Wider den Stachel löcken – und nicht an die Konsequenzen denken?

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Von Michael Wolski

Donald Trump wurde zum 47. Präsidenten der USA vereidigt und die Verunsicherung in good old Germany ist groß:

Am Vorabend des Amtsantritts brachte DIE WELT einen Beitrag unter der Überschrift „Dieses durchgestochene Trump-Schreiben kommt für Berlin zu einem heiklen Zeitpunkt.“

Darin heißt es:
Der neue US-Präsident strebe nach „der maximalen Disruption, dem Aufbrechen etablierter politischer Ordnung“, schreibt Botschafter Andreas Michaelis in der Depesche, die zuerst „Bild am Sonntag“ und der Nachrichtenagentur Reuters vorlag.

„Von MAGA-Leuten in Washington hört man: ‚Die Ukraine nervt uns. Aber die Deutschen nerven uns noch mehr‘,“ sagt die ehemalige Beraterin eines europäischen Außenministers. „Die Europäische Union ist für Trump und sein Team ein Hassobjekt, Deutschland ist die erste Zielscheibe“, sagt ein hoher europäischer Diplomat.

Wie die Washington Post schreibt, beabsichtigt Trump schon am Tag nach seiner Amtseinführung bei der angekündigten Abschiebung illegaler Migranten ein Exempel zu statuieren – in Chicago, das sich selbst als „Zufluchtsstadt“ bezeichnet. Werden die deutschen Medien in bewährter Manier darüber berichten? Oder kommt ein Schwenk der Berichterstattung in Richtung Trump?

Ich möchte an dieser Stelle auf eine historische Parallele des aktuellen „Wider den Stachels des Hegemons löcken“ verweisen und lade Sie ein, mit mir 38 Jahre zurückzuschauen. Vermutlich ist dieses „Wider den Stachel löcken“ auch ein Merkmal eines Systemendes.

Manfred Uschner, damals persönlicher Mitarbeiter des SED-Politbüro-Mitgliedes Hermann Axen, war 1988 mit seinem Chef in den USA und berichtete über ein Gespräch mit Vertretern des State Departments, die aber vermutlich von der CIA waren.

„Der Hochgewachsene sprach Klartext: Also wie Sie wahrscheinlich wissen, haben wir ja schon im vorigen Jahr (1987) durch Unterstaatssekretär Sonnenfeld zu Prof. Reinhold sagen lassen, dass die DDR in den nächsten zwei bis vier Jahren zu Ende ist. Und wir fürchten, dass es ein Chaos geben wird, wenn es zu einem militärischen Konflikt kommt. Wir und die Russen müssten uns dann einmischen, das wollen wir beide nicht. Wie wir wissen, gehen Sie auch davon aus, dass die DDR nicht mehr lange existiert. Ich möchte Ihnen sagen, dass das wahrscheinlich 10 Tage nach dem 40. Jahrestag der DDR geschehen wird. Dann wird die Mauer fallen.“

Wir haben eine Bitte: Wenn die politische Krise ausbricht, fahren Sie bitte nach Pätz [Anmerkung d. Vf.: Führungsstab der DDR-Grenztruppen] und sagen Sie dort den Ihnen Vertrauten, sie mögen die Mauer und die Grenze zur BRD noch sechs Wochen halten, bis wir mit den Russen alle technischen Details geklärt haben!“ (Auszug aus dem Buch Wendemanöver von Ferdinand Kroh, Seite 68, 2005 bei Hanser erschienen.)

Am 29. Mai 1987 besuchten Gorbatschow und Schewardnadse Honecker in seinem Berliner Büro. DER SPIEGEL berichtete am 2.11.2014 darüber unter der Überschrift: „Gorbatschow und Schewardnadse wollten früheren Mauerfall“.

Wie reagierte Honecker? Er sagte NEIN.
Die Beziehungen der SED zu den Sowjets verschlechterten sich weiter. Ende 1988 verbot die DDR die Einfuhr der sowjetischen Zeitschrift Sputnik, da sie der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft nicht förderlich sei.

Und am 3. April 1989 untersagte der Warschauer Pakt den Schusswaffeneinsatz an der DDR-Westgrenze bei Grenzdurchbrüchen. Offenbar eine erste Maßnahme für den geplanten Mauerfall. Die DDR-Grenztruppen mussten diesen Befehl durchstellen. Das Verhältnis zu Moskau war nun endgültig zerrüttet und am 9.11.1989 realisierte die Gruppe Ljutsch des sowjetischen Militärgeheimdienstes den von Honecker 1987 verwehrten Mauerfall – unter Mithilfe des DDR-Militärgeheimdienstes.
Man könnte es auch als Staatsstreich bezeichnen.

Das Buch dazu gibt es seit 2019 als eBook: Operation Ljutsch, Autor R. O. Kranz, ein ehemaliger Offizier des DDR-Militärgeheimdienstes.

Wie ging nach dem Mauerfall – und dem damit verbundenen Paradigmenwechsel – dieser Dissens aus für die Führungsspitze der DDR?
Gorbatschow überließ Kohl die Entscheidung, wie mit den führenden Genossen nach der Deutschen Einheit verfahren werden solle. Erich Honecker und Markus Wolf (der Leiter der Stasi-Hauptverwaltung Aufklärung, der den Bonnern etwa 3000 ostdeutsche Kuckuckseier ins Nest gelegt hatte) wurden aus Moskau ausgewiesen. Honecker und Krenz wurden verurteilt, Honecker kurze Zeit später wegen Krankheit nach Chile abgeschoben (wo er 1994 starb). Egon Krenz durfte mehrere Jahre im Freigang als Übersetzer arbeiten. Sein Studium an der Parteihochschule Moskau hatte also doch einen praktischen Nutzen gehabt…

Nur Markus Wolf blieb verschont. Vermutlich hatte er wie Alexander Schalck-Golodkowski seine Memoiren bei internationalen Anwaltskanzleien deponiert. Für den Fall, dass Schlimmes passieren sollte, hätten sie diese Memoiren veröffentlicht. Eine kreative Form der Lebensversicherung.

Was wird nun in Deutschland passieren mit den Verantwortlichen und Freunden von illegaler Migration, Klima-Erzählung, Gender und Diversity – alles was die neue US-Regierung so verabscheut?

Erste Vorschläge werden geäußert. Hadmut Danisch schrieb dazu am Sonntag unter diesem Aufmacher: „Vom politischen Großreinemachen der Sorte Tornado“ und stellte die rhetorische Frage: Was hieße das für Deutschland?
Er selbst beantwortet sie mit: Viel.

„Der amüsante Teil wäre, dass wir einen großen Haufen linker, nutzloser, arbeitsunfähiger Idioten gezüchtet haben, denen nun der Strom abgedreht wird, und die wir nun als Sondermüll auf dem Arbeitsmarkt haben. Wir müssten also quasi Umschulungen von Gender Studies auf Straße kehren anbieten“.

https://www.danisch.de/blog/2025/01/19/vom-politischen-grossreinemachen-der-sorte-tornado/

Als Zeitzeuge der Wende hatte ich damals viele Wendehälse beobachtet.
Kann es sein, dass jetzt zum Frühjahr Schwärme diese Vögel erneut in Deutschland gesichtet werden? Diesmal nicht nur in Ostdeutschland?

Michael Wolski hat mehrere Bücher zum Berliner Mauerfall veröffentlicht:
www.1989mauerfall.berlin

 

 



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