Córdoba – Moschee und Kathedrale als beste Freundinnen

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Unsere dritte Station Córdoba erreichen wir an Allerheiligen, dem Feiertag der Katholiken, problemlos. Am Morgen ist der Verkehr noch schwach. Unterwegs fahren wir an einem schmalen, hohen Objekt vorbei, das leuchtend in einem Feld steht, als hätten die Aliens eines ihrer Raumschiffe dort gelandet. Es ist ein solarthermisches Kraftwerk. Umstellt von Spiegeln, wird in diesem Ding z. B. flüssiges Natrium erhitzt. Es ist bisher bei diesem einen Prototyp geblieben.

Als wir in Córdoba an der Römischen Brücke ankamen, stand schon ein Auto unseres Hotels bereit, das unser Gepäck übernahm. Reisebusse dürfen nicht in die Innenstadt. Wir freuten uns, dass wir die Stadt über die 2000-jährige Brücke betreten würden – und das an einem Tag wie aus dem Bilderbuch: sonnig, mild, mit leichtem Dunst über dem Fluss. Anfangs waren wir fast noch allein, aber nach 331 m am anderen Ende hatte sich die Brücke schon belebt. Ein junger Mann spielte gekonnt Gitarre. Die Leute hörten ihm gern zu, aber kaum einer warf eine Münze in den Hut. Als ich am Nachmittag noch einmal an der Brücke vorbeikam, saß er immer noch da. Das hatte ich schon in Sevilla beobachtet, dass Straßenkünstler kaum noch belohnt werden, selbst wenn sie atemberaubende Artistik oder perfekte Musik bieten.

Unser Hotel liegt gegenüber der Kathedrale. Allerdings mussten wir uns bis 16:00 Uhr gedulden, ehe wir sie besuchen konnten – wegen der Allerheiligen-Messen. Bis dahin erkundeten wir die Stadt auf eigene Faust. Es gab zwar auch hier die Tagestouristengruppen, aber die Mehrzahl der Flaneure waren sonntäglich gekleidete Spanier. Später erfuhren wir von Gemma, unserer Stadtführerin, dass Leute aus Madrid und anderen spanischen Städten nach Córdoba kommen, um hier auszugehen – wegen der niedrigeren Preise.

Córdobas Altstadt ist zu einem Drittel Weltkulturerbe. Dass es einmal eine Stadt mit einer halben Million Einwohnern gewesen ist, kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Aber das war auch zu einer Zeit, als Berlin noch nicht existierte und die Römer noch in Köln waren .

Als die Muslime Córdoba um 718 von den Westgoten eroberten, wurde ein Vertrag geschlossen, dass die Basilika San Vicente Mártir geteilt wird. Eine Hälfte sollte künftig als Moschee dienen, die andere durften die Christen weiter benutzen. Als sich die muslimische Gemeinde rasch vergrößerte, kaufte man den Christen ihren Teil für eine ordentliche Summe und die Erlaubnis, die bei der Eroberung zerstörten Kirchen wieder aufzubauen, ab. Danach wurde die Moschee noch zweimal erweitert. Heute wäre sie die größte der Welt.

Im ältesten Teil wurden noch Materialien der Vorgängerbauten verwendet; Säulen und Kapitelle stammen noch von dem römischen Tempel oder der Basilika. Der Gebetsraum bot bereits 10.000 Menschen Platz. Den Hufeisenbögen der ersten Arkadenreihe ist der westgotische Einfluss noch anzusehen. Durch die Doppelbögen wurde das Dach des Gotteshauses angehoben. Besserer Lichteinfall wurde durch die zum Hof hin geöffneten Bögen erzielt. Das Ergebnis ist ein Säulenwald von Doppelarkaden, der an einen Palmenhain erinnert. Dieser einzigartige Stil wird von Fachleuten heute cordobesisch-arabisch oder Kalifenstil genannt, der einzigartig auf der Welt ist.

Die Araber waren 500 Jahre in Córdoba, dann kam die Reconquista. Auch unsere Zeit hat dem noch etwas hinzugefügt: Die vier Bögen, durch die man die Moschee vom Orangenhof aus betreten konnte, wurden 1970 mit hölzernen Gittern versehen. Das Licht, das durch sie hindurchfällt, steigert die einzigartige Atmosphäre noch. Als die zweite Erweiterung in Angriff genommen wurde, sollte die ganze Moschee neu, exakt nach Mekka, ausgerichtet werden. Der heftige Streit darüber endete mit dem Beschluss des Kalifen, die alte Ausrichtung beizubehalten, um die Tradition zu wahren. Der zweite Teil besteht aus abwechselnd graublauen und rosa Säulen mit einheitlichen Kapitellen. Es entstand ein dreiteiliger Mihrab als höchster Ausdruck der Kalifenkunst. Es ist eine prächtig dekorierte, achteckige Nische in der Wand, die nach Mekka zeigt und die als Gebetsort für den Kalifen diente. Der kleine Raum ist mit einer Muschelschalen-Kuppel und aufwändigen Mosaiken sowie Koranversen geschmückt. So kann man bis heute in der Kathedrale „Allahu akbar – Gott ist groß“ lesen.

Durch die dritte Erweiterung wurde der Gebetssaal verdoppelt. Er besaß insgesamt 1.013 Säulen, von denen nach der Vierung der Kathedrale noch 854 erhalten sind.

Im Jahr 1212 begann die christliche Rückeroberung von Andalusien. Ferdinand III. eroberte Córdoba 1236. Die Moschee wird zur Kathedrale geweiht, man beginnt mit der Errichtung von Kapellen. Das ist ein jahrhundertelanger Prozess. Die Vierung der Kathedrale beginnt 1523 und endet 1628. Das Minarett wird von 1593 bis 1628 zum Glockenturm. Im 20. Jahrhundert wurden bei Ausgrabungen Teile der westgotischen Basilika freigelegt, zu Beginn unseres Jahrtausends entdeckte man mehrere Meter unter dem heutigen Fußboden römische Bodenmosaike. Die Kathedrale inmitten der Moschee ist prächtig ausgestattet. Besonders das Chorgestühl ist berühmt für seine Schönheit. Seneca, der im Jahr 1 in Córdoba geboren wurde, oder der ebenfalls in Córdoba gebürtige jüdische Gelehrte Maimonides hätten die einzigartige Verschmelzung von Glaubenssymbolen und Architekturstilen gutgeheißen. Die Frage ist, warum der Menschheit nicht gelingt, was hier vollbracht wurde: eine gegenseitige Bereicherung, gefördert durch Toleranz und Respekt vor den Errungenschaften früherer Generationen. Um die Moschee-Kathedrale tobten immer wieder Bürger- und andere Kriege. Menschen wurden vertrieben, neue wanderten ein. Die Juden mussten nach Vollendung der Reconquista Córdoba verlassen. Ihre Synagoge wurde als Schule oder Hospital genutzt. Dass sie ein Gotteshaus war, wurde erst kürzlich entdeckt, als bei der Entfernung alter Farbschichten jüdische Inschriften zum Vorschein kamen. Die ehemalige 500.000-Stadt hatte um 1500 gerade noch 25.000 Einwohner. Das einst mächtige, weltbekannte Córdoba ist heute eine Provinzstadt. Sic transit gloria mundi.



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