Ausdrückliche Leseempfehlung: Karsten Dusse und seine Achtsam morden – Reihe

Veröffentlicht am

von Philipp Lengsfeld

Mein neuer Held ist Rechtsanwalt und Autor Karsten Dusse.

Karsten, wie ich ihn ungefragt nenne und nennen würde, wir sind praktisch ein Jahrgang, ist ein Rechtsanwalt der erst relativ spät zum Schreiben gefunden hat. Und zwar in den Jahre 2015-2018, in den wichtigen Jahren nach seinem 40. Geburtstag.

Vielleicht erklärt die Spätberufung und die Vorarbeit über ein vermutlich eher politisch gefärbtes Halbfachbuch („Halbwissen eines Volljuristen“ – hatte noch keine Zeit das zu lesen) den instantanen Durchbruch: Mit dem in einer Lebenskrise befindlichen Rechtsanwalt Björn Diemel und der Welt, in der er sich bewegen muss, hat Dusse eine sehr coole und sehr erfolgreiche Marke geschaffen. Und das ist die Ein-Satz-Kurzform: Ausgelöst durch einen von seiner mit ihm auf dem Weg zur endgültigen Trennung befindlichen Frau verordneten Achtsamkeitskurs krempelt Rechtsanwalt Diemel sein Leben um, nimmt es achtsam in die Hand und übernimmt die Führung eines Mafia-Geschäfts.

Die „Achtsam morden“-Reihe umfasst mittlerweile vier Bände und jedes Lesen ist wie eine therapeutische Sitzung mit Björn/Karsten über den Wahnsinn der momentanen deutschen Gesellschaft.

Karsten Dusse hat dabei die in Deutschland allseits geschätzte Format des Krimis gewählt. Dies erlaubt ihm die Grundidee auch mit regelmäßigen, teilweise recht heftigen Gewaltausbrüchen zu garnieren. Aber die „Achtsam morden“-Reihe sind keine Krimis, sondern ein clever unterhaltsames Gesellschaft- u Kleinfamilienporträt und eine radikale Gesellschaftskritik. Das Element Krimi hat da meines Erachtens vor allem die Funktion des Absteckens von Kunstfreiheit. Und ist auch schon die erste konsequente Gesellschaftskritik, denn die von mir schon lange nicht mehr goutierten wöchentlichen Tatorte unterscheiden sich ja von einer sturzlangweiligen Volksbelehrung oder einer Art regionaler Lindenstraße im Polizeimilieu (zu oft sogar beides) ja auch nur noch dadurch, dass es irgendwie immer noch in jeder Folge um ein Tötungsverbrechen geht. Dusse nutzt das vorhandene deutsche Instrumentarium souverän und customer conscious: Das gewählte Format ist schon der erste von vielen Geniestreichs des Karsten Dusse.

Karsten Dusse belehrt seine Leserinnen und Leser nicht, sondern er unterhält sie und man kann trotzdem etwas lernen. Nicht nur ist das gesamte Achtsamkeitsgebäude sehr sorgfältig ausgearbeitet – die sehr sympathische Figur des Achtsamkeitscoaches Joschka Breitner ist eine der wenigen Profis in dieser Welt, sein über die Bände ausgiebig zitiertes Standardwerk („Entschleunigt auf der Überholspur. Achtsamkeit für Führungskräfte“) muss sich auch im oberen Drittel der Masse der modernen Psycholiteratur sicher nicht verstecken (in Band vier erfährt man mehr über Joschka Breitner). Auch die stringente Führung der Geschäfte der anderen Profis, neben Björn Diemel selbst (von dem man sich durchaus einige juristische Kniffe abschauen kann) vor allem die vier Officers, des von ihm übernommenen Mafia-Geschäfts werden genau und lehrreich beschrieben.

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