Ronda – 29 km von Gibraltar

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Diesmal sollte es Andalusien sein, Südspanien, von dem ich viel gehört, aber wenig verstanden habe. Die Reise drohte schon beim Anflug auf Málaga ungewöhnlich zu werden. Monatelang hatte es nicht geregnet, jetzt fielen Sturzbäche vom Himmel. Unser Flugzeug kreiste länger als eine halbe Stunde über dem Flugplatz, wobei wir in den Wolken kräftig durchgeschüttelt wurden, ehe die Erlaubnis erteilt wurde, landen zu dürfen.

Die Fahrt von Málaga nach Ronda, unserer ersten Station, fand zum Teil unter Starkregen statt, mit dem die andalusischen Autofahrer offenbar schwer umgehen können. Zwei Unfälle passierten wir auf einer Strecke von dreißig Kilometern. Als wir endlich in Ronda ankamen, war es schon dunkel und verlassen, weil ein Gewitter die Bewohner von der Straße fernhielt – nur ein paar unentwegte Touristen waren unterwegs.

Am anderen Morgen war alles anders. Der Himmel blau, mit ein paar Schäfchenwolken.

Wir starteten unsere Tour am größten Stadtpark, genannt Park des Abgrunds, weil am anderen Ende der 800-Meter-Promenade ein kunstvoller schmiedeeiserner Zaun vor einem Absturz in 200 Meter Tiefe schützte. Ronda steht auf einer hohen Felsformation. Altstadt und Neustadt sind durch einen Abgrund getrennt, den der Fluss Río Guadalevín in Jahrtausenden ausgehöhlt hat. Man muss besser schwindelfrei sein, wenn man dicht an das Gitter tritt. Leider verhüllte ein leuchtend weißer Morgennebel die Sicht auf das Gebirge am Horizont.

Um von der Neustadt aus dem 16. Jahrhundert in die maurisch geprägte Altstadt zu kommen, muss man an der Stierkampfarena vorbei. Vor dem Eingangstor steht eine lebensgroße Stierplastik, liebevoll von lila Blumen umrahmt. Während in anderen Teilen Spaniens der Stierkampf bereits verboten ist, halten die Andalusier daran fest. Die Stiere sind eine besondere Rasse mit einem eigenwilligen Charakter. Sie leben frei, bis sie im Alter von fünf Jahren ihren ersten und letzten Kampf antreten müssen. Noch heute werden in Spanien in 2.000 Kämpfen etwa 12.000 Stiere getötet. Nicht immer endet der Kampf für den Stier tödlich. Wenn der Torero einen Stier besonders tapfer oder elegant findet, kann er das Publikum fragen, ob er ihn leben lassen darf. Stimmen die Zuschauer zu, sind alle glücklich, weil der Stier, der ein schönes Gehege bekommt, dort bis zu seinem Ende leben darf. Wenn Begnadigung so glücklich macht, fragt sich, warum sie so selten praktiziert wird.

Stierkampf war ursprünglich ein Adelsprivileg und fand zu Pferde statt. Ronda brachte den Mann hervor, der den Adeligen dieses Privileg abspenstig machte, indem er den Kampf zu Fuß erfand und populär machte. Die Stadt ehrt Pedro Romero, geboren 1754, dafür mit einer Plastik im Park des Abgrunds. Romero soll über 5.000 Stiere getötet haben, starb aber mit 85 Jahren allein in seinem Bett – ohne Stier.

Die beiden Stadtteile werden heute durch eine spektakuläre Brücke verbunden, die neunzig Meter hoch ist. In der Mitte befindet sich ein Raum mit Balkon, in dem der Architekt gewohnt hat, solange er in Ronda weilte. Dann wurde er zum Gefängnis für besonders bekannte Bandoleros umgewandelt, die ab dem 14. Jahrhundert jahrzehntelang die Gegend unsicher machten. Angeblich plünderten sie die Reichen aus, um ihre Beute an die Armen zu verteilen. Heute übernimmt die Politik dieses Geschäft.

Die Altstadt ist maurisch geprägt, aber von den Arabern, die 700 Jahre hier lebten, ist eigentlich nichts geblieben, außer den Resten der Arabischen Bäder an der Arabischen Brücke, die weiter unten im Tal den Fluss überquert. Zum Glück haben sich die Reconquistatoren und ihre Nachfolger die arabische Kunst des Fliesenmachens angeeignet. Bis heute zieren wunderschöne Kacheln die Häuser – an den Wänden, in den Eingängen, sogar statt Ziegeln auf den Dächern. Die Kathedrale von Ronda steht auf besonders historischem Boden. Sie ist auf den Resten der Moschee gebaut, die über 700 Jahre hier stand, die wiederum entstand auf den Trümmern der alten westgotischen Kirche, die wiederum auf den Trümmern eines römischen Tempels gebaut wurde, der auf einem keltischen Heiligtum errichtet wurde. Vermutlich war dieser Platz auch vor den Kelten schon als heilig verehrt, denn die Besiedlung dieser Gegend reicht mindestens 18.000 Jahre zurück. Davon zeugt eine zwei Kilometer lange Höhle, zwanzig Kilometer von der Stadt entfernt, mit Höhlenmalereien, hauptsächlich Tieren.

Heute lebt die Stadt vor allem vom Tourismus, ist aber hauptsächlich Ziel von Tagesausflügen. Ein halber Tag ist definitiv zu wenig, um alles, was Ronda zu bieten hat, zu erleben. Mindestens drei Tage sollte man bleiben. Rings um Ronda gibt es noch die spektakulären Weißen Dörfer, die zum Teil in Felsen gehauen sind.

Rainer Maria Rilke war auch hier. Er wollte in Ronda „recht spanisch“ leben. Das gelang ihm zwar nicht, aber man kann heute auf Rilkes Spuren durch die Stadt wandern. Das werde ich beim nächsten Mal bestimmt tun.



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