In Zeiten, wie diesen, wo alles aus den Fugen zu geraten scheint, ist es heilsam zu erleben, dass es die schönen Dinge noch gibt. Eins davon ist die Wiederaufnahme des Adventskonzerts der Thüringer Landesregierung im Französischen Dom zu Berlin, die gestern Abend stattfand.
Die Eröffnungsrede von Ministerpräsident Ramelow war kurz, aber erfrischend. Statt über politische Probleme oder Haltungsfragen zu referieren, erinnerte er daran, was Thüringen Deutschland und der Welt geschenkt hat. Allen voran die Bibelübersetzung Luthers, die unsere Sprache nachhaltig geprägt hat, Konrad Duden, der als Gymnasialdirektor in Schleiz die Regeln für das spätere Wörterbuch erarbeitete. Durch sein Standardwerk hatte Duden insbesondere bildungsfernen Schichten das Lesen und Schreiben erleichtern wollen.
Vier Weihnachtslieder sind in Thüringen entstanden und von dort in viele Länder gelangt, wie die Weihnachtsbaumkugeln, eine Erfindung einer Glasbläserin aus Lauscha.
Last not least gibt es seit 1608 Gera das Gymnasium Rutheneum, aus dessen Musikspezialklassen ein wunderbarer Chor geformt wurde, der das diesjährige Konzert bestritt.
Schüler ab der 9. Klasse und Schülerinnen ab der 11. Klasse können Mitglied dieses Chores werden, der seit 1994 vom Dirigenten und Komponisten Christian Frank geleitet wird, der seine Sänger zu Höchstleistungen gebracht hat. Nicht umsonst ist der Chor Botschafter der Stadt Gera und tourt durch die ganze Welt.
In Berlin schlug Frankes Sängerschar das Publikum von Anfang an in seinem Bann. Es stimmte alles: Die Einsätze, die Auswahl der Lieder, die souveräne Bewältigung auch der schwierigsten Passagen der kunstvollen Arrangements.
Nach einem Orgelstück von Friedrich Buxtehude verteilten sich die Sänger im Zuschauerraum, um Bachs „Wie soll ich Dich empfangen“ darzubieten. Dann folgten mehrere Lieder bis zu dem anrührenden „Maria durch ein Dornwald ging“ Bis dahin hatte das Publikum still gehalten, aber nach Heinrich Schütts „Tröster, tröstet mein Volk“, gab es den ersten Applaus, der sich nach jeder folgenden Darbietung steigerte.
Der Höhepunkt war das anspruchsvolle „Gloucester Service“ von Herbert Howells, bei den man das Läuten der Weihnachtsglocken heraushören konnte.
Als „Herbei, oh ihr Gläubigen“, begann, war das Publikum aufgefordert, mitzusingen. Text und Melodie waren auf der Rückseite des Programms abgedruckt. Das zögerte erst, aber als ich anfing, mitzusingen, stimmten mit jeder Zeile mehr Zuhörer ein, jedenfalls auf meiner Seite des Saales. Da schien der Geist der Weihnacht über uns zu schweben, nicht niedergebrüllt von „Jingle Bells“.
Am Schluss gab es stürmischen Applaus. Verdient wären eigentlich Stehende Ovationen gewesen, aber das wagten nur Wenige.
Leider verließen die Schüler zügig den Saal, weil auf sie der Bus wartete, der sie zurück nach Gera brachte, wo am nächsten Tag die Schule auf sie wartete.
Im Dezember gibt der Chor noch mehrere Konzerte: Am 2.12. um 17.00 in Nürnberg in der Kirche „Unserer lieben Frau“, am 4.12., 19.00 im Theater Gera und am 11.12., 17.00 in der Johannis-Kirche Gera.
Wer in der Nähe ist, sollte das Ereignis nicht verpassen!