Unter diesem eigenwilligen Titel legt der Historiker, Journalist und Investor Rainer Zitelmann seine Autobiographie vor, in der er die interessanten, lehrreichen und anregenden Erfahrungen seines sechzigjährigen Lebens zusammenfasst.
Autobiographien stehen nicht besonders hoch im Kurs. Sie gelten als langweilig, wenn sie nicht skandalträchtige Enthüllungen enthalten.
Davon kann bei Zitelmann keine Rede sein. Er beschränkt sich darauf, wie Leopold von Ranke es von Historikern gefordert hat, zu berichten, „wie es eigentlich gewesen ist“. Wie sich herausstellt, ist das spannend genug.
Zitelmann, dem Selbstzweifel fremd sind, bekennt gleich im Vorwort, dass er sein Leben als ungewöhnlich spannend empfindet. Wer sein Buch gelesen hat, weiß, dass er Recht hat.
Ungewöhnlich ist schon die frühe Neigung des hoch begabten Kindes zur Politik. Schon als 8-Jähriger studiert Zitelmann das Grundgesetz und korrespondiert mit keinem Geringern als Willy Brandt. Sein Kinderzimmer ist ein Büro. Er liest, kaum dass er Lesen gelernt hat, „Spiegel“ und „Frankfurter Rundschau“. Er hat das Glück, Eltern und offensichtlich auch Lehrer zu haben, die keine Angst vor seiner Hochbegabung hatten, sondern ihn förderten.
Mit 11 Jahren startete Zitelmann sein erstes Zeitungsprojekt, über Astronomie. Es folgten mehrere Schülerzeitschriften. Die waren von Anfang an ziemlich professionell hergestellt, weil Zitelmann unter linksradikalen Buchhändlern Sponsoren gewann. Er brachte dabei das Kunststück fertig, von den Vertretern rivalisierender Gruppen Zuwendungen zu erhalten.
Mit 13 gründete Zitelmann eine Rote Zelle an seiner Schule. Er überzeugte genügend Schüler, mitzumachen. Man traf sich jede Woche, es gab Schulungen über die Schriften von Mao und Kämpfe gegen die anderen kommunistischen Gruppierungen.
Für eine ehemalige DDR-Bürgerin ist es erstaunlich zu lesen, wie links, ja kommunistisch die Gesinnung in westdeutschen Schulen war. Lehrer halfen sogar nach dem Unterricht, linksradikale Schriften zu drucken.
Was man in der DDR gezwungenermaßen absolvieren musste, sich kommunistisch indoktrinieren zu lassen, und folglich nicht wirklich ernst nahm, schienen westdeutsche Schüler gläubig zu inhalieren. Mir scheint, wir haben es heute nicht so sehr mit einer DDR light zu tun, sondern mit der aufgegangenen Saat, die kommunismushörige Linke in den 70er Jahren in der BRD gelegt haben. Da hatten sie zwar die Zerschlagung des Versuchs, einen Sozialismus mit menschlichem Gesicht zu schaffen, erlebt, was aber keinen abschreckenden Effekt hatte.
Zitelmann war allerdings schon in jungen Jahren ein zu unabhängiger Denker, um allzu lange in kommunistischen Dogmen zu verharren.
Er wurde zu einem entschiedenen Gegner des Totalitarismus. Das brachte ihn in Schwierigkeiten, bis hin zu einem Brandanschlag auf sein Auto.
Der Höhepunkt seiner journalistischen Karriere war der Posten des Chefs der „Geistigen Welt“, eines Blattes mit dem Ruf, „rechts“ oder „bürgerlich“ zu sein, das aber schon in den 90er Jahren überwiegend linke Mitarbeiter beschäftigte, bis hin zu einem ehemaligen Journalisten des „Neuen Deutschland“.
Zitelmann startete seine Amtsantritt mit einem Paukenschlag: Er veröffentlichte einen ganzseitigen Artikel „Wenn Herrschaftsfreie herrschen“. Darin hieß es schon in der Einleitung: „in der Folge der Kulturrevolution von 1968 kam es zu einer Verschiebung des politischen Koordinatensystems. Die einstigen Tabubrecher haben neue Tabus aufgerichtet. Denkverbote behindern die freie Diskussion. Der linke Konformismus hat zu einem Pluralismus-Verständnis geführt, das rechte und konservative Positionen ausgrenzt.“
Wer so denkt, konnte nicht Chef der „Geistigen Welt“ bleiben, nicht weil die Analyse falsch, sondern weil sie zutreffend war. Heute sind wir mehrere Schritte weiter. Alle Positionen außer der linken sind „nazi“. Wer konservativ ist, wird nicht bloß ausgegrenzt, sondern stigmatisiert. Mehr noch, was „nazi“ oder „rechts“ ist, wird nicht mehr selbst, sondern fremdbestimmt. Zwar haben wir noch Meinungsfreiheit auf dem Papier, aber wer sich die Freiheit nimmt, sie auszuüben, muss mit Sanktionen rechnen.
Die Sanktionen für Zitelmann waren, dass er in den Immobilienteil der „Welt“ abgeschoben wurde. Er nutzte es umgehend, um sich neue berufliche Felder zu erschließen. Er wurde zu einem wirklichen Immobilienexperten.
Noch später ermöglichte ihm dieses Expertenwissen den Absprung in die freie Wirtschaft.
Ein Freund hatte ihm gesagt, ein unabhängiger Denker wie er, müsse auch materiell unabhängig sein. Zitelmann nahm sich das zu Herzen und wurde reich.
Wie man reich werden und bleiben kann, darüber hat er sogar Bücher geschrieben und seine zweite Doktorarbeit verfasst, die aus Interviews mit Reichen entstand.
Aber abgesehen davon, ob seine diesbezüglichen Ratschläge tatsächlich zielführend sind, kann man einiges von Zitelmann lernen: Die Achtung vor jeder professionell ausgeübten Tätigkeit. Als Promovierter und gestandener Journalist ist Zitelmann am Beginn seiner Karriere auf dem freien Markt bei einem Versicherungsvertreter mit 10.-Klassen-Abschluß in die Lehre gegangen, um Verkaufen zu lernen.
Und dass es nie zu spät ist, etwas Neues anzufangen, dafür steht das Beispiel seiner Mutter: Die hat mit 70 Jahren noch eine bestimmte Maltechnik erlernt, die sie mit Mitte 80 noch unterrichtete.
Zitelmanns Buch ist also für jung und alt anregend und ermutigend.