffsschrauben getötet wurden. Oder eine afghanische Frau, die nach zehn Jahren in Deutschland immer noch kaum Deutsch spricht und in der Wohnung mit ihren Töchtern auf dem Fußboden sitzen muss, weil nur der Ehemann und die Söhne aufs Sofa dürfen, als Beispiel für gelungene Integration porträtiert werden soll. Toni und Fanny, so heißen die Freundinnen, verweigern sich diesen Zumutungen. „Women to go“ weiterlesen

Ich kaufe mir ein Kind

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Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft, lautet der Untertitel des neuen Buches von Birgit Kelle.

Kelle nennt die Leihmutterschaft eine neue Art von Prostitution. Die „Mädchen“ werden nur nicht von Freiern auf den Strich, sondern von seriös daherkommenden Agenturen in den Kreissaal zum Gebären geschickt. In beiden Fällen geht es um die Ausbeutung der Sexualität der Frau.

Wobei der Begriff Leihmutterschaft die Realität beschönigt. Es geht nicht darum, ein Kind zu leihen, sondern zu kaufen und um das Muttersein geht es schon gar nicht, denn es wird die Gebärmutter lediglich als Brutkasten gebraucht, die Mutter soll das, was sie neun Monate ausgetragen hat, nicht einmal sehen. Das geborene Kind wird sofort von der Frau, die ihm das Leben geschenkt hat, entfernt.

Noch ist Leihmutterschaft in fast allen europäischen Ländern verboten, aber eine mächtige Lobby von Großverdienern am Geschäft mit den gekauften Kindern arbeitet daran, das zu ändern. Das Geschäft mit den Kindern auf Bestellung ist zu lukrativ. Es eröffnet zudem völlig neue Möglichkeiten für den Organhandel und die „Verwertung“ von Embryonen, die für die künstliche Befruchtung erzeugt und anschließend nicht mehr gebraucht werden. Aber der Reihe nach. „Ich kaufe mir ein Kind“ weiterlesen

Denunziant Oswalt, seine willigen Helfer und ihre absurden Forderungen

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Der deutsche Denunziant Prof. Philipp Oswalt dreht nicht etwa bei, sondern durch. Auf dem Blog der linken taz versucht er einen sogenannten Weiterdreh seiner Denunziationskampagne gegen das fertiggestellte Berliner Stadtschloss, seine Spender und den Förderverein. Ziel ist diesmal die Stiftung Humboldt Forum, der Oswalt „Versagen“ vorwirft, da sie angeblich nicht adäquat auf die Denunziationen des Professors eingegangen ist.

Oswalt hat auch keine Hemmungen, eine der größtmöglichen Denunziationskeulen im aktuellen neudeutschen Diskurs auszupacken: Auf den von ihm  herbeigeschriebenen vermeintlichen Einfluss „rechtsradikaler Akteure auf das Projekt Stadtschloss“ reagiert die Stiftung Humboldt Forum, indem sie „die Probleme“ (Achtung!) „leugnet, beschweigt und beschönigt“!

Als wäre dies nicht schon Vorwurf genug, würzt Oswalt den weiteren Text mit zusätzlichen Reizworten: „ein wirklicher Wunsch nach Aufklärung und Abhilfe ist nicht zu erkennen“, „fehlerhafte Aussagen“, „Verschleppung von Auskünften“, „Gesichtswahrung mittels Vertuschung“.

Auf seinem Anti-Kreuz-Kreuzzug gegen das Berliner Stadtschloss versteigt sich Oswalt zu völlig abstrusen politischen Einschätzungen: zusätzliche Bauelemente, welche die „Symbolbedeutung des Projekts immer mehr nationalistisch-reaktionär radikalisierte“. Oswalt schreibt etwas von „christlich-monarchischer Botschaft aus der Zeit der Reaktion und des Kaiserreichs“, die „antidemokratisch“ sei und in ihrer Symbolik „einer offenen, diversen Gesellschaft abträglich“. Das nachträgliche Montieren einer dezidiert christlichen Botschaft (wir reden hier von der Wiederherstellung der Kuppelinschrift) sei „auch als ablehnender Kommentar zu einer multi-ethnischen und multi-religiösen Gesellschaft zu lesen“.

Oswalts Tirade gipfelt in dem Satz: „Es fördert die gesellschaftliche Spaltung“.

Hier ein kleiner Einschub: Anscheinend hat der (zerstreute?) Professor komplett vergessen, dass er sich 2012 in einem Interview für den DLF als jemand präsentiert hat, den man nur als Kuppelbefürworter lesen kann? Oswalt führt aus: Der ursprüngliche Entwurf von Architekt Stella beschränke sich ja auf die barocke Fassade. Das Schloss hätte aber eine lange Baugeschichte, im 19. Jahrhundert sei noch die Kuppel hinzugekommen.

“Das war dem ursprünglichen Baukörper ablesbar und ist in diesem  reduzierten Rationalismus des Stella´schen Entwurfs nicht mehr sichtbar”.

So ändern sich die Zeiten: 2012 moniert Oswalt das Fehlen der Kuppel im ursprünglichen Entwurf, deren Vollendung mit Kreuz, Inschrift und Propheten er jetzt so vehement bekämpft.

Nebenbei gab Oswalt 2012 auch der Politik eins mit, indem er den Bundestag eine Ausschreibung mit “Problem” bescheinigt. Heute argumentiert er aber mit der von ihm 2012 selbst problematisierten Ausschreibung, um gegen die alttestamentarischen Propheten zu wettern. Es ist Oswalt in seinem Furor teutonicus vermutlich egal, wenn er sich selbst widerspricht.
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Zwischenbilanz Europawahl-Vorbereitung – das liberal-konservative Lager ist in der Defensive

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von Philipp Lengsfeld

Am Karfreitag hat der Bundeswahlausschuss über die Frage der Zulassung von Listen von Parteien und anderen politischen Organisationen für die Europawahl am 9. Juni befunden.

Gelegenheit für eine erste politische Analyse: Und die ist für das liberal-konservative Lager aus meiner Sicht verheerend.

Obwohl die politische Bedeutung des Europaparlaments außer jeder Frage steht. Und obwohl durch das Europarecht für die Europawahl in Deutschland nicht die strengen Partei(verein)privilegien gelten, die die Bundestagswahl und die meisten Landtagswahlen gängeln und (über)regulieren und trotz der teils elendigen Performance der Ampelunion und auch der AfD, die eine riesige politische Lücke im pragmatisch-reformerischen demokratischen Lager rechts der Mitte lässt: Trotz aller dieser Voraussetzungen ist die real-existierende Situation mehr als ernüchternd.

Der Bundeswahlausschuss hat 35 Listen zur Europawahl zugelassen.

Zuvorderst natürlich die Listen der Ampelunion und AfD (deren Liste auch trotz Enthaltung der Linksparteivertreterin im Wahlausschuss anstandslos akzeptiert wurde – eine für liberal-konservative Demokraten politisch schon recht bittere Pille, denn die einst als Euro-Schulden- und EU-Bürokratie-kritische Professorenpartei gestartete AfD schickt mit Maximilian Krah und Petr Bystron an der Spitze nicht nur eine radikale rechte Liste in den Wahlkampf, sondern beide Spitzenmänner zeichnen sich auch durch dubiose Kontakte Richtung China (Krah und seine tiktok-Reichweite) und Russland (Bystron ist hier aktuell unter Druck, sogar aus den eigenen Reihen) aus.

Das deutsche Parteivereinsrecht unterstützt aber nun mal nach geltem bundesrepublikanischem Parteienrecht agierende Parteivereine – deshalb finden Sie auf der Europawahlliste neben obig erwähnten auch noch die Freien Wähler, die ÖDP, die DKP, die MLDP und weitere deutsche Parteien.

Die Europawahl hatte aber traditionell auch noch ein anderes Incentive: Die fehlende 5%-Hürde legt die Latte für die Erreichung eines Europamandats mit knapp 1% sehr niedrig: Eine große Versuchung und zumindest in der letzten Wahl auch ein Mandatsgenerierungsmaschine für Kräfte die sonst nicht mal in die Nähe eines wichtigen Mandats kämen. Natürlich tummeln sich die, die diese Hürde in der letzten Wahl übersprungen haben auch wieder auf dem Wahlzettel: MdEP Martin Sonneborn und seine Die Partei, die grün-reformerische VOLT um MdEP Damian Boeselager, auch die Piraten und die Familien-Partei. Alle diese Parteivereine haben in Deutschland praktisch keine Wirkung, aber hatten genug Ressourcen die Formalhürden (4000 Unterstützerunterschriften bundesweit) für die Zulassung zu nehmen.

Ich erwarte aber, dass bei dieser Wahl trotz der nicht optimalen Ausgangslage die Zahl von Mandatsgewinnen dieser Kleinkräfte überschaubar sein wird – zumal es weitere Konkurrenten gibt, die im gleichen Segment fischen, wie z.B. Tierschutzpartei, Klimaliste und Liste der Letzten Generation.

Wenn ich wetten würde (was ich in politischen Kämpfen grundsätzlich nicht mache), dann würde ich mein Geld sicher nicht auf einen Wiedereinzug von Martin Sonneborn oder Damian Boeselager setzen.

Wie sieht es aber im Segment liberal-konservativ aus?

Wie schon angedeutet, nicht gut: Trotz guter Ausgangslage gab es keine Einigung.

Die WerteUnion hat Europa nicht nur links liegen gelassen, sondern die wenigen geeigneten Persönlichkeiten, die neben Parteigründer Hans Georg Maaßen bereit waren, diesem Konzept zu folgen, wurden durch die Aufnahme in den Bundesvorstand gebunden – zwar führt dieser Aspekt in diesem Artikel zu weit, aber der momentane rechtliche Rahmen für deutsche Parteivereine bewirkt die Art von destruktiven Mechanismen, die wir alle kennen und die uns zur Verzweiflung bringen: Es dreht sich alles um meist völlig abstruse Binnendiskussionen und -kämpfe, während der originäre Zweck einer politischen Partei, nämlich Politik für seine Wählerschaft zu machen meist sofort auf der Strecke bleibt.

Das Gründungschaos rund um die WerteUnion hat die mediale Aufmerksamkeit gebunden und lässt die Kräfte die auf eine politische Erneuerung setzen frustriert und verzweifelt zurück.

Trotzdem hätte das Europawahlrecht ein Zusammengehen der verbliebenen vernünftigen politischen Reformkräfte ermöglicht – immerhin gab es mit Bündnis Deutschland und dieBasis zwei Parteivereine, die in letzter Zeit mit klarem Anspruch auf bessere Politik gegründet wurden. Und auch mit den Überbleibseln der Partei von Bernd Lucke (LKR, jetzt WirBürger) gab es zumindest noch einzelne Personen, die Interesse an und gewisse Kompetenz für Europa hätten mitbringen können.

Aber die Kräfte des deutschen Parteiunwesens sind stärker als jede Vernunft: Bündnis Deutschland hat ohne jede Not schon im November Tatsachen geschaffen und eine eigene Liste aufgestellt: Mit Ex-AfD, Ex-LKR MdEP Lars-Patrick Berg an der Spitze – ein Mann, der sicherlich eine gute gemeinsame Liste gestärkt hätte, der aber stattdessen mit BD-Generalsekretär Niklas Stadelmann eine Liste anführt, die ich nur als unwählbar bezeichnen kann. Der Bundeswahlausschuss hat von den 14 im November von Bündnis Deutschland Nominierten drei, inklusive der ersten und nach meiner Kenntnis einzigen Frau gestrichen – auf den Seiten von Bündnis Deutschland kann man sich die nun bestätigte Liste anschauen: Machen Sie sich einfach ihr eigenes Bild.

Und dieBasis?

Auch hier haben die Vereinsbinnenkräfte einen traurigen Sieg errungen: dieBasis, eine Neugründung aus den Kämpfen der Coronazeit und ein deutscher Parteiverein, der stärker von Frauen geprägt ist als dies sonst der Fall ist hat auch den Großteil ihrer nicht unerheblichen Mitglieder- und Aktivistenresourcen auf innerparteiliche Kämpfe verschwendet – in zwei Mitgliederversammlungen, die beim zweiten Mal sogar über zwei Tage lief wurde aus einm Pool von tausenden Mitgliedern am Ende eine Europaliste bestehend aus vier (!) Personen nominiert! Die Hürde der Unterschriftensammlung hat die mitgliederstarke Organisation zwar locker genommen, aber die politische Strahlkraft ist nicht existent und unterscheidet sich meines Erachtens nach keinen Deut von der Unwählbarkeit der Liste von Bündnis Deutschland – auch hier braucht man keine hellseherischen Fähigkeiten um zu prophezeien, dass die Europawahl für die selbsternannte Basispartei ein totaler Reinfall wird.

Aber selbst ohne BüD und ohne dieBasis hätten die verbliebenen Kräfte immer noch eine gute Liste ins Rennen schicken können.

Aber es sollte nicht sein: WirBürger und auch eine weitere nicht so uninteressante Kleinpartei, die Liberalen Demokraten, scheiterten lieber mit ihrem Verein, als sich für eine Diskussion über eine gemeinsam erstellte Liste zu öffnen. „Zwischenbilanz Europawahl-Vorbereitung – das liberal-konservative Lager ist in der Defensive“ weiterlesen