Die Malediven repräsentierten „The sunny site of Life“, heißt es in den Werbungen für Touristen. Tatsächlich ist das tropische Land im Indischen Ozean, das 26 ringförmige Atolle umfasst, die aus mehr als 1.000 Koralleninseln bestehen ein Anziehungspunkt für Reisende aus aller Welt. Wer Strandurlaub liebt, ist hier richtig. Das türkise Wasser, die blauen Lagunen und ausgedehnten Riffe sind etwas Besonderes.
Der Weg hier her ist allerdings beschwerlich, wenn man aus Europa kommt, selbst wenn man sich einen Businessflug gönnt. Sechseinhalb Stunden von Frankfurt nach Dubai, dann noch einmal mehr als vier Stunden nach Malé, der 1964 gegründeten Hauptstadt, die seit wenigen Jahren mit der Flugplatzinsel durch eine enorme Brücke verbunden ist.
Der Flughafen von Dubai lässt selbst den Frankfurter provinziell erscheinen. Die Emirates-Lounge ist so weitläufig, dass man sich leicht verirren kann. Sie befindet sich oberhalb der gewaltigen Shopping-Mall, in der die Zugänge zu den Gates fast verschwinden. Wer Lust hat, kann eine der Brücken betreten und das lebhafte Gewimmel unten beobachten. In der Lounge gibt es nicht einen, sondern mehrere Food Courts, die nach Themen gegliedert sind: Europäisch, Asiatisch, Arabisch, Amerikanisches Fast Food. Wer hier logiert, gehört zu den Besserverdienenden. Gekleidet sind die meisten aber in diesem fürchterlichen Touristen-Look, der aus der Altkleidersammlung zu stammen scheint. Mein Sohn, der sich besser auskennt als ich, korrigiert mich. Es handele sich um teure Marken-Shirts und ebensolche Hosen. Eleganz ist jedenfalls nachhaltig aus der Welt verschwunden und mit ihr die Schönheit. Nur einige wenige Asiatinnen halten noch dagegen.
Als wir morgens auf dem maledivischen Flughafen landeten, erstaunte mich die pure Anzahl der Europäer und Amerikaner, die sich am Schalter für ein Arbeitsvisum anstellten. Allein mit unserm Flug waren etwas dreißig gekommen.
Die Überfahrt zur größten Urlaubsinsel Kuramathi war dann recht bewegt. Das Boot war klein, die Wellen hoch, für anderthalb Stunden fuhren wir wie auf einer Achterbahn mit zahlreichen harten Aufschlägen und einer Gischt, die jede Sicht versperrte. Zum Glück saßen wir in der ersten Reihe, so dass wir nur hörten, wie sich die Reisegefährten übergaben.
Wie wir später erfuhren, herrschte ein für die Jahreszeit eher kühles (28°C) und stürmisches Wetter. Das begleitete uns in der ersten Woche. Zu meinem Glück, denn als an einem Tag die Sonne am fast wolkenlosen Himmel schien, merkte ich sofort, dass ich nicht für die Tropen gemacht bin.
Kuramathi ist eine Postkartenidylle, immer noch, denn obwohl inzwischen die ganze Insel dicht mit Bungalows verschiedener Größe, Restaurants, Bars, plus der nötigen Infrastruktur bebaut ist, hat man kein Gefühl der Überfüllung. Bis auf die erste Baureihe, mit vier Räumen mit separater Terrasse, steht jedes Haus für sich allein. Dazwischen die üppige tropische Vegetation, die auch alle technischen Einrichtungen verdeckt. Die Luft ist gesättigt vom Duft tropischer Blüten. Von jedem Fenster aus hat man einen Blick auf den Ozean oder die Lagune.
Als mein Sohn vor elf Jahren das erste Mal hier war, war mehr als die Hälfte der Insel noch unbebaut. Man konnte einen Strandspaziergang um die ganze Insel machen. Inzwischen ist das nicht mehr möglich, denn die letzten Bungalows und Restaurants wurden auf Pfählen ins Meer gebaut. Mein Sohn hat die Insel mit einem Kreuzfahrtschiff verglichen und das trifft zu. Man kann, bis auf Exkursionen zum Tauchen oder Schnorcheln nichts machen, außer am Strand zu liegen und das Nichtstun genießen. Gegliedert ist der Tag durch Frühstück, Mittagessen und Abendbrot in einem der drei Buffett-Restaurants. „Full board“ heißt die niedrigste Kategorie, bei der ein (hervorragendes!) Angebot an Speisen zur Verfügung steht.
Kaffee und Tee sind frei, alle anderen Getränke muss man bezahlen.
Wer „all inclusive“ gebucht hat darf auch in den anderen Restaurants essen, allerdings haben sich da die Regeln geändert. Nur noch eine Vorspeise, ein Hauptgericht und ein Dessert sind frei, bei den alkoholischen Getränken muss man die Hälfte zuzahlen. Als das vor Jahren eingeführt wurde, konnte man noch fünf Vorspeisen, drei Hauptgerichte und vier Desserts in sich reinstopfen und das Ganze mit jeder Menge Wein oder Cocktails runterspülen. Das ist vorbei. Für Full-Border, die ein Restaurant besuchen, sind die Preise astronomisch. Sie entsprechen denen von Berliner Sternerestaurants. Allerdings brauchen sie diesen Vergleich, was die Qualität der Speisen betrifft, nicht zu scheuen.
Wer sich verwöhnen lassen will, kann den hervorragenden Spa besuchen. Allerdings ist es viel günstiger, Behandlungen vorher zu buchen. Auch wenn es die teuersten Anwendungen waren, die ich bisher hatte, bereue ich keine einzige, denn sie waren hervorragend. Wenn man dann am Schluss mit Blick auf die Lagune ruht, hat man keine Wünsche mehr.
Ein besonderes Highlight ist der Infinity-Pool. Hier kann man richtig schwimmen, denn er ist fast fünfzig Meter lang und meistens leer. Man kann sich einbilden, im Ozean zu sein, ist aber sicher vor den armlangen Schwarmhaien und anderen Überraschungen. Nach dem Schwimmen noch die Aussicht genießen, besonders bei Sonnenuntergang, ist eine Belohnung, auch ohne „Sunddowner“. Im offenen Meer zu schwimmen, wage ich nicht. Es gibt auch größere Haie, die sollen aber harmlos sein. Eher wird man von einer Kokosnuss erschlagen, als von einem Hai angegriffen, heißt es im Eco-Center, das es hier auch gibt.
Dort ist allerdings das Skelett eines 5 Meter langen Hais ausgestellt mit vollständigem messerscharfen Gebiss. In den anderen Vitrinen kann man Fauna und Flora des Atolls kennenlernen.
Auch sonst wird etwas für die Bildung der Besucher getan. Es gibt einen Naturpfad im ursprünglich belassenen Teil in der Mitte der Insel und einen „Botanic Walk“, bei dem man die essbaren und medizinisch bedeutenden Pflanzen der Insel kennenlernt. Ein Pfad ist den zahlreichen Einsiedlerkrebsen gewidmet, die ihre Häuser auf der Insel spazieren führen. Wenn man nachts ins Gestrüpp leuchtet, wimmelt es von Krabben. Am Ufer lassen sich die Fischreiher bewundern, die oft stundenlang nicht den Platz wechseln. Zum Glück hat man viele hundertjährige Bäume stehen gelassen. Nachts werden sie stimmungsvoll beleuchtet, ein wirklich zauberhafter Anblick.
Die spektakulären Sonnenuntergänge betrachtet man am besten auf der Sandbank im Westen der Insel, auch die Sterne sind hier gut zu sehen, weil es fast urtümlich dunkel ist.
Die ganze Insel ist ein Hotel, das von 800 Mitarbeitern am Laufen gehalten wird. Wer hier arbeiten kann, darf sich glücklich schätzen, denn die Malediven sind ein bitterarmes Land. Die Mitarbeiter sind unermüdlich tätig, fegen die Wege, füllen die vom Regen ausgewaschenen Schlaglöcher, schlagen die reifen Kokosnüsse von den Palmen. In jedem Haus liegen Karten mit der Aufforderung, Mängel zu melden. Als ich im Spa aus Versehen meinen Badeanzug in die Wäschetonne geschmissen hatte, wurde der prompt am nächsten Tag in meinen Bungalow geliefert. Die Rezeption ist rund um die Uhr besetzt, arbeitet effizient und hochprofessionell.
Die Insel hat eine eigene Bäckerei, wo Brote, Brötchen und herrliche Kuchen hergestellt werden. In der Gärtnerei werden auf Hydrokultur der Salat, die Kräuter und die Tomaten gezogen, die erntefrisch aufs Buffett
Kommen. Das Wasser, das aus den Hähnen kommt, wird nach israelischem Vorbild aus dem Meer gewonnen.
Die Häuser werden zweimal am Tag geputzt und mit frischem Trinkwasser versehen. Der benötigte Strom wird auf der Insel aus Diesel hergestellt.
Die Maledivis sind von einer natürlichen Freundlichkeit. Man kommt leicht ins Gespräch, auch wenn das mit Händen und Füßen geführt wird. „Wo kommen Sie her? Aus Germany?“ „Ja, aus Berlin“. „Ist Berlin eine Stadt?“ Im indischen Ozean ist die Perspektive eine andere.
Kinder lieben sie besonders. Meine Enkel wurden ständig beschenkt, mit aus Palmenblättern gebastelten Vögeln oder Würfeln, mit handgefertigten Fischen aus Stoff, oder mit schönen Blüten. Ich wünschte, meine Miturlauber wären ähnlich freigiebig dem Personal gegenüber.
Die Gäste kommen aus Europa. Amerika und Asien. Auch Russen sind da, erkennbar an ihren schönen Frauen und Tischsitten, die noch schlechter sind, als die der anderen Europäer.
Bei der Ankunft wurden wir eingewiesen und schriftlich gebeten, gewisse Mindeststandards einzuhalten, was die Kleidung betrifft, weil man sich in einem muslimischen Land befände. Besonders sollten die Gäste nicht im Badeanzug zum Essen erscheinen. Taten sie auch nicht, aber einige Taucher waren der Meinung, dass ihre Neoprenanzüge keine Badebekleidung seien. Sie legten nur ihre Schwimmflossen ab. Etliche Damen verstanden auch nicht, was Schultern bedecken, heißt. Die Ignoranz vieler Westler ist einfach peinlich.
Wenn ich morgens auf dem Weg zum Frühstück die jungen Frauen sah, die aus dem Wohnblock für Angestellte kamen, um auf ihre Arbeitsplätze zu gehen, alle ohne Kopftuch, eine sogar mit langen, offenen Haaren, fragte ich mich, wie sie sich kleiden, wenn sie zu Hause sind. Und welche Wirkung hat der tägliche Umgang mit Westlern auf die jungen Männer?
Unter den Angestellten sind auch Briten und andere Europäer. Manche sind schon Jahre hier. Sie wohnen mit ihren Kollegen im Angestellten-Block. Ob sie dort ein eigenes Zimmer haben, war nicht zu erfahren. Es gibt auch einige wenige strandferne Häuser für höhere Angestellte. Ob die den Komfort der Touristenunterkünfte haben, ist fraglich.
Kuramathi ist keine Insel für Singles. Hier sind Familien, oft mit ganz kleinen Kindern, in der Mehrzahl. Ich staune etwas, denn der Urlaub hier ist nicht ganz billig. Aber erholsam, denn man muss sich um nichts kümmern. Sogar eine exzellente Kinderbetreuung steht zur Verfügung, um den Eltern ein paar ruhige Stunden zu verschaffen.
Nach und nach stellte ich fest, dass es viele Gäste gibt, die mehrmals herkommen. Auch darauf hat sich Kuramathi eingestellt und für Wiederholungstäter gibt es nette kostenlose Extras.
Es waren die ruhigsten und erholsamsten Tage meines Erwachsenenlebens. Ein Teil von mir sitzt immer noch auf der Schaukel vor meinem Haus und schaut auf die Lagune.
Das Bild ist mit Wehmut verbunden, denn ich werde, da ich nicht für die Tropen geschaffen bin, nicht zu den Rückkehrern gehören.
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