Ein Ministerpräsident von SED-Linke Gnaden

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Einen Sieg der Hinterzimmer über die Wahlurne hat Roland Tichy die Regierungsbildung in Thüringen richtig beschrieben. Aber man muss hinzufügen, dass es auch ein Sieg der viermal umbenannten SED, heute Linke, ist. Wie in den unrühmlichen Zeiten der Nationalen Front der DDR, wo die SED, die keine parlamentarische Mehrheit besaß, den Ton angab, ist es, 34 Jahre nach dem wohlverdienten Ende des SED-Staates wieder die Linke, die bestimmt wo es zumindest in Thüringen, langzugehen hat. Das kann man beklagen, muss aber das überlegene taktische Geschick des Ex-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow anerkennen. Der Coup, Voigt schon im ersten Durchgang mit satter Mehrheit auszustatten, um sofort diesen Sieg für sich zu reklamieren und zu verkünden, dass es sich um einen Vertrauensvorschuss handele, der sich bei künftigen Abstimmungen nicht wiederholen müsse, hat deutlich gezeigt, wer künftig der Koch und wer der Kellner ist.

Mario Voigt hat sich in seinem unstillbaren Verlangen, unbedingt Ministerpräsident werden zu wollen, koste, was es wolle, zur Marionette gemacht. Er ist schon zu Beginn seiner Ministerpräsidentschaft eine „lame duck“. Das sieht man auch seinem Kabinett an. Immerhin hat die CDU das Wirtschaftsministerium mit einer Fachfrau besetzt und auch das Justizministerium wird künftig von einer Volljuristin geleitet. Die beiden Jungmänner für Kultur und Staatskanzlei sind unbeschriebene Blätter, bei denen man abwarten muss. Dass die Finanzen ausgerechnet an Katja Wolf (BSW) gehen, ist ein zusätzlicher Beweis dafür, wer in Thüringen zukünftig das Sagen haben wird. Ohne den gegen Umweltminister Thilo Kummer (BSW)erhobenen Stasivorwurf wiederholen zu wollen, muss ich dennoch darauf hinweisen, dass Kummer mit den Stimmen der SPD-Stadträte in Hildburghausen einem Bürgerbegehren ausgesetzt wurde, das ihn aus seinem Bürgermeisteramt fegte. Die Hildburghäuser fanden seine Amtsführung so unerträglich, dass sie ihn nicht länger haben wollten. Qualifiziert das zum Minister? Die Entscheidung ist sicher der Personalnot des BSW geschuldet, aber man hätte einen auswärtigen Fachmann benennen können. Das dies nicht geschehen ist, deutet auf die inneren Spannungen dieser Mini-Splitterpartei.

Problematisch ist die Personalie Maier, der alte und neue Innenminister, der alte und neue Chef des skandalträchtigen Verfassungsschutzchefs Kramer,der immer wieder vorgeprescht ist, mit Forderungen nach einem AfD- Verbot. Unter Maier konnte Kramer schalten und walten, wie er wollte, sein Chef hat alle seine Erkenntnisse, so zweifelhaft sie auch waren, apportiert. Wird Kramer entlassen, wie es dringend geboten wäre, oder muss er wenigstens sein Amt ruhen lassen, bis eine Expertenkommission oder ein Untersuchungsausschuss die Vorwürfe geprüft haben? Daran muss man berechtigte Zweifel haben. Zweifelhaft auch, ob die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes in Thüringen wiederhergestellt wird. Die Mitglieder der Kontrollkommission des alten Landtags sind nicht mehr im Parlament und eine neue Kommission wurde nicht gewählt, weil die AfD Anspruch auf ein Mitglied hat. Kramer soll ein Gutachten, das seiner Einschätzung der Partei als „gesichert rechtsextrem“ widerspricht, unterdrückt haben. Wenn die demokratischen Prinzipien noch funktionierten, müsste Kramer längst geschasst sein. Wieviel der neue Ministerpräsident von demokratischen Prinzipien hält, hat sich schon bei der Konstituierung des Landtages gezeigt, Voigt, der vehement die Meinung vertrat, dass die AfD als stärkste Partei nicht den Landtagspräsidenten stellen darf, verkündete vor der Wahl aber öffentlich, dass ihr ein Stellvertreterposten selbstverständlich zustände.

Als es so weit war, ließ er die AfD-Kandidatin Muhsal, die gegen ihn den Wahlkreis gewonnen hatte, durchfallen. Ihn störte sein Geschwätz von gestern nicht. Unter SED-Chef Walter Ulbricht hieß es noch: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“. Das hat sich unausgesprochen verkürzt auf: Wir müssen alles in der Hand haben. In Thüringen hat man ein wichtiges demokratisches Prinzip nicht begriffen: Man kann eine oppositionelle Partei mit guten Gründen ablehnen und bekämpfen, man hat aber dafür zu sorgen, dass sie alle parlamentarischen Rechte erhält.

Deshalb kann ich Mario Voigt nicht zu seiner Wahl gratulieren. Schlimmer ist nur, dass der CDU- Kanzler- Kandidat Merz mit Wohlgefallen auf diese Wahl blickt. Das ist kein gutes Omen für die Bundestagswahl.



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