Beginnen möchte ich mit einer Anekdote: Thüringen, das Land mit der größten Theaterdichte, musste Mittel und Wege finden, alle Häuser zu erhalten. Der Beitrag des Theaters Nordhausen sollte sein, die Sparte Schauspiel einzustellen und das Ballett abzuschaffen. Den Lokalpolitikern ging es vor allem darum, das Lohorchester, ein um 1600 gegründetes, vermutlich ältestes Berufsorchester Deutschlands, zu erhalten. Mitten in der heftigen Auseinandersetzung fuhr der Bürgermeister von Sondershausen mit seiner Frau nach München. Dort sahen sie eine Aufführung von „Giselle“. Danach stand fest: Die Ballettsparte muss erhalten bleiben. Seitdem profitiert das Publikum von dieser richtigen politischen Entscheidung. Die Ballettcompagnie des Theaters Nordhausen ist eine Hochleistungstruppe. Das wurde erneut bei der kürzlichen Premiere von „Giselle“, in der Bearbeitung von Ivan Alboresi, bewiesen.
Darf man eines der meistaufgeführten Ballette verändern? Das ist ein Risiko, aber der Erfolg gibt Alboresi Recht. Er konzentriert sich ganz auf Giselle und lässt alles weg, was bloßes Beiwerk ist. Das ist für die Haupttänzerin Rachele Cortopassi Schwerstarbeit, die sie mit einer atemberaubenden, scheinbaren Leichtigkeit, Eleganz und einer emotionalen Intensität bewältigt, die das Publikum von Anfang an in Bann zieht.
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