Von Angelika Barbe
1989 brachten DDR-Bürger den Mut auf, für Freiheit und Recht auf die Straße zu gehen, trotz der Angst, von der SED verhaftet oder erschossen zu werden. Und als das geschafft war, entstanden überall im Land Bürgerkomitees und Runde Tische. Ich glaube, im Westen ist bis heute nicht klar, welches Ausmaß das hatte! Überall war Bewegung: Arbeiter gründeten Gewerkschaften, Eltern demokratisierten Schulen, Studenten die Unis, Bürgerkomitees die Verwaltung – kaum ein Bereich, in dem sich Bürger nicht einmischten. Bürgerkomitees lösten sogar die Stasi auf, weil Übergangs-DDR-Chef Modrow es verhindern wollte und das „Schild und Schwert“ der Partei nur in AfNS (Amt für Nationale Sicherheit) umbenannte.
Es wurde nicht nur Politik demokratisiert, sondern eine komplette Gesellschaft. Wenn das so ist, warum werden Ostdeutsche dann für politisch rückständig erklärt? Würde die Friedliche Revolution tatsächlich als die großartige demokratische Leistung anerkannt, die sie ist, wären jährliche Jubiläumsreden nicht nur Lippenbekenntnisse. Man hätte Respekt vor Ostdeutschland und würde es nicht behandeln wie ein politisches Entwicklungsland – vor allem, weil sich dort Wähler mehrheitlich für die von „Geburtsbegnadeten“ ausgegrenzte AfD entscheiden.
Wir Ostdeutschen haben den „Glücksfall“ der Deutschen Einheit mit großem Mut erkämpft und uns vom Joch der kommunistischen Gewaltherrschaft selbst befreien müssen. Niemand der Diktaturverschonten kann ermessen, was es bedeutete, Angst vor den SED-Verbrechern zu überwinden, dabei Familie, Existenz und Leben zu riskieren und trotz Verbots auf die Straße zu gehen oder eine neue Partei zu gründen. Das alles geschah gewaltlos und führte zur einzigen erfolgreichen gewaltfreien deutschen Revolution. Sogar Jürgen Habermas erkannte das an, indem er uns bescheinigte, „in den besten Traditionen deutscher Politik und Geschichte zu stehen“. Und Historiker Prof. Jesse würdigte diese Leistung mit folgender Analyse:
„Nationalsozialisten wurden von innen gestützt, von außen gestürzt. Die SED wurde von außen gestützt, aber von innen gestürzt.“
Am 18. März 1990 konnten DDR-Bürger endlich nach 40-jähriger SED-Diktatur erst- und einmalig bei freien Wahlen, die sie selbst erstritten hatten, ihre Stimme an neu gegründete Parteien – aber auch an die umbenannte SED/PDS und alte Blockflötenparteien, die sich mit Westparteien zur „Allianz für Deutschland“ zusammengetan hatten – abgeben. Das Wahlergebnis zeigte, dass 84 % für deutsche Einheit, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat gestimmt hatten, 16 % immerhin noch für den alten sozialistischen Einheitsbrei und seine Profiteure.
Inzwischen sind 35 Jahre verstrichen, und die Bürger – vor allem in ostdeutschen Gefilden – haben das ungute Gefühl, erneut für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat auf die Straße gehen zu müssen. Wie in der Corona-Zeit, als ihnen der übergriffige Merkel-Staat alle Grundrechte raubte und nur widerwillig zurückgab, um sie gleich während der Ampelherrschaft wieder massiv einzuschränken.
Wie kam es dazu, dass eine Herrscherklique sich nach und nach häutete und kein freier Schmetterling, sondern ein hässliches Monster herauskroch?
Die Beschwörungsformel des linksintellektuellen Spießertums lautet seit 35 Jahren flehentlich, doch bloß die SED/Linke nicht „auszugrenzen“. Die SZ verlangte – bereits nach der letzten Thüringen-Wahl 2020 – das „alte Nichtberührungsgebot“ müsse fallen. Das Land brauche Parteien, die „mutig Abschied nehmen von Befindlichkeiten der Vergangenheit“, und deshalb müsse die CDU umdenken und mit der SED koalieren. Der Name sollte getreu orwellschem Neusprech als „Projektregierung“ getarnt werden. Altministerpräsident Dieter Althaus wollte damit in Thüringen eine Rot-Front-Regierung anbahnen. Skrupel kannte die ehemalige Blockflöte, die der SED bis 1989 zu Diensten war, nicht. Die abgewählte Koalition der Wahlverlierer wollte unbedingt eine Minderheitsregierung unter Ramelows Führung und buhlte um die CDU als Mehrheitsbeschaffer.
Gauck rief im ZDF die CDU sogar auf, „Regierungshandeln nicht zu verhindern“, sie solle „irgendwelche Wege finden, einer Minderheitsregierung zum Regieren zu verhelfen“.
Alternativ zu Ramelows abgewähltem Linksblock gab es zwar die bürgerliche Mehrheit von AfD, CDU und FDP mit 48 Mandaten. Diese Mehrheit sollte sich nicht selbst fesseln, sondern eine „überparteiliche Konzeptregierung“ unter einem „seriösen“ MP mit „glaubwürdigen“ Ministern bilden, die endlich Probleme lösen und damit in die Geschichte eingehen könnten.
Nach Merkels Südafrika-Putsch wurde der bereits gewählte Kemmerich (FDP) von der eigenen Partei nach einem Tag gestürzt, denn Stimmen von der AfD verbat sich Herr Lindner. Heute bereut die FDP diesen politischen Selbstmord, der zum Parlamentstod führte.
Bei „Befindlichkeiten der Vergangenheit“ handelt es sich um nichts Geringeres als 270.000 unschuldig SED-Inhaftierte, mehr als 1.000 Grenztote, 500.000 Kinderheimkinder, Zwangsausgesiedelte, verfolgte Schüler u. a., für die eine „rechtsidentische SED“ und ihre Nomenklaturkader – Gysi, Holter, Lötzsch, Pau, Bartsch, Sitte – sowie Thüringer Alt-SED-Genossen wie Keller, Blechschmidt, Lukasch, Korschewsky, Lukin, Stange, Kalich und Werner verantwortlich sind.
Eines dieser „Befindlichkeiten“ der SED-Stasi starb gerade am 4. März, 91-jährig in Gera. Mit gerade einmal 19 Jahren wurde Günther Rehbein im August 1952 in der DDR von Mitarbeitern der Staatssicherheit verhaftet. Er war kein politischer Mensch, sondern arbeitete als Maler. Nach einem Besuch in West-Berlin, der ihm die deutlich bessere Versorgungslage zeigte, äußerte er gegenüber Arbeitskollegen in Gera seinen Unmut über die schlechte Versorgung der Bürger in der DDR. Grund genug, dass ein sowjetisches Militärtribunal ihn in Chemnitz am 13.11.1952 wegen Spionage, antisowjetischer Hetze und Diversion zu 25 Jahren Arbeits- und Besserungslager verurteilte. Drei Jahre litt Günther Rehbein unschuldig im Lager Nr. 10 in Workuta/Sibirien. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus bedeutete seine Rehabilitierung durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation im Juni 1995 für ihn große Genugtuung, denn das Dokument bewies, dass er zu Unrecht verurteilt worden war.
Warum soll das nach dem Ermessen geschichtsvergessener Journalisten und Politiker keine Rolle mehr spielen? Statt die unter dem Tarnnamen „Linke“ agierende SED zu ächten, wird sie von sämtlichen Altparteien demokratisch lackiert, obwohl sie in ihrem Programm „Systemüberwindung“ fordert, wie Journalist Schwennicke bei Phoenix aufklärte.
Dazu fällt dem Normalbürger mit durchschnittlichem Erinnerungsvermögen nur ein, dass es sich dabei um hochgradige Vergesslichkeit Diktaturverschonter handeln muss. Wo wird der SED/Linken denn mit einem „Nichtberührungsgebot“ begegnet? Mitglieder dieser Partei sitzen in den Parlamenten, Arbeitsämtern und bei der Post, sind bei der Bahn gut untergekommen und bei der Polizei. Wir treffen diejenigen, die ein 17-Millionen-Volk 40 Jahre hinter Mauer und Stacheldraht gefangen hielten, und ihre Nachfolger in Ministerien, Sozial- und Finanzämtern, im Berliner Senat, in kassenärztlichen Vereinigungen, sogar in Schulen und Universitäten. Dort bekleiden sie lukrative Posten, auf die sie sich vielfach wieder einklagen konnten – dank einer versagenden, westlich sozialisierten Richterschaft. Schließlich kann man denjenigen leicht vergeben, die einem nichts angetan haben – wie Oberlandesgerichtspräsident Rudolf Wassermann feststellte.
Nach Recherchen der Financial Times sollen 17.000 frühere Beschäftigte des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit trotz Prüfungen im öffentlichen Dienst ostdeutscher Landesverwaltungen verblieben sein.
Ramelow – der Westkommunist
Ramelow, Ministerpräsident seit 2014 (davon vier Jahre ohne Legitimation), stellte den SED-Schießbefehl in den letzten Jahren mehrfach infrage – gemeinsam mit Manuela Schwesig (SPD). Er sieht die DDR nicht als Unrechtsstaat, ist aber nach Ansicht der Zeit kein „Rand“ am politischen Spektrum, sondern „staatstragend“. Aha. Rechtsbrüche wie verhinderte Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber sind dagegen vernachlässigenswert, wenn die SED unter neuem Namen an der Macht ist oder war – in Berlin, Thüringen, Brandenburg.
Dieser Ramelow, der sich als unlegitimierter König in Thüringen halten konnte, weil er zugesagte Wahlen nicht durchführte, ließ sich von der CDU tolerieren und trug in der Corona-Zeit sämtliche Grundrechtsbrüche der Merkel- und Ampel-Regierungen mit. Dafür erhielt er mit seiner Abwahl die berechtigte Quittung, sitzt aber nun im neuen Bundestag.
Die Umschreibung von SED-Politfunktionären mit dem Begriff „Altlasten“ verniedlicht, was treffender als „Zeitbomben“ zu bezeichnen ist.
Stasi-Spitzel Gysi
Schauen wir uns die nächste „Altlast“ an: Gysi, der seit 30 Jahren im Deutschen Bundestag von „sozialer Sicherheit zu DDR-Zeiten“ faseln darf, ohne ausgepfiffen zu werden. Sozial gesichert waren in der DDR – als Gysi an entscheidender Stelle noch ein entscheidendes Wörtchen mitzureden hatte – vor allem die SED-Genossen. Andersdenkende darbten jahrelang in kommunistischen Verliesen. Ihre Angehörigen litten unter Sippenhaft, wurden ihrer Existenzen und Freiheit beraubt, enteignet, beruflich behindert und benachteiligt. Sie alle müssen bis heute mit Almosen vorliebnehmen. Von einer angemessenen Opferentschädigung, die ihnen im Einigungsvertrag zugesagt wurde, können sie nur träumen, obwohl sie für Freiheit und Demokratie mit ihrer SED-Ablehnung Vorleistungen erbracht haben.
Herr Gysi durfte völlig ungestraft Zivilcourage und Widerstand gegen die SED-Diktatur diffamieren und bezeichnete Bürgerrechtler wie Wolf Biermann als „politisch wirr“. Aber wo Stasi-Spitzel laut Immunitätsausschuss des Bundestages draufsteht, ist auch ein übler Stasi-Spitzel drin.
Gysi drohte seinerzeit Bärbel Bohley mit Unterlassungsklagen, um die Wahrheit über seine verschwiegene Spitzel-Vergangenheit zu unterdrücken.
Noch im Dezember 1989, auf dem Verschleierungsparteitag der SED, hatte er versprochen:
- die Verbrechen aufzuklären,
- die Schuldigen zu bestrafen,
- die Opfer zu entschädigen.
Davon ist bis heute nichts eingelöst. Stattdessen inszenierte die SED 1994 einen Hungerstreik. Sie sollten 67 Mio. DM Steuerschulden für Vermögensverkäufe aus dem ersten Halbjahr 1990 zahlen. Sie beteuerten, „vor dem Ruin zu stehen, wenn sie diese Summe zahlen müssen“. Bärbel Bohley kommentierte die SED-Farce: „Um ihr zusammengeklautes Parteivermögen zu verteidigen, ist der SED jedes Mittel recht – und das nur für Parteiinteressen.“
Die „rechtsidentische SED“ will für den DDR-Unrechtsstaat nicht verantwortlich sein
Gysi verkündete 2014 vor den Thüringer Landtagswahlen, ein Staat, der kein Rechtsstaat sei, sei deshalb nicht Unrechtsstaat. Schließlich hätte er zugeben müssen, als Rechtsanwalt in der Unrechts-DDR ein Unrechtsanwalt gewesen zu sein.
Am 5.11.2019 gestand er zwar kleinlaut im Deutschlandradio Kultur ein, dass der Staatssozialismus gescheitert sei – aber nur, um gleich danach großspurig zu fordern, der demokratische Sozialismus müsse erst noch seine Chance bekommen. Gesine Lötzsch, 2012 Partei-Chefin, forderte „1.000 Wege zum Kommunismus“. Niemals geben Kommunisten ihre Machtansprüche auf.
In alten Zeiten, als das Nachdenken noch geholfen hat und das Vergessen noch nicht an der Tagesordnung war, wären die „Zeitbomben“ Gysi und Genossen rechtzeitig entschärft worden. Stattdessen ticken sie unerbittlich bis zum Eintritt des Unheils – das schleichende Unterwanderung bzw. Machtergreifung heißt und als „Entzauberung“ von den Medien verharmlost wurde.
Die SED ist vergleichbar mit einer Taschenlampe: Sie blendet, ohne viel Licht zu verbreiten – vor allem die SPD. Nach zahlreichen Geheimtreffen der „Altsozis-West“ und „Altlasten-Ost“ kam es zur feindlichen Amtsübernahme durch die SED in den Problemzonen Dunkeldeutschlands – in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Thüringen. Sie verstecken sich erfolgreich unter dem Tarnnamen „Linke“ – mit Geburtshilfe der SPD, versteht sich.
Erst haben Sozialdemokraten ihr Wort gebrochen, dann brachen sie der eigenen Partei das Genick – durch Koalitionen mit der SED/Linke und den Verrat an der Arbeiterschicht, von der sich Salonbolschewisten wie Esken, Klingbeil, Faeser und Schulze angewidert abwenden. Nach dem Geschmack machtversessener Sozis haben sich diese unheiligen Allianzen im gesamten Deutschland ausgebreitet wie ein Geschwür. Mit der Parole „Erst linke Mehrheit, dann linke Regierung“, die einst Ehrhard Eppler ausrief, ist die SPD zur Unkenntlichkeit geschrumpft. Als vor 35 Jahren ein Wittenberger Pfarrer gebetsmühlenartig von „versöhnen, statt spalten“ schorlemmerte, sollte der historische Verrat der SPD verdrängt werden.
„Den echten Sozialismus gab’s bisher noch nicht“ – mit diesem Tweet verriet Saskia Esken, heutige Parteivorsitzende, ihre Grundhaltung: Der Sozialismus ist gut, muss nur richtig gemacht werden. Grotesk nach mehr als 100 Millionen Toten, die auf das Konto des Sozialismus gehen. Bereits 2018 nahm Esken den Sozialismus in Schutz: „Wer Sozialismus negativ verwendet, hat halt einfach keine Ahnung. So.“
Die ewigen Linken versuchen mit ideologischer Verbissenheit, Gleichheit zu verordnen – und damit Glück zu erzwingen. Alle Ideologien ziehen das Kollektiv dem Wohl des Einzelnen vor. Als wären die schlimmen Jahre des Nationalsozialismus und des real existierenden Sozialismus nie gewesen, kalauerte SPD-Generalsekretär und heutiger Parteiveteran Kevin Kühnert unverbesserlich: „Ohne Kollektivierung ist die Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar.“
Alex Dorow analysiert: „Sozialismus und Kommunismus sind ruchlose und menschenfeindliche Ideologien, Zwangsjacken für jeden freien Geist und jeden, der innovativ denkt und lebt – von daher menschenverachtende Ideen von Haus aus. Sozialismus widerstrebt menschlicher Natur. Und insofern muss jeder neue Versuch, ihn zu installieren, in menschlichen Katastrophen enden. So einfach ist das leider, Frau Esken…“
Und heute?
Die verlogenen SED/Linken waren bis heute – dem 35. Jahrestag der ersten freien Wahlen in der DDR – nicht bereit, die Konstituierung des neuen Bundestags bei der Bundestagspräsidentin einzufordern, wozu sie von der AfD aufgefordert wurden. Dies hätte als Drittelmehrheit aller Abgeordneten von Frau Bas laut GG Artikel 39 gewährt werden müssen. Schließlich hatte das BVerfG selbst diesen Weg vorgeschlagen. So wäre eine GG-Änderung des alten Bundestages rechtsstaatlich verhindert worden.
Wer sich auf Sozialisten verlässt, ist verlassen und wird von ihnen verraten.
Wer Mauern errichtet und auf Flüchtlinge schießen lässt, dann Brandmauern aufstellt und den Wählerwillen mit Füßen tritt, ist Totengräber des einst freien Deutschlands.