Von Gastautor Michael Wolski
… so schrieb Wilhelm von Humboldt schon vor 200 Jahren. Wir sollten uns wieder an diese Weisheit erinnern.
Anfang des Jahres 2019 gab es in Berlin zwei Blackouts. Ein Gebiet im Stadtteil Köpenick war mehrere Tage vom Stromnetz getrennt, ein Krankenhaus musste evakuiert werden, Notunterkünfte wurden geschaffen.
Ein zweiter Blackout ließ den Fernsehturm und einige Wohnblocks am Alexanderplatz verdunkeln.
Nun hat BILD am 2.12.2019 diesem Thema einen ausführlichen Artikel gewidmet. Das bedeutet, dass der Tag eines großflächigen, langandauernden Stromausfalls wohl recht bald erwartet wird. Denn das Thema ist ja wegen seiner „Angstmache“ nicht so wohlgelitten in den Medien.
Die Überschrift bei BILD: “Mögliche Panik bei Stromausfall – GroKo bereitet sich auf Mega-Blackout vor.”
Der Beitrag schließt wie folgt:
“Welch verheerende Folgen ein Stromausfall haben kann, zeigt das Beispiel New York! Dort fiel vom 13. bis 14. Juli 1977 der Strom aus. Neun Millionen Menschen saßen plötzlich im Dunkeln! In den ärmeren Vierteln plünderten marodierende Banden mehr als 1600 Geschäfte und legten mehr als 1000 Brände. Die öffentliche Ordnung brach in Teilen der Stadt zusammen.”
Gabor Steingart schreibt dazu am 3.12. in seinem Morning-Briefing:
Bei dem heute beginnenden NATO-Gipfel in London geht es auch um die Kriegsführung der Zukunft, also die Furcht vor einem Angriff aus dem Netz. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wies bereits auf die große Gefahr durch solche Attacken für die Energieversorgung, den Finanzsektor und demokratische Institutionen hin.
Solche Angriffe kann man auch hybrid ausführen: Zunächst gibt es einen Terroranschlag, dann legt man die Kommunikationsinfrastruktur lahm. Es gibt dann keine Hilfe – und das erzeugt das größte Chaos, das man sich vorstellen kann.
Diese Blackouts innerhalb kurzer Zeit im vergangenen Winter in Berlin sowie die angespannte Lage am Strommarkt im Juni 2019
nahm offenbar das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zum Anlass, seinen Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen zu überarbeiten.
Jetzt liegt er, erweitert auf 66 Seiten und mit einem zusätzlichen Einleger „Meine persönliche Checkliste“ vor. Er kann beim BBK kostenlos bestellt werden, was ich unbedingt empfehle.
Bevor ich auf diese Check-Liste näher eingehe, möchte ich aus persönlichem Erleben in Russland in den Jahren 1991-1997 und in Bosnien 2006-2012 einige Informationen zu Krisensituationen vorausschicken. Beides Länder, die aus deutscher Sicht nicht zu den Industrieländern gehören.
In beiden Ländern war die Bevölkerung aufgrund schwerer Versorgungsengpässe in der Zeit des Sozialismus und der Wende 1986-1991 (Gorbatschows Reformen und Putschversuch) bzw. des Bürgerkriegs in Bosnien (1992-1995) auf Krisensituationen eingestellt (Energie-und Trinkwassermangel, fehlende Lebensmittel und Medikamente, hohe Straßenkriminalität, ausbleibende Gehalts- und Rentenzahlungen). Allerdings wusste man auch 2006-2012 in Bosnien noch, wie man sich zu bevorraten hatte, und verfügte über Netzwerke. Wie im Deutschland der Nachkriegszeit ab 1945 entwickelte man in beiden Ländern Erfahrungen im Warentausch – wie und wo man beispielsweise eine Flasche Schnaps oder Schachtel Zigaretten gegen Brot und Butter tauscht. Weise Leute hatten deshalb immer Schnaps und Zigaretten zu Hause vorrätig – als Tauschmittel.
Im saturierten Deutschland von heute ist das nicht der Fall. Frage ich jüngere Menschen, wie viel Trinkwasser und Trockenprodukte sie zu Hause haben, um im Fall der Fälle die ersten Tage zu überleben, ernte ich ein mildes Lächeln. Na, wenn es nicht reicht, gehe ich einkaufen. Bargeld? Da geh ich zum Geldautomaten! Und ich zahle ja meistens mit der EC-Karte. Außerdem habe ich immer paar Pizza im Gefrierfach.
Ich habe sowohl in Russland als auch in Bosnien mehrmals Stromausfälle miterlebt – die stundenweise, tageweise oder bis zu einer Woche andauerten. Die Produkte, die im Tiefkühlfach lagen, mussten dann schnellstens gegessen werden. Trinkwasser? Hatte ich immer für mehrere Tage gebunkert, denn das Wasser in der Leitung fließt bei großflächigem Stromausfall nicht mehr.
Aber wie war das mit dem Einkaufen?
Fällt der Strom aus, arbeiten auch die Tankstellen nicht, da das Benzin elektrisch gepumpt wird. Aktuell haben in Berlin weniger als 10% der Tankstellen ein Notstromaggregat und könnten so auch ohne Strom aus dem Netz Benzin verkaufen. Diese Tankstellen dürften im Notfall Polizei, Rettungsdiensten und Behörden vorbehalten sein. Somit konnten auch beispielsweise in Bosnien nach einem Stromausfall aufgrund vereister Leitungen und 2 m Neuschnee die Supermärkte nicht beliefert werden. Wasser, Brot, Reis, Nudeln etc. waren dann sofort ausverkauft. Karten-Terminals zum Bezahlen funktionieren auch nicht. Überall Schilder: Zahlungen nur mit Bargeld. In Sarajevo dachte ich sofort an die vielen, überwiegend jungen Menschen in Deutschland, die im Supermarkt die Cola und ein belegtes Brötchen mit Karte bezahlen und keine 5 Euro bar in der Tasche haben.
Natürlich gab es auch kein Geld aus dem Automaten, auch die Banken hatten geschlossen, denn auch dort wurde das Geld aus Automaten bereitgestellt.
Hinzu kam, dass der Nahverkehr zusammenbrach, viele Leute nicht zur Arbeit kamen und Krankenhäuser und Arztpraxen nur sehr eingeschränkt arbeiteten. Für Kriminelle eine optimale Situation. Alarmanlagen waren außer Betrieb, Überfälle auf der Straße (einschließlich Fahrzeug-Raub) häuften sich. Erste Fälle von Selbstjustiz wurden bekannt. Die Behörden riefen die Bevölkerung auf, zu Hause zu bleiben. Alte, Kranke und Kinder waren die ersten Opfer in diesem Chaos. Falschinformationen wurden in Windeseile weitergegeben und heizten das Chaos an.
Auch in Russland und Bosnien waren die Behörden nach wenigen Tagen in der Lage, Trinkwasser und Benzin direkt aus Tankwagen zu liefern. Dort hatte fast jeder Einwohner mehrere Kanister für Benzin oder Trinkwasser griffbereit – und heute in Deutschland? Vielleicht noch auf dem Land.
Und wenn das alles im Winter passiert und nach einigen Tagen in der Wohnung nur noch 10 Grad sind – was dann? Ich hatte in Bosnien meinen Ski-Anzug als Hausanzug getragen. Die Temperatur im Zimmer war dort 7 Grad, draußen waren es -15 Grad.
Doch nun zur Broschüre und dem Einleger.
Die Broschüre erinnert den Wohlstandsbürger an naturgegebene Fakten. Gleich auf Seite 1 heißt es: „Der Mensch kann nur 4 Tage ohne Flüssigkeit auskommen“. Wobei das schon eine sehr optimistische Aussage ist, denn der Tod durch verdursten kann schon nach 2-3 Tagen eintreten bzw. es können schwerste Nierenschädigungen auftreten. Eine Kiste Trinkwasser zu Hause entscheidet dann, ob man überlebt.
Die Broschüre beschreibt alle möglichen Vorkommnisse und wie man vorbeugen kann bzw. was man in dieser Lage zu tun oder unterlassen hat. Auch wird aufgelistet, was in eine Dokumentenmappe gehört und was als Notgepäck mitzunehmen ist. Für Eigenheimbesitzer wird erklärt, wie man das Haus sichert. Eine umfangreiche Checkliste erinnert an alle notwendigen Einkäufe und Bevorratungen.
Diese Einkäufe müssen Sie aber JETZT tätigen und nicht auf die lange Bank schieben und dann vergessen. Denn wenn eine Krise eintritt (egal ob Naturkatastrophe, Unfall oder Terrorakt) – DANACH ist immer zu spät. Zu den Einkäufen gehört auch ein Campingkocher mit Reserve-Gaskartuschen.
Die Broschüre erklärt auch, wie man sich bei und nach Unwettern zu verhalten hat und wie man – ohne Elektroenergie und nicht aufgeladenem Handy – trotzdem den Kontakt zu staatlichen Informationen bekommt.
Abschließend wird eine Internetseite für Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren vorgestellt, damit sie für Risiken, Unwetter und mögliches Chaos altersgerecht mit Geschichten sensibilisiert werden.
www.max-und-flocke-helferland.de
Im Ratgeber gibt es eine herausnehmbare persönliche Checkliste. So können sie mit dieser Liste einkaufen gehen oder über einen Lieferservice Ihre Bestellungen aufgeben. Dabei gehen die Autoren von einem Grundvorrat von 10 Tagen für eine Person aus. Multiplizieren Sie diese Angaben mit der Anzahl ihrer Familienmitglieder und legen Sie los.
Und denken Sie dran: Die Gefriertruhe ist nicht zu befüllen. Sie kaufen: Konserven (Obst, Gemüse, Fleisch) und Trockenprodukte (Reis, Mehl, Nudeln, Milchpulver, Kekse, Schokolade, Nüsse), sowie Trinkwasser in Glasflaschen (kein PET, wegen des Ionenaustauschs) und als billiges Brauchwasser zum Waschen Wasser in PET-Flaschen.
Für den Toilettengang wird auf Seite 13 die Anschaffung einer Campingtoilette empfohlen. Alternativ müssten Sie genug Brauchwasser vorrätig haben, um es in den Spülkasten zu kippen.
Hinzu kommt, dass auch das Abwasser gepumpt wird (in einigen Hochhäusern wird der Stuhlgang im Abfluss des Toilettenbeckens elektrisch zerkleinert) sodass nach einiger Zeit das Abwasser zurückdrängt in den Keller bzw. in die Wohnung.
Eine einfache Lösung für die Nutzung für bis zu zwei Wochen ist: Sie kaufen im Baumarkt mehrere Malereimer mit Deckel und 2 Sack Katzenstreu. Den Eimer stellen Sie zur Verrichtung der Notdurft in das WC. Nach jedem Stuhlgang kommt eine Schippe Katzenstreu drauf, dann der Deckel und Sie lagern den Eimer auf dem Balkon (so vorhanden) oder im Keller – bis die Müllabfuhr wieder funktioniert.