Von Gastautor Prof. Dr.-Ing. Michael Thielemann
Gern möchte ich daran mitwirken, den Laien (auch nicht so versierten Journalisten und Politikern) einen quantitativen Einblick in die Anforderungen der strombasierten Wärmewende zu vermitteln. Mit 3 Zahlenwerten lässt sich in Diskussionen eine Abschätzung der zu installierenden backup-Leistung angeben, sie beträgt etwa 150 GW, d.h. ca. 300 größere Gaskraftwerke. Das ist einfach irrsinnig.
Lag bei der Problematik der Energiewende der Focus der Öffentlichkeit zunächst vorrangig auf dem Verkehrssektor und der Industrie, erregt mit dem geplanten Öl- und Gasheizungsverbot nun endlich der Gebäudesektor die Aufmerksamkeit breiter Kreise. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Problematik noch immer gewaltig unterschätzt wird. Es sind nicht nur die immensen Kosten, die auf Hauseigentümer und auch Mieter zukommen werden und der Mangel an Fachkräften usw. Es ist die backup-Leistung, die installiert werden müsste, um bei Dunkelflaute eine zuverlässige Wärmeversorgung mit elektrisch betriebenen Wärmepumpen zu ermöglichen. Um sich einen Eindruck von der Größenordnung der für diesen Zweck zu installierenden elektrischen Leistung zu verschaffen, muss man keine umfangreichen Studien lesen und besondere technische oder physikalische Kenntnisse haben. Es reicht „Volksschule Sauerland“ bzw. der gesunde Menschenverstand. Dazu mache ich eine kleine Plausibilitätsbetrachtung. Natürlich ist das keine exakte Berechnung, aber ich bezweifle, dass die mit viel Aufwand erstellten Studien diverser Akteure belastbarere Ergebnisse liefern. Ich glaube, dass viele dieser Studien geschönt sind und nur wenige Menschen, die Zeit haben diese zu lesen und zu überprüfen.
Der Wärmesektor unterscheidet sich von der Industrie oder dem Verkehr dadurch, dass der Leistungsbedarf sehr großen Schwankungen unterliegt. Die volle Heizlast wird nur an sehr kalten Tagen benötigt, sie muss dennoch für seltene Extremfälle erbracht werden können, da eine längere Speicherung der benötigten Energie mit derzeit verfügbaren Techniken nicht realistisch ist. Die Heizlastverteilung kann man sehr gut mit der sogenannten Jahresdauerlinie darstellen. Dabei handelt es sich um eine sogenannte geordnete Häufigkeitsverteilung, in der die Tage nach ihrer erforderlichen Leistung angeordnet sind, also zuerst die wenigen Tage mit sehr hohem Leistungsbedarf und dann viele Tage mit geringem Leistungsbedarf.
Als Anlage habe ich eine -hoffentlich leichtverständliche- Abschätzung des Leistungsbedarfs für Wärmepumpen bei vollständiger Dekarbonisierung der Gebäudeheizungen beigefügt und komme damit auf eine Größenordnung von ca. 150 GW zuverlässig verfügbare elektrische Leistung (backup-Leistung), die allenfalls an sehr wenigen Tagen im Jahr benötigt wird. Dazu braucht man ca. 300 zusätzliche Gaskraftwerke allein für die Wärmepumpen. Den größten Teil des Jahres stehen die Kraftwerke nutzlos herum, wer soll dann in diese Technik investieren?
Für meine Überlegungen werden lediglich 3 leicht nachvollziehbare Werte benötigt, die zu beheizende Wohnfläche in m², der spez. Heizwärmebedarf in kW/m² sowie die Leistungszahl von Wärmepumpen an den kältesten Tagen, die ich eher großzügig mit 2 angenommen habe. Tatsächlich dürfte sie darunter liegen. Nicht berücksichtigt ist der zusätzliche Wärmebedarf in Nichtwohnbauten, wie Läden, Verwaltungsgebäuden, Schulen etc. Mein Wunsch ist es, den Diskurs damit von der emotionalen Ebene auf eine quantitative zu transformieren.
Einen ähnlichen kurzen Beitrag mit einem anderen Ansatz hatte ich in der „kalten Sonne“ veröffentlicht, der zum gleichen Ergebnis kommt (was aber nun wirklich Zufall ist). Leider musste ich die mittlere Heizleistung der fossil beheizten Wärmeerzeuger abschätzen. Man könnte das dortige Ergebnis wesentlich verbessern, wenn die Leistung aller installierten Wärmeerzeuger bekannt wäre. Das Schornsteinfegerhandwerk erfasst diese Daten, hat sie mir aber leider nicht übermittelt.
Als ehemaliger Professor für Thermodynamik und Energietechnik bin ich natürlich ein Freund der Wärmepumpe, entspricht sie doch voll der deutschen „Geiz ist geil“-Mentalität. Schließlich benötigt man doch nur etwas Strom und bekommt die Umgebungsenergie geschenkt. Bei unseren Strompreisen und der Umstellung auf rein regenerative Stromerzeugung in Deutschland ist diese Technik aber nur sehr begrenzt einsetzbar. Zu diesem Thema werden viele Nebelkerzen in den Mainstreammedien gezündet. Z.B. kam bei Ingo Zamperoni in den Tagesthemen unwidersprochen ein Experte (Lobbyist für Nah- und Fernwärmenetz) zu Wort, der die Situation in Norwegen für uns zum Vorbild erklärte, und damit Äpfel mit Birnen verglich. Norwegen hat bekanntlich nur wenige Einwohner und dank Wasserkraft auch im Winter die Möglichkeit, das Land mit seinen wenigen Einwohnern und geringer Industrieproduktion kostengünstig und zuverlässig mit regenerativ erzeugtem Strom zu versorgen. Diese Möglichkeit haben wir leider nicht.
Ein weiterer Aspekt bei der Umsetzung des Öl- und Gasheizungsverbotes für Bestandsgebäude findet m.E. zu wenig Beachtung. Was soll der Hausbesitzer machen, wenn seine Öl- oder Gasheizung final ausfällt, das Gebäude nicht für Wärmepumpenbetrieb geeignet ist und ein Fernwärmeanschluss nicht vorhanden ist? Biomasseheizungen sind oft auch keine Alternative. Zudem sind sie wegen ihrer Feinstaubemissionen ein Hassobjekt der Deutschen Umwelthilfe. Der Hausbesitzer kann die Anforderungen des Gesetzes schon allein aufgrund des Zeitablaufs nicht erfüllen. Soll er gänzlich aus Heizen verzichten? Ein Ausnahmeantrag -sollte er denn mit viel bürokratischem Aufwand (vlt. Beschäftigungsprogramm für Energieberater?) genehmigt werden- ist auch nicht zielführend, wenn aufgrund der gesetzlichen Vorgaben die Produktion von Öl- und Gaskesseln reduziert oder ganz eingestellt wird. Ich habe gehört, dass Buderus die Ölkesselfertigung ganz eingestellt hat.
Profiteure dieser Politik sind m.E. die Grünenwähler in dicht bebauten Großstadtvierteln, wie Hamburg-Eppendorf oder Eimsbüttel. Deren Immobilien sind meistens an das Fernwärmenetz angeschlossen. Ihre Wärmeversorgung ist deshalb gesichert, die Möglichkeit der Wärmepumpeninstallation wegen der engen Bebauung nicht möglich. Diese Klientel fordert besonders laut die Wärmewende, man sieht dort aber so gut wie keine Wärmepumpen oder Solaranlagen. Wir haben selbst eine ETW in Winterhude und haben mit Freude festgestellt, dass aufgrund der Fernwärmeversorgung die Einstufung in eine günstige Energieeffizienzklasse erfolgt. Ein Gebäude mit vergleichbarem Baustandard in einem Stadtteil mit lockerer Bebauung wie z.B. in Poppenbüttel erfordert dagegen sehr teure Maßnahmen zur Erfüllung der gesetzlichen Auflagen.
M.E. soll hier ein gewaltiger Umverteilungsprozess in Gang gesetzt werden, in durchaus böswilliger Absicht.
Ein Aufbegehren gegen diesen Größenwahn wird immer mit dem Argument abgewiesen, wir müssten unsere Klimaziele einhalten, d.h. weitgehende Dekarbonisierung. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil lässt keine andere Wahl?
Wirklich?
Dem Urteil liegt doch das Pariser Klimaschutzabkommen mit entsprechenden Selbstverpflichtungen der EU und insbesondere Deutschlands zugrunde. Ich bin kein Jurist, aber aus dem Abkommen kann man doch auch aussteigen und so vlt. dieses zerstörerische Urteil aushebeln. Die USA und nach meiner Erinnerung Indien haben es vorgemacht.
Ich bin kein „Klimaleugner“ und halte Gefahren durch die Erderwärmung für möglich oder wahrscheinlich. M.E. sind die Gefahren für unsere Zivilisation durch einen Zusammenbruch der Energieversorgung viel größer. Das unselige Urteil, das die Rechte künftiger Generationen sichern soll, verhindert das gerade, indem die Möglichkeit einer Neubewertung der Situation ausgeschlossen wird. Also weg damit, auf welchem Weg auch immer!
Schon die Konstruktion ist m.E. völlig daneben. Jedem Erdenbürger das gleiche CO2-Kontingent zuzuordnen, ist nicht angemessen. Fritz Vahrenholt hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftsleistung pro Kopf eine vernünftige Bezugsgröße wäre. Ich finde, dass auch die geographischen Besonderheiten berücksichtigt werden müssen. Nach meiner Kenntnis muss man in Nigeria, Pakistan oder Kolumbien nicht unbedingt heizen, der gemeine Mitteleuropäer aber schon. Also neu verhandeln statt Frieren für Afrika!
Außerdem sollte man mit Blick auf die gewaltigen Belastungen für die Bürger eine Volksabstimmung durchführen, ob Deutschland wirklich eine Vorreiterfunktion übernehmen sollte. Deutschland kann mit seinem Anteil von ca. 2% der weltweiten CO2-Emissionen das Klima nicht wesentlich beeinflussen, was jeder halbwegs rationale Mensch einsieht. Glücklicherweise folgt auch kein anderes Land unserem Sonderweg. Man braucht nur mal zu Ende denken, sollten andere Länder sofort unserem Vorbild folgen und voll auf regenerative Energieerzeugung umsteigen. Das wäre ein Desaster für die Menschheit.