Magdeburg, am 16. Januar 2025

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Wer weiß noch, dass Magdeburg vor dem Dreißigjährigen Krieg die schönste Stadt Europas gewesen sein soll? Da sie aber nach einer Rede Martin Luthers 1524 „Über die wahre und falsche Gerechtigkeit“ protestantisch wurde, hat der von Kaiser Maximilian angeworbene Feldherr Johann Graf von Tilly, ein überzeugter Kämpfer für die katholische Sache, diese Schönheit zerstört. Der Mann, dem eine tiefe Marienfrömmigkeit nachgesagt wurde, belagerte und brandschatzte die Stadt Magdeburg 1631. Nur jeder sechste der damals 30.000 Bewohner soll überlebt haben. Die Johanniskirche, eine protestantische „Denkschmiede“, wurde damals zum ersten Mal ruiniert, zum zweiten Mal am 16. Januar 1945, als Magdeburg von alliierten Bombern in Schutt und Asche gelegt wurde. An dieses Ereignis erinnert die Stadt alljährlich mit einem Konzert, das wegen des großen Andrangs mindestens einmal wiederholt werden muss.

In diesem Jahr wurde neben den Opfern des Bombenterrors auf dem Alten Markt auch an die Opfer des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt, bei dem sechs Menschen zu Tode kamen und etwa 300 verletzt wurden, gedacht. Bundespräsident Steinmeier war anwesend, gedachte der Opfer und dankte den Helfern. Vor allem mahnte er, dass Magdeburg eine „weltoffene Stadt“ bleiben solle, „Hass und Gewalt“ dürften nicht „das letzte Wort haben“. Kein Wort dazu, welche politischen Fehlentscheidungen den Anschlag begünstigt haben. Steinmeier ist offensichtlich nicht der Meinung, dass die seit 2015 stattfindende unkontrollierte Einwanderung beendet werden muss. Vor 2015 brauchten die Weihnachtsmärkte nicht mit Merkelpollern, Taschenkontrollen und Sicherheitspersonal geschützt zu werden. Kein Wort über das offensichtliche Totalversagen der Behörden, die an die hundert Hinweise unbeachtet ließen, dass es sich bei dem Attentäter um eine tickende Zeitbombe handeln könnte. Nach fast vier Wochen wird immer noch untersucht, aber zu befürchten ist, dass Ergebnisse auf sich warten lassen werden.

Dagegen ist die Propaganda, die das Gemetzel mit einem Auto, das ungebremst an die hundert Meter durch die Menschenmenge fahren konnte, „einordnen“ soll, im vollen Gange. Der Täter darf auf Biegen und Brechen kein Islamist sein, ein Linker, als den er sich in einem seiner vielen Posts selbst bezeichnet, auch nicht. Man hat das Gefühl, Heerscharen von „Faktencheckern“ sind eifrig damit beschäftigt, verräterische Äußerungen des Mörders als „aus dem Kontext“ gerissen darzustellen und umzuinterpretieren, was er eigentlich gemeint hat. Er soll sich positiv zu Alice Weidel geäußert und mit der AfD sympathisiert haben. Das soll in die Köpfe der Bevölkerung gehämmert werden. Warum ein angeblicher Islamhasser mit dem von Islamisten bevorzugten Tötungsinstrument Auto in eine Menge Atheisten, Christen und sicher auch AfD-Anhänger gefahren ist, statt z. B. in eine der Sieges-Demonstrationen von Syrern oder Anti-Israel-Kundgebungen von Pro-Palästinensern, soll gar nicht erst gestellt werden. In Magdeburg gab es so etwas nicht? Aber in vielen anderen Städten. Der Mörder war ja nicht aus Magdeburg, hatte also freie Wahl.

Am widerlichsten aber waren die Versuche von aktivistischen Gruppen, den Magdeburgern Pöbeleien gegenüber Migranten zu unterstellen. Zwar gab es bei der Polizei keinerlei Hinweise, dass so etwas stattgefunden hat, aber es wurde neben dem MDR auch von einigen anderen Medien verbreitet, ohne dass hier gecheckt worden wäre, ob die Behauptungen der steuergeldfinanzierten Lobby-Gruppen stimmen. Neben dem Schock über die vielen Toten und Verletzten mussten die Magdeburger auch noch diese Verleumdung verkraften. Falls jemand von Steinmeier erwartet hätte, die Stadt vor diesen Unterstellungen in Schutz zu nehmen, wartete er vergeblich.

Mit welchen Samthandschuhen Behörden inzwischen mit migrantischen Tätern umgehen, zeigt ein Fall aus Hannover mit aller wünschenswerten Deutlichkeit. Dort wurde im Oktober ein Stadtbahnfahrer von sieben „Jugendlichen“ aus seiner Fahrerkabine gezerrt und so misshandelt, dass er heute noch krankgeschrieben ist. Erst letzten Montag wurden Bilder der Täter, die aus den Überwachungskameras der Bahn stammten, veröffentlicht. Innerhalb weniger Stunden meldeten sich sechs Täter, der siebte wurde nach den Vernehmungen auch identifiziert. Alle sind umgehend wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die Polizei entschuldigte sich in ihrer Pressemitteilung dafür, die Videos eingesetzt zu haben. Solch eine Fahndung mit Fotos sei eines der letzten Mittel, da sie einen starken Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstelle. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die „Persönlichkeitsrechte“ von Tätern werden als höher bewertet als eine schnelle Aufklärung von Verbrechen. Die Persönlichkeitsrechte von Rollator-Fahrern, die als „rechts“ bezeichnet werden und deren Prozesse offensichtlich trotz aller Bemühungen ins Leere zu laufen scheinen, bleiben dagegen unberücksichtigt. Die Rechtsstaatlichkeit ist inzwischen in Deutschland in einer gewaltigen Schieflage, die unbedingt korrigiert werden muss.

Ich war einen Tag vor Steinmeier in Magdeburg. Zu DDR-Zeiten machte die Stadt einen überaus deprimierenden Eindruck auf mich. Jetzt staunte ich schon, als ich aus dem Bahnhof kam, über die gewaltigen Veränderungen. Die jüngeren Bauten sind mit hochwertigen Materialien gebaut, fügen sich ins Stadtbild ein und unterscheiden sich wohltuend von denen, die in den 90er Jahren entstanden. Die restaurierten Stalinbauten strahlen eine gewisse Vornehmheit aus. Die Straßen sind sauber. Man scheint alles, was aus den Trümmern heil geborgen werden konnte, integriert und damit einen Rest alter Schönheit bewahrt zu haben. Die Johanniskirche steht äußerlich wieder da, als wäre sie nie weg gewesen. Nur im Inneren sieht man kaum noch etwas von der alten Pracht. Dafür sind die Kirchenfenster spektakulär durch den Maler Max Uhlig hergerichtet worden. Auf den Chorfenstern ranken sich schwarze Weinreben, im Kontrast dazu feuerrote, erd-, gelbe und grüne Töne auf der Südseite. Die Fenster sind wahrhaft „ein epochales Kunstwerk von Zerstörung und Neuanfang“.
Vor dem geschlossenen Kirchenportal haben die Magdeburger ihre eigene Gedenkstätte an die Opfer errichtet. Steinmeier soll auch einen Kranz niedergelegt und sich ins Kondolenzbuch der Stadt eingetragen haben. Die Namen der sechs Toten scheint er nicht genannt zu haben. An der Mauer sehe ich einen kleinen Engel und denke sofort an André, der nur neun Jahre alt werden durfte. Eines Tages werden uns die Kinder fragen, wie das alles kommen konnte.

 



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