Bobby, come Back!

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Von Hans Hofmann-Reinecke

Vor zwei Wochen verstarb Kris Kristofferson. Er hinterlässt nicht nur  acht Kinder sondern einen Korb voller Lieder aus einer Zeit, in der die Liebe und die Lust am Leben wichtiger waren, als Klima und Gender. Einer seiner Songs ist diesem Thema gewidmet.

Den Mississippi abwärts

Die Geschichte ist schnell erzählt: Baton Rouge ist eine unauffällige Großstadt am Mississippi, allenfalls bekannt für ihre folkloristische Küche. Da war nun ein Mädchen, das war unglücklich, und alles was sie hatte war kein Geld. Sie war auf dem Weg zum Bahnhof, um irgendwie nach New Orleans zu kommen, das gut eine Stunde flussabwärts liegt. Das Wetter war so trostlos wie ihre Seele, und es sah nach Regen aus. Da traf sie auf Bobby, der es per Anhalter versuchte. Ein Truck hielt und nahm die beiden mit, den ganzen Weg bis New Orlens.

Man machte es sich im Cockpit des Lasters gemütlich. Bobby spielte Gitarre und sie begleitete ihn auf der Harp. Der Fahrer summte die Melodien mit, und die Scheibenwischer schlugen den Takt, denn es hatte jetzt angefangen zu regnen. Und da wurde ihr klar: frei ist man nur, wenn man nichts mehr zu verlieren hat. Und dann ist es so leicht, glücklich zu sein, besonders, wenn Bobby den Blues singt.

Die beiden blieben zusammen, reisten durch das weite Land und hatten keine Geheimisse vor einander. Aber dann, in Kalifornien, in Salinas, da passte sie nicht auf und ganz plötzlich war Bobby verschwunden. Das machte sie traurig, und sie würde jetzt all ihre Zukunft für ein einziges Gestern tauschen, mit Bobby an ihrer Seite, der sie warm hält. Es war so einfach glücklich zu sein, wenn Bobby den Blues sang. Aber jetzt war er weg, und sie hofft, dass es ihm gut geht.

Wie das Leben so spielt

Was ist aus den beiden geworden? Lassen sie uns ein wenig phantasieren: das Mädchen suchte nach der Trennung ihr Glück in Drogen. Das ging nicht gut und sie verstarb  im Oktober 1970, gerade mal 27 Jahre alt. Ihr Name: Janis Joplin. Aber Bobby, genauer gesagt Bobby  McGee, alias  Kris Kristofferson hatte noch ein langes Leben vor sich, und er würde noch so manchem hübschen Mädel den Blues singen. Er verstarb vor zwei Wochen mit 88 Jahren im Kreise seiner Familie, und er hinterlässt acht Kinder. Er war nicht nur Songwriter und Country-Sänger, er war auch als Helikopterpilot für die US Army in Vietnam unterwegs und hatte einen Master in Literaturwissenschaften.

Was ihn aber berühmt machte war nicht zuletzt das 1969 geschriebene „Me and Bobby McGee“.  Die beiden Figuren sind natürlich keine historischen Personen, und, altmodisch wie man damals war, ist Bobby ein Kerl, wenn das Lied von einer Frau gesungen wird, wie hier, und umgekehrt eine Frau, wenn es ein Mann singt, so wie hier.

Mit Kris ist einer der letzten Giganten gegangen, der eine Epoche  verkörperte, in der Freiheit, Freude und Liebe das Leben färbten, und in der Toleranz nicht gepredigt, sondern gelebt wurde. Heute, gerade mal ein halbes Jahrhundert später, wird uns vorgeschrieben, wovor wir Angst haben müssen, welche Vokabeln wir vermeiden und welche verwenden müssen, um nicht ausgestoßen zu werden. Die einzige Freiheit die wir haben besteht darin, einmal pro Jahr das Geschlecht zu wechseln. Das konnte Bobby McGee auch damals schon. Und heute würden die beiden neben dem Fahrer nicht mit Gitarre und Mundharmonika spielen, sondern mit ihren Smartphones. Das ist Fortschritt, das ist trostlos. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis.

Wäre man damals in eine Zeitmaschine gestiegen und hätte einen  Dokumentarfilm über das Leben in den heutigen Zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts gedreht, der Film wäre damals in einem dieser Programmkinos gezeigt worden,  wo sonst  Orwells 1984 oder Huxleys Brave New World laufen.

Dieser Artikel erscheint auch  im Blog des Autors Think-Again. Der Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.



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