40 Jahre Montagsgebet in Leipzig

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Heute gibt es eine besondere Gedenkfeier in der Leipziger Nikolaikirche: Vor vierzig Jahren fand hier das erste Montagsgebet statt. Ins Leben gerufen wurde es von der evangelischen Jugend von Probstheida unter dem damaligen Jugenddiakon Günter Johannsen.

Als ich heute auf der Autobahn die Meldung in MDR-Kultur hörte, war zwar davon die Rede, dass die Initiative von „einigen Jugendlichen“ ausgegangen war, der Name Johannsen wurde aber nicht genannt. Dafür wurde ein Mitinitiator interviewt, der prompt das Friedensgebet als Gegenstück zu den gegenwärtigen Demonstrationen in Stellung brachte, die angeblich keine Lösungen anbieten würden.

Bieten Gebete Lösungen? Kaum. Das ist auch nicht ihre Aufgabe.

Als Johannsen und seine jugendlichen Mitstreiter die Erlaubnis erstritten hatten, jeden Montag diese Gebete durchführen zu dürfen, hatten sie sich gegen den Gemeindekirchenrat unter Leitung von Pfarrer Christian Führer, der anfangs sehr skeptisch war, durchgesetzt. Eine wirkliche Hilfe waren in dieser Auseinandersetzung der damalige Stadtjugendpfarrer Claus-Jürgen Wizisla und der Superintendent Friedrich Magirius.

Die Rolle dieser beiden Männer ist der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.

Für die meisten Medien gilt Christian Führer als Initiator dieser Gebete, die im Herbst 1989 zur Quelle des Sturzes des SED-Regimes wurden. Johannsen selbst war da schon lange nicht mehr in Leipzig, denn er war von der Kirche ins Brandenburgische versetzt worden.

Wer die wahre Geschichte wissen will, greife zu Johannsens Buch, das er erst geschrieben hat, als immer mehr Akteure behaupteten, die eigentlichen Montagsgebetserfinder zu sein.

Johannsens Buch enthält aber noch viel mehr interessante Schlaglichter auf den DDR-Alltag.

Spannend ist die Geschichte, wie er als 18-jähriger in Auerbachs Keller von einem Stasi-Spitzel dazu verleitet wurde zu äußern, er würde zum Widerstand gegen die bevorstehende Sprengung der Paulinerkirche, die von Staatschef Walter Ulbricht persönlich angeordnet worden war, aufrufen. Noch am gleichen Abend wurde er auf dem Heimweg von der Staatsicherheit verhaftet, verschwand für vier Tage von der Bildfläche und tauchte vor Gericht wieder auf, wo er von einer Kirchenanwältin so gut verteidigt wurde, dass die erste Instanz auf Freispruch plädierte.

Dieses Urteil wurde von der Staatsanwaltschaft erfolgreich angefochten. Johannsen sollte für vier Monate ins Gefängnis. Hier wurde der Jugendliche in eine Zelle mit Kriminellen gesperrt. Er fand aber Schutz bei dem einzigen anderen politischen Gefangenen. Er wurde dann nach ein paar Wochen entlassen, denn seine Anwältin hatte Revision beim Obersten Gericht beantragt und Recht bekommen.

Interessant ist auch, wie Johannsen in dieser atheistischen Gesellschaft zu Gott fand und Kraft und Vertrauen in seinem Glauben findet.

Für manchen orientierungslosen Jugendlichen könnte das Buch eine große Hilfe sein.

Günter Johannsen:

Als das Rote Meer grüne Welle hatte – Von der Nikolaikirche in die Freiheit

 

 

 

 

 



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