Elternrecht als Bedrohung der Demokratie

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Von Gastautor Josef Hueber

Zur Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung “Ene, mene, muh – und raus bist du! Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik

“Wir wollen die Lufthoheit über den Kinderbetten erobern”
(Olaf Scholz, SPD)


DIE SCHULE DER DDR TRÄGT FRÜCHTE

In ihrem Buch Ich wollte frei sein erfahren wir von Vera Lengsfeld, dass es eine übliche Praxis der Staatssicherheit der DDR war, einen Keil in Familien zu treiben, um sie zu „zersetzen“ und damit den politisch vielleicht widerstandsfähigsten Kern der Gesellschaft unschädlich zu machen. Ein bekannter Rechtsanwalt, so Lengsfeld, hatte den Ruf, darauf spezialisiert zu sein, Kinder von ihren Müttern zu trennen, und damit den Familien einen Todesstoß zu versetzen. So sollte Opposition gegenüber der Herrschaft der politischen Nomenklatura kleingepresst werden.
Die Zeiten haben sich geändert, die Methoden undemokratischer Machtausübung erscheinen, den Zeitumständen entsprechend, in anderem Gewand. Die Verlockungen der Macht und ihre Wirkung auf die politische Elite sowie ihre Absichten jedoch nicht. Ein Blick auf die Methoden ideologischer Verunglimpfung politisch Andersdenkender in Deutschland, wie sich dies gegenwärtig immer deutlicher abzeichnet, ist erschreckend. Auch deswegen, weil diese Methoden subtiler und unter dem Anspruch humanitärer Gesinnung daherkommen, in Wirklichkeit jedoch alles andere als von Toleranz und demokratischer Gesinnung geprägt sind.

ENE, MENE, MUH – DAS POLITISCHE MANIFEST PÄDAGOGISCH-IDEOLOGISCHEN MACHTANSPRUCHS
Um diese unverkennbare Strömung zu identifizieren, sei als Beispiel ein Blick auf eine Broschüre gelenkt, deren Absicht hehr erscheinen soll, in Wirklichkeit jedoch Ausgrenzung und Diffamierung ist. Sie zielt ab auf die Abschaffung des Naturrechts der Eltern, ihre Kinder nach ihren Überzeugungen zu erziehen und so für ein Leben in freier Verantwortung zu befähigen. Stattdessen präsentiert sie den Helikopterstaat mit dessen angemaßter Besserwisserei und erzieherischer Gängelung, wofür es nicht nur ein historisches Vorbild gibt, was aber im Gewand einer humanitären Erziehung auftritt.
Worum handelt es sich? Die Broschüre trägt den Titel Ene, mene, muh – und raus bist du! Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik, herausgegeben von der Amadeu Antonio Stiftung, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. 56 Seiten, 44 Anmerkungen.

DAS GELEITWORT DER MINISTERIN ALS NAVIGATIONSHILFE
Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, konstatiert in ihrem Geleitwort eine Spaltung der deutschen Gesellschaft, was sie synonym als Polarisierung bezeichnet. Es gibt zwei Kategorien von Menschen unter uns. Da sind die, welche „viel Unterstützung für geflüchtete Menschen“ aufbringen, und solche, die „ein neues Ausmaß an menschenverachtendem Verhalten“ zeigen. Einen dritte Gruppe gibt es nicht. Die Bedrohung durch die zweite Gruppe kommt von den nicht regierungskonformen „Populist[en]“, den Polarisierern und Verursachern der Spaltung unserer Gesellschaft. Zum Verständnis der dahinterstehenden Diffamierung ist es nötig, die historisch zu verortende Synonymik ähnlicher Begriffe ins Gedächtnis zu rufen. Beschuldigte man nicht schon einmal eine Minorität, eine spaltende, polarisierende Wirkung zu haben, und nannte man sie damals nicht „Spaltpilz“ ?

KLEINKINDER GELTEN ALS RASSIMUS- MULTIPLIKATOREN
Die Bedrohung durch Polarisierung und Spaltung wird laut dieser Schrift als omnipräsent unterstellt, beginnend schon in den Kindertagesstätten. Wir lesen in der Amadeu Antonio Broschüre, was offensichtlich als typisch angesehen werden soll : „Kinder schnappen rassistische Bemerkungen oder antisemitische Einstellungen auf und geben sie weiter.“
Wenn, was ja vorkommen mag, derartige Bemerkungen daheim zur Sprache kommen, so führe das zu einer für die Eltern ratlosen Situation, aus der nur noch staatliche „Experten“ einen Weg heraus wissen. Die nötige Reife dazu haben Eltern in den Augen des Helikopter-Staates nicht. Deswegen ist zu unterstellen, dass sie sich an das Demokratie-Fachpersonal wenden. Sie „kommen damit auf die Erzieherinnen und Erzieher zu.“ Sie glauben nämlich nicht, so der Subtext, dass sie dies alleine mit ihrer elterlichen Autorität bewältigen können.

DIE DEMOKRATIELEISTUNG DER „EXPERTEN“
Was ist von den „Erziehungsexperten“ zu leisten? Es kommt darauf an, „die frühkindliche Bildung demokratisch zu gestalten“, denn als „Erwachsene sollten sie möglichst immun sein gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, religiös oder politisch motivierte Gewalt.“ Klingt zunächst gut. Wer möchte schon zu „Menschenfeindlichkeit“ und „Gewalt“ erziehen?
Deswegen wird nichts Geringeres als „vorurteilsbewusste Bildung für die Jüngsten der Gesellschaft“ postuliert. Klingt auch gut, kann aber von Papa und Mama alleine nicht geleistet werden. Oder darf?
Dass mit „vorurteilsfrei“ alles, was heute als „rechts“ definiert wird, als vorurteilsbeladen und diskriminierend zu vermitteln ist, versteht sich von selbst.

GENDER-IDEOLOGIE MUSS SEIN
Der ideologische Baukasten ist damit noch nicht vollständig gefüllt. Was wäre Befähigung zum mündigen Demokraten ohne die Beseitigung der Vorurteile über Geschlechter, wie etwa die längst überholte Annahme der menschlichen Zweigeschlechtigkeit, wie sie etwa, aber nicht nur, die Eltern mit christlicher Prägung vermitteln wollen?
Hier zeichnet sich ein grundsätzlicher Konflikt ab zwischen den eigentlich nicht weiter zu rechtfertigenden Vorstellungen von Eltern und staatlich vollzogener Indoktrination. „Demokratie und Vielfalt“ , so erfahren wir, seien ein wesentliches Projekt in der Kindertagesbetreuung. Wie trostreich: „Fachkräfte kümmern sich um die Kinder“ lässt die Ministerin wissen. Also schon mal eine große Last von den Eltern genommen!

NEUTRALITÄT? KEIN REZEPT GEGEN POPULISMUS
Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung,
variiert den ständig hörbaren Anti-Rechts Generalbass: „Während bei dieser [=früheren] Handreichung noch die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in Kindertagesstätten im Vordergrund stand, stehen Kitas und Schulen mittlerweile im Zentrum der politischen Auseinandersetzung durch Rechtspopulist*innen.“ Die häufig geforderte „Neutralität“, so der Antonio-Mann, kann „keine Lösung sein“. Wichtig sei vor allem das „Recht auf eigene Meinung“ und eine „demokratische Kultur […] gegen Ausgrenzung im Kitaalltag.“

DIE FREIE MEINUNG – ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT
Ene, mene, muh (Die Lektüre ist unbedingt allen jungen Eltern zu empfehlen!) deren Überschriften im einzelnen hier nicht dargestellt werden können, ist eine offene Kampferklärung gegen konservatives Denken und genau das, was angeblich als Ziel demokratischer Erziehung gelten soll: das Recht auf eine „eigene Meinung“.

FALLBEISPIELE ALS HERBEIKONSTRUIERTE WIRKLICHKEIT
Wie sehr die Broschüre eine ideologisch erwünschte Realität aufbaut, soll an drei Beispielen verdeutlicht werden. Unter der Überschrift
„Fallanalysen und Handlungsmöglichkeiten in der Praxis“ werden folgende Situationen als typisch herbeikonstruiert:

Fallbeispiel 1:
„Sie arbeiten als Erzieher*in in einer Kita. Sie erleben im Morgenkreis, dass ein 5-jähriges Kind sich weigert, ein anderes Kind im Kreis anzufassen. Das Kind »begründet« dies mit der Aussage: »Ich mag keine Asylantenkinder«.”

Abgesehen von der Konstruiertheit des Falles, ( der ja in einer Beratungsbroschüre keinen Sinn macht, wenn er nicht als typisch gelten kann) wird nun ein Rat gegeben, der in seiner Banalität wohl jedem Erzieher seit wer-weiß-nicht-wann offensichtlich auf der Hand liegt:
„In dem konkreten Fall kann es zum Beispiel sehr sinnvoll sein, wenn Sie sich als Erzieher*in unmittelbar an die Seite des Kindes setzen, es an die Hand nehmen und den Kreis schließen.“
Wer hätte an sowas gedacht!

Fallbeispiel 2:
„In einer Kindertagesstätte fällt ein Kind dadurch auf, dass es Hakenkreuze und Runen zeichnet und dies auf Nachfrage rechtfertigt (»Das gibt es bei uns zu Hause. Meine Eltern finden das gut.« »Meine Mama sagt, das Kreuz ist etwas Gutes!«). Gleichzeitig verweigert es, mit Kindern zu spielen, die eine dunklere Hautfarbe oder eine Beeinträchtigung haben. Zudem spielt es sehr gern Krieg und ist gegenüber anderen Kindern aggressiv und gewalttätig.“

Die Expertenberatung:
„Betrachtet man diesen Fall, so deutet sich an, dass es sich hier um eine primäre Sozialisation in einem rechtsextremen Kontext handeln kann. Pädagogisch ist es notwendig, mit dem Kind verständlich und altersgerecht darüber zu reden, wofür dieses Symbol steht und was daran problematisch ist. So kann beschrieben werden, wie zum Beispiel eine entsprechende Gesellschaft aussieht.“

Also: dem Kind klarmachen, dass 6 Millionen Juden durch das NS-Regime hingerichtet oder vergast wurden. Nicht vergessen: Die meisten Deutschen verschlossen die Augen davor, weil sie Angst hatten oder damit einverstanden waren. So sah nämlich die „entsprechende Gesellschaft“ aus. Nachfrage: Schließt sich der Besuch eines KZs mit den Kleinen zum besseren Verständnis der Greueltaten an?

Es geht freilich auch einfacher:
„Die »Versteckspiel«-Broschüre informiert über Symbole, Codes und Lifestyle von Neonazis und extrem Rechten in Bildern und kurzen Texten. Auf jugendkulturelle Codes wird ebenso ausführlich eingegangen wie auf Zahlenkombinationen, mit denen strafrechtlich relevante Begriffe, Grußformeln oder Organisationszeichen verschlüsselt werden.“
Man vergesse nicht: Es geht um die Betreuung von Kleinkindern!

Falbeispiel 3:
»Kinder aus völkischen Elternhäusern«
„In einer Kita fallen zwei Geschwister auf, die besonders zurückhaltend sind und wenig von zu Hause, z.B. vom Wochenende, erzählen. So verhalten sie sich im Morgenkreis zum Wochenbeginn schweigsam und passiv. Gleichzeitig gibt es keine sogenannten Disziplinprobleme, diese Kinder scheinen besonders ‚gut zu spuren‘.“

Na, wenn da die Eltern bloß keine Neonazis sind! Ein paar Zeilen weiter bestätigt sich der Verdacht:
„Im Fallbeispiel gibt es Hinweise darauf, dass die Kinder in einem rechtsextremen völkischen Elternhaus aufwachsen.“

Beratung:
„In der konkreten Situation [schweigsam, keine Disziplinprobleme, spuren gut] ist es hilfreich, die Eltern zum persönlichen Gespräch in die Kita einzuladen.“

IDEOLOGIE IN REINFORM ZUM SCHLUSS
Und jetzt lassen wir, bairisch gesprochen, die „Sau raus“:
„Es sollte deutlich gemacht werden, inwiefern autoritäre und geschlechterstereotype Erziehungsstile die vielfältigen Möglichkeiten von Kindern einschränken und Entwicklungen erschweren.“

Aha: Keine Puppen für Anna, keine Wasserpistole und kein Spielzeugpanzer für Johannes! Weil sie schon bald selbst, unbeeinflusst von den Eltern, entscheiden müssen, ob sie Mädchen, Junge oder beides oder nichts dergleichen sein wollen.

„Für das Engagement aller an der Broschüre Beteiligten möchte ich mich herzlich bedanken“ schließt die Bundesministerin.

DANK FÜR EINE OHRFEIGE?
Wofür wird gedankt? Die Broschüre ist eine Ohrfeige für alle Eltern, die natürlicherweise beanspruchen, die erste Instanz bei der Erziehung ihrer Kinder zu sein und auch das Recht einfordern, ein konservatives, geschlechterspezifisch eindeutiges Menschenbild zu vermitteln.
Die Art und Weise der Übernahme dieses Vorrechts durch staatsideologische Ideologisierung der Hilflosesten bei gleichzeitiger Vorgabe von Erziehung zu Demokratie ist von Grund auf verlogen und verwerflich.



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