Das letzte Wochenende war wunderschön: milde Wärme, Sonne satt, ein paar Quellwölkchen. Dazu kam bei den Thüringer Schlossfestspielen in Sondershausen die Premiere der Familienoper von Willibald Glucks „Orpheus und Eurydike“ auf der Theaterwiese. Es gibt, seit die Schlossfestspiele bestehen, an den Wochenenden ein Ergänzungsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Familien. Der Andrang war auch in diesem Jahr groß. Schon bei der zweiten Aufführung mussten zusätzliche Bänke unter das Sonnensegel gestellt werden, damit jeder Zuschauer Platz fand. Es war aber auch möglich, auf mitgebrachten Decken vor den Stuhlreihen zu lagern. Man ist den Künstlern so nah, dass man sich einbezogen fühlt.
Diesmal also Gluck. Seine Oper war vor 250 Jahren eine Sensation, denn sie brach mit der bis dahin üblichen Operntradition der überlangen Aufführungen mit komplizierten Handlungen und zahllosen Akteuren. Gluck und sein Librettist Ranieri de’ Calzabigi erzählen die uralte Geschichte des Sängers Orpheus, der von den Göttern seine jung verstorbene Gattin zurückfordert und bereit ist, in den Hades hinabzusteigen, um sie von dort zu holen. Allerdings hat ihm der Liebesgott Amor zwei Bedingungen genannt: Orpheus muss die Furien, die Wächter der Unterwelt, besänftigen, damit sie ihn vorbeilassen und er darf sich nicht umdrehen, wenn er Eurydike in die Oberwelt zurückführt. Die Furien verführt Orpheus mit seinem wunderschönen Gesang. Gluck hat auf die komplizierten Arien seiner Zeitgenossen verzichtet, sondern schlichte, gefühlsbetonte Gesänge komponiert, die zu Herzen gehen.
Die antike Erzählung spielt in Thrakien. Daran erinnert Regisseur Daniel Klajner, indem er Orpheus und Eurydike im römischen Look auftreten lässt. Die übrigen Akteure sind modern gekleidet, was aber trotzdem harmonisch wirkt. Es wird so eine Verbindung von der Antike zu heute hergestellt (Kostüme: Birte Wallbaum und Carolin Flucke). Hades (Joshua C. Lamm) tritt als Erster auf, stellt alle handelnden Personen vor, einschließlich des Dirigenten des Lohorchesters, Julian Gaudiano, das in der Rotunde des Schlosses sitzt und führt in die Geschichte ein.
Wir erleben, wie Eurydike von der Schicksalsgöttin Tyche (Gerda Mohs) zu Tode gebissen wird und die überwältigende Trauer von Orpheus, der sie von den Göttern zurückfordert. Die wunderbare Rina Hirayama beweist als Orpheus erneut, dass sie wirklich alles spielen kann. Auch Vera Hiltbrunner als Eurydike hat starke Momente, besonders wenn sie über die angeblich mangelnde Liebe von Orpheus klagt, der sie nicht ansieht. Meine Favoritin ist aber Yuval Oren als Amor, die nicht nur stimmlich absolut überzeugt, sondern ein beträchtliches schauspielerisches Talent einbringt. Eindrucksvoll ist auch der Chor der Furien, deren Aufeinandertreffen mit Orpheus perfekt choreografiert ist. Die Stunde vergeht wie im Flug. Nach der Vorstellung wartet auf mutige Besucher ein Gang in die Unterwelt des Schlosses. Ein gelungener Sommernachmittag!
Nächste Vorstellungen: 29.6., 30.6., 6., 7., 13. Juli, jeweils 15.00
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