Schlaraffenland – schlaffes Land ?

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Von Peter Schewe

Kennen sie es noch, das Märchen vom Schlaraffenland, vom Land, in dem Milch und Honig fließen und die gebratenen Tauben in den Mund fliegen? Ich habe noch eine bildliche Darstellung dieser Situation in einem meiner Schullesebücher vor Augen.  Ein Märchen, entstanden in einer Zeit, wo das Leben noch eine tägliche Mühsal war, die für das Leben notwendigen Dinge zu besorgen (ein Wort, welches nicht umsonst von dem Wort Sorge abgeleitet ist). Wo die Menschen mit dem täglichen Überleben mehr als ausgelastet waren. Längst vergessen, sowohl der Traum vom Schlaraffen-land wie auch diese mühseligen Zeiten.

Heute fließen Milch, Honig, Wein oder Bier im Überfluss, statt der gebratenen Tauben genügt ein Anruf und schon steht der Pizzabote vor der Tür. Wird es kalt, genügt ein Dreh am Thermostat und schon breitet sich wohlige Wärme aus. Ein Dreh am Wasserhahn und schon kommt das warme Wasser aus der Dusche. Wer kennt noch das tägliche Kohlenschleppen aus dem Keller für den wärmenden Ofen oder das Anheizen des Badeofens für das wöchentliche Bad in der Wanne und das Entsorgen der Asche?

Wir haben es erreicht, das Schlaraffenland. Alles gibt es im Überfluss, zu viel produzierte Lebensmittel müssen vernichtet werden (80 kg pro Person jährlich) und eine große Mehrheit leidet an Übergewicht mit all den negativen Folgen. Trotzdem hat sich statistisch die Lebenserwartung weltweit innerhalb von drei Generationen von 46,5 auf 72,0 Jahre erhöht. Auch Dinge, an die im Schlaraffenland noch gar nicht zu denken waren, machen unser Leben bequem, wir kommunizieren mit der ganzen Welt, ständig entstehen ungezählte Bilder und Texte  und verbreiten sich sekundenschnell um den Erdball. Das Weltgeschehen kommt in jedes Wohnzimmer und sich auf dem Sofa räkelnd, können wir an all dem teilhaben.

Während die großen Religionen dieses Paradies genannte Schlaraffenland ins Jenseits verlagerten und so die Menschen zur Askese und Armut verdammten und der Kommunismus uns dies als Endlösung allen Leidens und Mühens verhieß, es aber nie schaffte, auch nur annähernd davon etwas zu verwirklichen, haben es die Befreiung des Geistes durch die Aufklärung und die Freisetzung der marktwirtschaftlichen Kräfte (man bezeichnet es – nicht nur positiv besetzt – auch als Kapitalismus) geschafft, eine Kopie vom Schlaraffenland zu erreichen.

Was macht nun aber all dieser Wohlstand und Komfort mit uns Menschen? Wir leiden nicht nur an Übergewicht und Fettleibigkeit, wir werden träge, schlaff und antriebslos. Wir haben ja alles, wozu sich noch anstrengen. Leistung war gestern, Work-Balance heißt die Devise, nur noch 4 Tage in der Woche arbeiten oder mit dem bedingungslosen Grundeinkommen (der Vorläufer heißt Bürgergeld) lieber gar nicht mehr arbeiten. Oder zu Hause am Laptop als Influencer (Einredner) ein Vermögen zu verdienen, wovon viele Jugendliche träumen, oder als Startup- Unternehmer noch eine App erfinden, die das Leben angenehmer und das Geldausgeben leichter macht. Oder einen subventionierten Platz in der sogenannten Kreativwirtschaft finden.

Familienunternehmen beklagen, dass nicht einmal die eigenen Kinder die Firma weiterführen wollen, warum auch, wenn es sich vom Erbe bequemer leben lässt.

Auch scheuen sie die Anstrengungen, den immer grotesker werdenden Kampf mit den Bürokratiemonstern und das allgemeine Geschäftsrisiko. Selbstständig heißt nun mal selbst und ständig Verantwortung zu tragen.

Wir ‚pampern‘ unsere Wunschkinder bis sie in die Schule kommen, halten sie von allen Zumutungen und Herausforderung fern und wundern uns dann, dass sie nicht erwachsen werden und keine Verantwortung übernehmen wollen. Schüler in Bayern fordern per Petition die Abschaffung unangekündigter Leistungstest und Abfragen. Die Lehrer unterstützen das mit dem Argument, die permanente Angst vor solcher Art von Leistungskontrollen und die Angst, sich vor der Klasse bei Nichtwissen zu blamieren, würde demotivierend wirken. Beim bundesweiten Schülersportwettbewerb sollen keine Sieger mehr geehrt werden, nur noch die Teilnahme zählt.

Wir träumen weiter, die überschüssigen weil zum Überleben nicht mehr gebrauchten Kräfte werden beim Joggen, im Fitness-Center oder sonstigen Freizeitvergnügungen verbraucht. Macht der Körper nicht mehr mit, winken Aufputschdrogen oder Ersatz-gelenke, selbst künstliche Herzen soll es schon geben.

Aber nicht nur der Einzelne neigt zu Trägheit und Fettleibigkeit. Die ganze Gesellschaft zeigt ähnliche Symptome, der Staat mit seinen nicht mehr zu überblickenden Institutionen, Gesetzen und Regelungen wächst unaufhaltsam und setzt -bildlich gesprochen- Fett an.

Neulich las ich in der Zeitung, dass laut Statistik der Bundesregierung die Zahl der bundesrechtlichen Gesetze und Einzelnormen innerhalb der letzten 10 Jahre von 44.216 auf 52.155 angestiegen sind. Die bundesrechtlichen Verordnungen stiegen im gleichen Zeitraum von 38.192 auf 44.272 an. Kam die Ursprungsfassung unseres Grundgesetzes 1949 noch mit etwa 10.000 Worten aus, sind es heute über 23.000, also mehr als das doppelte. Nicht eingerechnet sind dabei die unüberschaubare Flut von europäischen Verordnungen und Regelungen (Datenschutzverordnung, Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeitsberichterstattung etc.).

Fünf Mio Menschen, also jeder 17. ist inzwischen im öffentlichen Dienst beschäftigt und verwaltet die anderen 16. Und täglich werden es mehr: Sonderbeauftragte für besondere Aufgaben, Energiemanager in jedem Dorf, Flüchtlingsbeauftragte usw.

Nicht nur der Verwaltete und durch Gesetze Gegängelte hat längst den Überblick über all diese Regelungen verloren, auch die Beamten selbst sind damit überfordert, produzieren aber immer neue Verordnungen.

Immer mehr Bäcker, Metzger und Gastwirte geben wegen Personalmangels ihr Geschäft auf. Erst kürzlich wieder eine alt eingesessene Feinkosttheke im Regensburger Donaueinkaufszentrum, weil man die vorgegebene Öffnungszeit von 10 bis 20 Uhr nicht mehr personell abdecken konnte. Samstags oder gar am Sonntag will niemand mehr arbeiten.

Warum soll man sich auch täglich hinter eine Verkaufstheke stellen oder nörgelnde Gäste bedienen, wenn man mit Bürgergeld plus Wohngeld plus Heizkostenzuschuss plus Sozialabgaben mehr Geld in der Tasche hat, als zum Mindestlohn sich täglich morgens aus dem Bett zu wälzen und irgendwo sich die Beine in den Bauch zu stehen. Kommen Kindergeld, Kindergrundsicherung und Alleinerziehendenhilfe noch dazu, lässt es sich ganz komfortabel ohne jede Anstrengung und persönliche Verantwortung für die eigene Existenz leben.

Der Begriff Leistungsgesellschaft ist obsolet geworden, er ist verschwunden aus den politischen Debatten. Das Leben soll einfach nur noch Spaß machen. Vergessen die Mahnungen eines Ludwig Erhardt zum Maßhalten und Sparen, die Kritik Kohls, zu viele würden es sich in der sozialen Hängematte gut gehen lassen. Und der Ruck, den Roman Herzog forderte, ist auch ausgeblieben. Die laut Guido Westerwelle herrschende spätrömische Dekadenz, verstärkt durch ideologiegesteuerte grüne Misswirtschaft schreitet unaufhaltsam voran.

Aber wie lange noch reichen die Steuern aus, dies alles zu finanzieren und das Schlaraffenland zu erhalten? Es geht nur mit neuen Schulden und so wächst der Schuldenberg unaufhaltsam. Rotgrün gefärbte Regierungen zeigten sich immer schon kreativ beim Geldausgeben, Sparen dagegen war eher nicht ihr Ding. Wir können froh sein, dass Herr Lindner sich bislang noch erfolgreich gegen neues Schuldenmachen wehrt, wie lange er aber standhält, ist ungewiss und die FDP verschwindet zu Unrecht von der politischen Bühne. Ohne sie wäre das finanzielle Desaster der Ampelregierung noch größer.



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