Märchenhafte Weihnachtsglocken

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Am Freitag, dem 12. Dezember, fand eine ganz besondere Premiere im Theater Nordhausen statt. Intendant Daniel Klajner brachte sein Musical „Die Weihnachtsglocken“ nach Motiven der zweiten Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens: „The Chimes – A Goblin Story of Some Bells that Rang an Old Year Out and a New Year In“ auf die Bühne.

Das Interesse an Klajners Werk war riesig. Die Premiere war schnell ausverkauft, auch für die Vorstellungen bis zum Jahresende gibt es nur noch Restkarten. Den Andrang kann man auch als Anerkennung dafür sehen, dass unter Klajners Intendanz aus dem Theater Nordhausen ein *hidden champion* der deutschen Kulturszene wurde.

Dickens, der große Schriftsteller und Sozialkritiker des viktorianischen Englands, lieferte den Stoff, mit dem Klajner frei umging und immer wieder Bezüge lieferte, die sehr gegenwärtig wirken. Ihm war es wichtig zu zeigen, dass die „unglaubliche Relevanz“, die in Dickens’ Geschichte steckt, bis heute wirkt. Der zweite Aspekt, den Klajner betont, ist genauso bedeutsam. Der „total coole Plot“, der sehr dramatisch im zweiten Akt ausgeführt wird, ist, dass jeder versuchen sollte, „den gesellschaftlichen Zerrüttungen und Schieflagen etwas entgegenzusetzen. Es ist ja im Grunde die Quintessenz unseres Stückes, dass jeder und jede für sich versuchen sollte, die Kraft und den Optimismus zu finden, versuchen sollte zu erkennen, wie ich mich verhalte.“ Auch in den ungünstigsten Umständen haben wir es in der Hand, ob wir Opfer oder Gestalter sind. Diese machtvolle Botschaft tröstet darüber hinweg, dass die großartig umgesetzte Geschichte nur am Rande mit Weihnachten zu tun hat.

Es beginnt mit dem Bühnenbild von Wolfgang Kurima Rauschning: Mit zwei Glockenhälften in Blau und Gold außen und Holztäfelung von innen werden die unterschiedlichen Handlungsorte gestaltet. Sensationell ist die Verwandlung einer Armenstube in einen glitzernden Ballsaal, die vor den Augen der Zuschauer stattfindet. Ich habe das Attribut „schönstes Bühnenbild“ bereits an eine andere Arbeit Kurima Rauschnings vergeben, sonst wäre diese mein Favorit gewesen. Auch die Kostüme von Anja Schulz-Hentrich tragen zur märchenhaften Stimmung bei.

Am Anfang steht eine Londoner Marktszene, die das „Merry Old England“ heraufbeschwört.

Des Haupthelden Toby Vek, Dienstbote (Alen Hodzovic), Bitte um etwas zu essen weist mitten im romantischen Trubel darauf hin, dass es in dieser Idylle heftige Probleme gibt. Die Schere zwischen Arm und Reich wird mit jeder Szene deutlicher herausgearbeitet.

Marian Kalus als Friedensrichter Aldermann Cute und Thomas Kohl als Parlamentsabgeordneter Sir Bowley verkörpern den Zynismus, der das Missverhältnis zwischen Herrschern und Untertanen kennzeichnet. Auf dem Höhepunkt trinken die Reichen auf das Wohl der Arbeiter, denen sie ihr Vermögen verdanken. Barmherzigkeit gegenüber den Ärmeren bleibt aus.

Toby und Will Fern, Landarbeiter (Jörg Neubauer), repräsentieren die Unterschicht mit ihren Sorgen, Nöten, Depressionen und Rebellionen. Um die Geschichte nicht zu düster werden zu lassen, hat Klajner die Figur der verstorbenen Frau von Toby weiterentwickelt und ihr den Namen Audrey (Jeanette Wernecke) gegeben. Wernecke ist mit ihrer Stimme und ihrer Präsenz das Highlight der Aufführung. Tobys Tochter Meg (Jeannine Michèle Wacker) und ihr Verlobter (Florian Tavic) verkörpern das Streben nach einer besseren Zukunft. Erwähnen muss ich unbedingt die 9-jährige Lilly, die von Lea Kohlmann herausragend verkörpert wurde, während nach meinem Empfinden Yuval Oren als erwachsene Lilly unter ihren Fähigkeiten besetzt wurde. Was für eine wunderbare Sopranistin sie ist, konnte man wenig später beim 2. Schlosskonzert in Sondershausen erleben, wo sie mit dem Bariton Florian Tavic – auch ein *hidden champion* – mit der Kantate „Apollo e Daphne“ begeisterte.

Ich scheue mich etwas, zu Klajners Musik etwas zu sagen, denn ich bin absoluter Laie auf diesem Gebiet. Aber mir fiel auf, welche Bandbreite der Komponist Klajner beherrscht – von dramatisch bis hin zum heiter-Spielerischen im Möhrensong.

Insgesamt war die Aufführung ein gelungenes Debüt, das entsprechend vom Publikum gefeiert wurde und dem man eine weite Verbreitung wünscht.

Karten finden Sie hier.

Weitere Aufführungen:

  • Dienstag, 23. Dezember · 18:00 Uhr
  • Donnerstag, 25. Dezember · 18:00 Uhr
  • Freitag, 26. Dezember · 18:00 Uhr
  • Samstag, 27. Dezember · 15:00 Uhr
  • Samstag, 27. Dezember · 19:30 Uhr
  • Sonntag, 28. Dezember · 18:00 Uhr



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