Von Annette Heinisch und Gunter Weißgerber
„Der ehemalige US-General Ben Hodges hat Deutschland und den USA mangelnde Entschlossenheit bei der Unterstützung der Ukraine vorgeworfen. “Will der Westen den Sieg der Ukraine? Mein Glaube schwindet”, sagte der ehemalige Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa zum “Tagesspiegel”.“
Auch Paul Ronzheimer, Kriegsreporter in der Ukraine und stellvertretender Chefredakteur der Bild, wundert sich über Kanzler Scholz:
„Entweder will er, dass die Ukrainer erheblich Gebiete zurückgewinnen können, dann darf er Lieferungen wie Taurus-Raketen nicht länger blockieren.
Oder aber der Kanzler muss klar sagen, dass er NICHT an die Rückeroberung ukrainischer Gebiete glaubt – und erklären, welches Ziel seine Politik überhaupt verfolgt.
Alles dazwischen, ein bisschen Waffenhilfe, aber bloß nicht zu viel, damit Putin „nicht zusätzlich“ provoziert wird, ist unglaubwürdig und verlogen. Kanzler, sprechen Sie endlich Klartext, was Sie erreichen wollen!“
Die Skepsis ist berechtigt und wird schon länger von militärisch versierten Beobachtern geteilt. Nicht nur die „roten Linien“ verwundern, z. B. dass die Ukraine nicht russisches Territorium angreifen soll. Dies wäre nicht nur rechtlich völlig in Ordnung, sondern auch militärisch geboten. Anders können Nachschubwege und Kommandozentralen nicht sinnvoll angegriffen werden. Die Divergenz zwischen markigen Sprüchen und den tatsächlichen Lieferungen von Wirkmitteln spricht auch eine andere Sprache: Zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Der Ukraine werden bis dato weder ausreichend noch alle zielführenden militärischen Wirkmittel geliefert, welche für die Befreiung ihres Landes nötig wären. Und was kommt, kommt schlicht zu spät.
Diese Lethargie sei ein „Charaktermerkmal, kein Betriebsunfall“, schreibt Dr. Jack Watling vom britischen Militärforschungsinstitut Rusi. Auch Gary Kasparov, Schachweltmeister und Oppositionelle, kritisiert in seinem Artikel „A History of Betrayel“ heftig die amerikanische Zurückhaltung und beleuchtet deren Gründe:
„Die Ukraine leidet immer noch unter schrecklicher Gewalt, auch wenn ihre Streitkräfte einen Gegenangriff starten, um ihr besetztes Gebiet zurückzugewinnen. Jeden Tag regnen Raketen und Drohnen vom Himmel, während sie sich der russischen Art des totalen Krieges stellen – Terror und Zerstörung, die sich häufig gegen Zivilisten richten. Aber die Waffen, die die Ukraine braucht, um ihr Volk zu verteidigen und die Eindringlinge zu vertreiben, werden von ihren Verbündeten zurückgehalten – wiederum verblüffender Weise angeführt von den Vereinigten Staaten.
Ohne jede Erklärung hat die Biden-Regierung bei der einen Sache, die am wichtigsten ist, kalte Füße bekommen: der Beendigung des Krieges…. Ich befürchte, dass die Biden-Administration davon träumt, mit dem Kriegsverbrecher Putin unmoralische „Land für Frieden“-Deals auszuhandeln, anstatt der Ukraine alle Waffen zu geben, die sie braucht, um den Krieg schnell zu gewinnen und Leben zu retten. Ich gebe zu, dass meine Vermutung auf Indizienbeweisen beruht, aber sie basiert auf der langen Erfolgsgeschichte der Biden-Beamten und ihren unappetitlichen Beziehungen zu Putin und anderen Diktaturen.“
Er räumt allerdings ein, dass er keinen Beweis für seine These habe, nicht über ein „smoking gun“ verfüge.
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Der Westen verspielt Vertrauen. Die ukrainische Bevölkerung steht stärker denn je hinter dem Verteidigungs- und Überlebenskampf. „… die Menschen in der Ukraine (zeigen) einen erstaunlichen Durchhaltewillen und Tapferkeit im Kampf gegen den Aggressor. Daran wird sich laut einer neuen Umfrage wohl auch in Zukunft nichts ändern. Demnach sprach sich eine überwältigende Mehrheit gegen Zugeständnisse an Russland aus, wie zwei renommierte ukrainische Umfrageinstitute herausfanden.
Mehr als 90 Prozent der rund 2.000 Befragten sind zudem dagegen, einige der von den russischen Truppen völkerrechtswidrig besetzten und zum Teil annektierten Gebiete an den Feind abzutreten. Eine Reduzierung der Truppenstärke der Armee zu Friedenszeiten lehnten 80 Prozent ab. … Unverändert ist die große Unterstützung der Ukrainer zu einem Nato-Beitritt ihres Landes. 74 Prozent der Ukraine schließen daher einen Verzicht auf den Beitritt zum Militärbündnis Nato aus. Ein Nato-Beitritt könnte der Ukraine einen wesentlich besseren Schutz gewähren, als das bislang der Fall ist, etwa durch bilaterale Beistandsabkommen. Allerdings wäre eine Aufnahme in die Nato erst nach einem Friedensabkommen möglich, da das Verteidigungsbündnis keine Staaten aufnimmt, die sich im Krieg befinden.“ (Umfrage unter Ukrainern – Stimmung wandelt sich).
Das Internet vergißt nichts. Auch für das Gespann Biden/Blinken gilt das. Wir haben für diesen Artikel etwas tiefer gekramt und wurden bei John McCain fündig. Der US-Senator warnte vor fast einem Jahrzehnt davor, dass der von Biden ernannte US-Außenminister Tony Blinken eine internationale Bedrohung sei – eine Gefahr für die Vereinigten Staaten, das US-Militär und die ganze Welt. (….. ).
McCain: “Ich erhebe mich, um meinen Widerstand gegen die anstehende Abstimmung über Mr. Anthony ‚Tony‘ Blinken zu diskutieren, der nicht nur unqualifiziert ist, sondern meiner Meinung nach eine der schlimmsten Auswahl eines sehr schlechten Loss ist, das dieser Präsident gewählt hat… Diese Person war tatsächlich gefährlich für Amerika und für die jungen Männer und Frauen, die kämpfen und unserem Land dienen. Herr Blinken ist seit seinen Tagen im Senat ein außenpolitischer Berater von Vizepräsident Biden, aber wie Robert Gates bemerkt hat, hat sich Mr. Biden in den letzten vier Jahrzehnten in fast allen großen außenpolitischen und nationalen Sicherheitsfragen geirrt…
Herr Blinken war Funktionär und Agent einer US-Außenpolitik, die die Welt heute viel weniger sicher gemacht hat. (… )“.
Würde McCain noch leben, könnte er heute feststellen, dass das Versagen der Obama-Administration 2013/2014 hinsichtlich Putins Bruch des Budapester Memorandums Teil des Demokraten-Gens war und leider immer noch zu sein scheint. Obama hatte es damals in der Hand, Putin in die Schranken zu weisen.
Aus unserer Sicht bleibt anzumerken, Trump wurde 2016 und später eine Putin-Nähe unterstellt, die in der Realität möglicherweise eher auf der Demokraten-Seite anzunehmen war.
Der pensionierte US-General Hodges bemerkte kürzlich, dass die Biden-Administration „zu viele Leute hat, die äh Russland während der Obama-Regierung missverstanden haben, äh und sie glauben irgendwie, dass Russland als verantwortungsbewusster Akteur behandelt werden kann, und wir sei getan uh, strategisch zu denken und entschlossen zu handeln, um der Ukraine zu helfen, zu gewinnen“. https://youtu.be/_Wwu8Ff-SOw.
Dr. Andrei Illarionov, ehemaliger Politikberater von Wladimir Putin und nun Senior Fellow in einem konservativen Thinktank, dem Center for Security Policy in Washington, hat in einer Studie die militärische Hilfe der USA unter die Lupe genommen.
„Um die US-Sicherheitshilfe für die Ukraine in den letzten 16 Monaten der russischen Aggression gegen die Ukraine zu bewerten, sind fünf (gerundete) Hauptzahlen zu beachten:
49 – 40 – 17 – 6 – 0.
Stand 1. Juli 2023:
– Der Kongress hat zugeteilt etwa 49 Milliarden US-Dollar an Sicherheitshilfe für die Ukraine;
– Die Biden-Regierung genehmigte 40 Milliarden US-Dollar an Sicherheitshilfe für die Ukraine;
– Die tatsächliche Bereitstellung von US-Sicherheitshilfe für das Territorium der Ukraine belief sich auf 17 Milliarden US-Dollar.
– Das Pentagon beauftragte Hersteller mit der Produktion von Verteidigungsgütern für die Ukraine in den kommenden Monaten und Jahren für 6 Milliarden US-Dollar.
– Die Biden-Regierung hat 0 US-Dollar aus dem Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act verwendet, der vom US-Kongress angenommen und von Präsident Biden am 9. Mai 2022 in Kraft gesetzt wurde.
Entgegen ihrer öffentlichen Erklärungen ist die Biden-Regierung bei der Demonstration ihres Engagements weit hinter dem Kongress zurückgeblieben Sie hat sich dazu verpflichtet, der Ukraine bei der Verteidigung gegen die russische Aggression zu helfen, und hat es völlig versäumt, der Ukraine im Rahmen von Lend-Lease praktisch unbegrenzte Hilfe in Milliardenhöhe zukommen zu lassen.”
Von den 49 Milliarden Dollar, die das amerikanische Volk durch den Kongress der Ukraine zur Verteidigung zugesagt hat, sind also tatsächlich nur 17 Milliarden geflossen. Selbst die Beauftragung von weiteren Waffen und Munition umfasst lediglich Lieferungen in Höhe von 6 Milliarden Dollar, mithin nur ein Bruchteil der möglichen Mittel.
Auch diese Zahlen belegen die These, dass es eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Worten und den Taten der Biden – Administration gibt.
Kürzlich sind neue Informationen veröffentlicht worden. Das wöchentlich erscheinende US – Nachrichtenmagazin Newsweek hat mehr als drei Monate lang die Verwicklung des Geheimdienstes CIA in den russischen Krieg in der Ukraine untersucht und dabei mit mehr als einem Dutzend hochrangiger Offizieller gesprochen. Nach deren Informationen habe der Geheimdienst zwar bis heute noch keine zuverlässigen Erkenntnisse darüber, was im Kreml und im Bereich von Präsident Zelensky vorgehe; die CIA sei aber über ihren Direktor, William Burns, an einer Vereinbarung beteiligt gewesen, die Putin deutlich machte, dass er ohne einen Konflikt mit den USA befürchten zu müssen, einen Angriff starten könne. Newsweek berichtet:
“Die CIA spielte bereits vor Beginn des Krieges eine zentrale Rolle. Zu Beginn seiner Amtszeit ernannte Biden den William Burns zu seinem globalen Problemlöser – einem Geheimagenten, der außerhalb der normalen Kanäle mit ausländischen Führungskräften kommunizieren konnte, jemandem, der einen wichtigen geopolitischen Raum zwischen Offenheit und Verborgenheit besetzen konnte, und einem Beamten, der die Arbeit organisieren konnte in der Arena, die zwischen dem rein Militärischen und dem rein Zivilen besteht.
Als ehemaliger Botschafter in Russland hatte Burns besonderen Einfluss auf die Ukraine. Die CIA hatte den Aufmarsch Russlands überwacht und im November 2021, drei Monate vor der Invasion, entsandte Biden Burns nach Moskau, um den Kreml vor den Folgen eines Angriffs zu warnen. Obwohl der russische Präsident Bidens Abgesandten brüskierte, indem er in seinem Rückzugsort in Sotschi am Schwarzen Meer, 800 Meilen entfernt, blieb, stimmte er zu, mit Burns über ein sicheres Kreml-Telefon zu sprechen.
„In gewisser Weise war das Treffen jedoch ein großer Erfolg“, sagt der zweite hochrangige Geheimdienstmitarbeiter, der darüber informiert wurde. Obwohl Russland einmarschierte, konnten die beiden Länder bewährte Verkehrsregeln akzeptieren. Die Vereinigten Staaten würden weder direkt kämpfen noch einen Regimewechsel anstreben, versprach die Biden-Regierung. Russland würde seinen Angriff auf die Ukraine beschränken und im Einklang mit unausgesprochenen, aber wohlverstandenen Richtlinien für Geheimoperationen handeln.
„Es gibt geheime Verkehrsregeln“, sagt der hochrangige Beamte des Verteidigungsgeheimdienstes, „auch wenn sie nicht auf dem Papier kodifiziert sind, insbesondere wenn man nicht in einen Vernichtungskrieg verwickelt ist.“ Dazu gehört, sich innerhalb der alltäglichen Grenzen der Spionage zu halten, bestimmte Grenzen nicht zu überschreiten und die Führung oder Diplomaten des anderen nicht anzugreifen. „Im Allgemeinen haben die Russen diese globalen roten Linien respektiert, auch wenn diese unsichtbar sind“, sagt der Beamte.”
Der bereits zitierte Sicherheitsanalyst Illarionov äußerte in einem Interview, dass er stets davon ausgegangen sei, dass Putin eine Art grünes Licht von den USA bekommen habe. Die Tatsache, dass Präsident Biden alle Militärberater sowie die US-Marine aus dem Schwarzen Meer abzog, seien für ihn ein klares Signal gewesen. Hinzu sei gekommen, dass nicht nur das Botschaftspersonal aus Kiew abgezogen, sondern die gesamte Ausstattung zerstört wurde. Dies sei nicht einmal beim Rückzug aus Kabul geschehen, ein solches Verhalten habe es noch nie gegeben. Aufgrund dieser Umstände sei es für ihn klar gewesen, dass eine Art Abmachung bestanden haben müsse; diese auf den Umständen beruhende Vermutung sei nun durch den Bericht von Newsweek, einer eher der demokratischen Partei zuneigenden Publikation, bestätigt worden. Illarionov ist der Ansicht, dass man diese Vereinbarung zwischen Burns und Putin früher oder später auf eine Stufe stellen wird mit dem Molotov/Ribbentropp – Nichtangriffspakt, welcher den 2. Weltkrieg vorbereitete.
Würde sich der Bericht von Newsweek bewahrheiten, dann würde es sich um die „smoking gun“ handeln, die Kasparow bisher vermisste.
Sowohl die USA als auch Russland unterschätzten allerdings den unbedingten Willen der Ukrainer, für ihre Freiheit zu kämpfen. Auch der bekannte Satz von Zelensky, „I don´t need a ride. I need ammunition.“ zeigt im Umkehrschluss, dass die Biden – Administration nur eine Flucht angeboten hat, die Ukraine aber nicht in die Lage versetzt hatte zu kämpfen. Erst nachdem deutlich wurde, dass die Ukrainer für ihre Freiheit kämpfen wollten, fühlten sich die US – Bürger an ihre eigene Geschichte erinnert und plädierten für eine größere Unterstützung.
Die Vereinbarung würde jedenfalls bedeuten, dass die USA nicht alles getan haben, um den Krieg zu verhindern, sondern dass die Biden – Regierung im Gegenteil durch ihr Verhalten den Krieg ermöglicht hat. Angesichts der Sicherheitszusagen aus dem Budapester Memorandum wäre dies ein erheblicher Ansehens – und Vertrauensverlust.
Anders als die USA und Deutschland (und erst recht Österreich) haben die Staaten, die sich aus eigener geschichtlicher Erfahrung mit den Opfern der Invasion identifizieren, sofort und effektiv geholfen. Dazu gehören neben Großbritannien, Polen und den Baltenstaaten auch die skandinavischen Staaten. Parallelen zwischen dem Angriffskrieg Deutschlands 1939 und dem Vorgehen Putins werden nicht nur von Illarionov gezogen, sondern auch in vielen europäischen Ländern. Die „Zeitenwende“ – Rede von Kanzler Scholz wurde gut aufgenommen, allerdings ist das deutliche Zurückbleiben hinter den geweckten Erwartungen ebenso zur Kenntnis genommen worden. Es ist von außen betrachtet sehr bezeichnend, dass sich gerade Österreich völlig zurückhält und in Deutschland Diskussionen in Endlosschleife geführt werden, die andernorts wegen Sachfremdheit schlicht als abwegig angesehen werden. Auch die Bezeichnung als „Putins Krieg“, mit dem „die Russen“ nichts zu tun hätten, ist in anderen Ländern nicht verbreitet und offenbart aus Sicht von dortigen Beobachtern eher die Identifizierung mit den Tätern, nicht aber mit den Opfern.
Hätte Deutschland wirklich gelernt, würde es sich als zentrale Macht in Europa anders verhalten müssen.