Das Ende der Linkspartei ist eine weitere Chance für das Land

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von Philipp Lengsfeld

 

Es ist eigentlich zu schön um wahr zu sein: Mit dem Rausfallen aus dem Brandenburger Landtag, dem Ende der Ära Ramelow in Thüringen und dem Fallen unter fünf Prozent in Sachsen schließt sich der Kreis, der mit dem schon fast vergessenen angekündigten Rücktritt der momentanen Vorsitzenden Janine Wissler (West) und Martin Schirdewan (Ost) begann: Das Ende der vollkommen überflüssigen Linkspartei.

Und damit ein erster echter Bruch in der Mauer des real-existierenden deutschen Parteienstaats.

Mit der Ausscheiden der Linkspartei aus dem Bundestag bei der kommenden wird Wahl tritt eine der Bonner Republik-Ära-Parteien von der Bühne.

Es ist das Ende der PDS-Die Linke-Linkspartei, der politischen Nachfolgeorganisation der 1989/90 dramatisch von Gregor Gysi geretteten SED, der kommunistischen Staatspartei der DDR, deren parteirechtliche Hülle aber natürlich komplett übernommen wurde. Weshalb ein zwar politisch etwas harter, aber juristisch-historischer auch nicht ganz falscher Blick ist:

Es ist auch das Ende der x-mal gehäuteten SED.

Und damit ein doppelter Grund zur Freude: Die SED verschwindet endlich, aber es verschwindet auch eine Partei bundesrepublikanischer Fasson.

Dieser Artikel nimmt sich den Platz diesen wichtigen politischen Schnitt zu würdigen.

Blick zurück – die SED

Angesichts des baldigen Endes ist dies vielleicht eine gute Gelegenheit noch mal auf die SED zurückzuschauen:

Die SED war -wie das geteilte Deutschland- eine Besonderheit im gespaltenen Europa.

Die SED war die einzige kommunistische Staatspartei im ganzen Ostblock, die geschuldet der deutschen Teilung als Folge der Verbrechen der NS-Diktatur, als „Sozialistische Einheitspartei“ firmierte – entstanden aus dem Zwangszusammenschluss der wiedererlaubten SPD und KPD auf dem Boden der sowjetischen Besatzungszone. Und auch die im Gegensatz zu den sozialistischen Bruderstaaten und vor allem im Gegensatz zum Großen Bruder Sowjetrusslandreich einzige Partei, die in ihrem Ein-Parteien-Staat noch eine Zahl von Satellitenparteien, vereint im sogenannten „Demokratischen Block“, mit sich ziehen musste.

Dies waren fürs Protokoll, so etwas wird bei uns ja oft schnell vergessen und oder verdrängt, die Christlich-Demokratische Union (CDU), die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD), die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) und die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD). 

Trotzdem war die SED letztlich eine Sowjet-KP wie in jedem anderen osteuropäischen Satellitenstaat, in denen Sowjetrussland seinen Staatskommunismus durch den zurückgeschlagenen Angriffs- und Vernichtungskrieg NS-Deutschlands exportieren konnte.

Die SED war das eigentliche Machtzentrum des DDR-Staates, das Politbüro die Regierung, das ZK (Zentralkomitee) eine Art Parlament – der jeweilige Kreis- und Bezirkssekretär der eigentliche Herrscher in der jeweiligen Zone – Karrieren in Staats- und Sicherheitsapparat, Wissenschaft, Bildung und Ausbildung war ohne Parteimitgliedschaft praktisch von äußerst schwierig bis völlig unmöglich – Kunst und Sport, aber vor allem die technische Führungsebene der Industrie waren etwas freier – alle herausgehobenen Positionen und Rollen, insbesondere praktisch die gesamte Justiz, aber nicht.

Die SED kontrollierte alles und alle und hatte neben Polizei und Armee noch einen kompletten Geheimdienst (Schild und Schwert der Partei, die notorische Stasi) und mit der FDJ eine Jugendorganisation an der Hand, wo praktisch die gesamte Jugend der DDR eine Art Vorwehrdienst und Vorpartei-Auswahlverfahren durchlaufen hat.

Zum Ende der DDR zählte die SED über 1.5 Millionen Mitglieder, d.h. mehr als jeder 10te Erwachsene der DDR war Parteigenosse. Die SED verfügte über Geld, Apparat, Gebäude, Schulen und alle echten Privilegien einer geschlossenen Gesellschaft.

Ein großer Fehler der Friedlichen Revolution: Die Nichtauflösung der SED

Dass die SED (und ihre von Stalin erfundenen Vasallenparteien vom demokratischen Block) nicht aufgelöst wurde (man hätte sie ja nicht gleich, wie die Mutterpartei in der Sowjetunion nach dem Putschversuch 1991, verbieten müssen) war einer der ganz großen Fehler der DDR-Umbruchszeit. Der auch nicht dadurch gemildert wurde, dass man die Blockparteien durch Aufnahme in die CDU (Ost-CDU und Bauernpartei) und die FDP (LDPD und NDPD) absorbiert und geadelt hat.

Natürlich hatte die SED mit Gregor Gysi auch eine wirklich brillante Verkörperung der aus dem Westen in den Osten projizierten Illusionen, trotzdem hätten die Genossen keine Chance gehabt, Apparat, Geld und Gebäude zu retten, wenn die Opposition etwas macht- und damit verantwortungsbewusster agiert hätte. Tatsächlich war der Ansehensverlust der SED im Herbst 1989 so groß, dass die Meinung vorherrschte, die SED würde sich nie mehr davon erholen. Ein fataler Irrtum. Aber spätestens nach dem letzten Parteitag der SED im Dezember 1989, bei dem Gysi die Auflösung der Partei mit dem Argument verhinderte, dann wäre auch das Vermögen futsch, hätte man diese Illusion verabschieden müssen. Es gab ein kurzes Zeitfenster, wo es die SED nicht gewagt hätte, sich zu widersetzen. Spätestens am 30. Januar 1990, als der Runde Tisch, der die sich auflösende DDR verwaltete den Termin für die Wahl der ersten freien Volkskammer beschloss, war die Gelegenheit vorbei.

SED-PDS entdeckt Opferkarte und „Gerechtigkeit“ und richtet neuen Schaden an

Der Fehler hat sich dann auch gleich gerächt:

Auf der Suche nach legitimen Themen und einem Platz im bundesdeutschen Parteienspektrum entdeckte die PDS die Opferkarte und das Thema „Gerechtigkeit“.

Und hat damit der nicht völlig unberechtigten Diskussion, wie man mit der Elite des untergegangenen Staates umgehen sollte, einen Bärendienst erwiesen: Auf dem Rücken eines im Kern diskussionswürdigen Anliegens hat sich ein ehemaliger Staatsparteiverein auf Kosten der Gesellschaft profiliert. Und war damit jahrzehntelang sehr erfolgreich. Und hat damit auch den Eliten auf mancher persönlichen Ebene geholfen, aber letztlich gesellschaftlich die Spaltung verlängert und vertieft.

Und an mehreren Stellen nachhaltigen neuen Schaden angerichtet: Natürlich sind auch die anderen deutschen Parteivereine keine Waisenknaben, es war aber an erster Stelle die PDS in Berlin (immer ihre absolute Hochburg) und Brandenburg (das preußische Königsbürokratiezentrum war die zweite DDR-Hauptstadt der SED), die mit der Verhinderung der Fusion von Berlin und Brandenburg 1996 nicht nur der Region, sondern dem ganzen Land eine schwere Bürde auferlegt haben:

Seit 1996 ist noch zuverlässig jede echte Reform in diesem Lande zerredet und zermahlen worden – Deutschland ist momentan am Rande der bürokratisch-föderalen Änderungsunfähigkeit (es gibt ja sogar noch die Regierungsteilung zwischen Berlin und Bonn, über die niemand mehr redet, weil es so hochnotpeinlich ist) – und die erfolgreichen PDS Skandalisierungskampagnen der 90er und 00er Jahre haben dazu kräftig beigetragen.

SED-PDS-Linke-Linkspartei – eine lange Agonie

Seit die Mauer gefallen ist und das ist schon über eine Generation her, warte ich auf und kämpfe für den Tag, dass die SED endlich zu Grabe getragen wird.

Die zähe Agonie der Linkspartei beweist ja auch noch etwas: Im real-existierenden Deutschland scheint es nur eine Sache zu geben, die noch schwieriger als eine echte Reform ist: Die Auflösung eines Parteivereins – ich wage mal die These, dass beide Mechanismen stark miteinander verbunden sind.

PDS eine Zwei-Generationen-Partei

Die PDS-Linke-Linkspartei ist eine Zwei-Generationenpartei. Aus einer Kaderpartei kommend ist die erste Generation der PDS, die SED-Genossen Bartsch, Gysi und co, so sie noch leben, letztlich de facto immer noch am Ruder. Zusammen mit der zweiten Generation, im Osten die radikal-pragmatische SED-Enkelgeneration, für die Benjamin Hoff, Klaus Lederer und Martin Schirdewan stehen und im Westen die radikalen jungen Linken (Janine Wissler und co).

Die gesellschaftlichen Beiträge der PDS-Linkspartei I: Keine weitere linke Partei nötig

Die gesellschaftliche Bilanz der Zwei-Generationenpartei ist übrigens gar nicht so komplett negativ.

Was hat die deutsche Gesellschaft aus dem Projekt gelernt?

Ad eins: Es gibt keinen legitimen Platz für eine weitere linke Partei.

Im Gegenteil, die radikale, linke Attitüde einer Janine Wissler (in dogmatischer Westform) oder auch einer Susanne Hennig-Wellsow (in der etwas pragmatischeren Ostform) hat (zum Glück) keinen Platz im bundesdeutschen Parteienspektrum.

Nicht nur ist die Hufeisentheorie richtig, sondern wir sind als Gesellschaft stabil genug, dass es für echte Links- oder Rechtsextremisten keinen Platz im Deutschen Bundestag gibt – jedenfalls nicht in Fraktions- oder auch nur Gruppenstärke.

Inhaltlich war die Gründungsgeneration der PDS im Osten größtenteils sozialdemokratisch, mit einigen wenigen christdemokratischen Einsprengseln – wenn die SED aufgelöst worden wäre und sich als echte Neugründung im Osten gefunden hätte, dann wäre diese USPD (Ost) schon längst wieder in der Mutterpartei aufgegangen – neben dem Fehler, die DDR-Staatsparteien nicht aufzulösen, war die ursprüngliche Nichteintrittsregel für Ex-SED-Mitglieder in die SPD der zweite schwere Fehler in der politischen Kultur der Nach-Mauer-DDR auf dem Weg in die Einheit.

Die gesellschaftlichen Beiträge der PDS-Linkspartei II: Blockademauern fallen

Und das ist ad zwei der Kernverdienst der PDS-Geschichte: Das Konzept „Brandmauer“ ist mit demokratischem Geist und demokratischer Realität auf Dauer absolut nicht vereinbar. Das Schleifen der „Brandmauer“ zur PDS (damals hieß das noch nicht so) ist das Meisterstück, was die PDS in die deutsche Gesellschaft eingebracht hat – man fragt sich, warum die AfD offenbar so wenig strategisch denkt, dass man dieses Erfolgsmuster der 90er Jahre nicht schlicht kopiert – Schlüssel ist die politische Entschlossenheit, aber auch die Klarheit in der Analyse und der damit einhergehende personelle Pragmatismus:

Die PDS hat 1994 sehr erfolgreich den Damm zum Einsturz gebracht, indem sie konsequent auf offene Listen gesetzt hat und auch sonst ihre Mittel (Geld, bekannte Persönlichkeiten) immer zielgenau, „parteilich“ in Bewegung gesetzt hat. Und dass sie keinen Zweifel an ihrer Grundgesetztreue geduldet hat – was bei der Organisationsvorgeschichte in teilweise ja offener personeller SED-Kontinuität schon ein Husarenstück war. Aber letztlich haben Petra Pau, Gregor Gysi und Bodo Ramelow Wort gehalten: Sie haben die SED-PDS Organisation in die Demokratie überführt.

Dass es nie zu einer Beteiligung an der Bundesregierung kam lag nur daran, dass die PDS als deutscher Parteiverein es nicht geschafft hat sich von dem ideologischen Ballast zu befreien, der ja nur da war, weil man eine deutsche Parteipositionierung legitimieren musste (also sich z.B. an vielen Stellen künstlich von der SPD abgrenzen musste) – Gysi und Bartsch sind längst in der Bundesrepublik, in Europa und auch in der Nato angekommen – sie haben es nur nicht geschafft, aus dem eigenen Parteilogik-Korsett auszubrechen (so wie die FDP lieber untergeht, als das längst überfällige Tempolimit auf deutschen Autobahnen mitzutragen).

Es wäre die Krönung der positiven Annäherung an die Demokratie, wenn Ramelow, Gysi und Bartsch es schaffen würden die PDS-Linkspartei in Ehren aufzulösen, bzw. Inhalte und einzelne Personen in die SPD oder andere Wunschzielparteien (vielleicht will die Antifa ja als Partei antreten, Janine Wissler?) zu überführen.

Ein Gregor Gysi, der ja offenbar nicht außerhalb der Öffentlichkeit existieren kann, würde seine Karriere liebend gern als Mitkämpfer einer offenen Zuordnung zur SPD (er würde ja gar keinen Listenplatz brauchen, denn er gewinnt in Treptow-Köpenick garantiert noch mal direkt, wenn er antritt) beenden. Das ist vielleicht auch eine Option für einen Klaus Lederer oder einen Benjamin Hoff oder sogar einen Martin Schirdewan.

Die gesellschaftlichen Beiträge der PDS-Linkspartei III: Effiziente Parteistrukturen sind möglich

Und die PDS hat bewiesen, dass die Übertragung der Grundidee einer Kaderpartei in die Demokratie eine agile Organisation mit den Prinzipien eines Mittelständlers ist – Sahra Wagenknecht ist genau den Weg der Parteigründung gegangen, der gerade noch mit den völlig verzopften westdeutschen Politikverhinderungsgesetzen möglich ist – Gesetze, die so modern und so einfach und so nachvollziehbar sind, wie unser Steuerrecht – Gesetze, die eine gigantische Arbeitsbeschaffung für Mittelbauparteifunktionärsapparate sind, die unser Land fast vollständig gelähmt haben.

Sahra Wagenknecht hat dem Projekt SED-PDS endgültig den Stecker gezogen, aber sie wird, wenn sie nicht konsequent demokratisch agiert, genauso scheitern, wie eine AfD, die sich selber in ihre Ideologie einsperrt.

Eine politische Lehre: Ausgrenzung ist kein gutes Konzept

An dieser Stelle möchte ich auch selbstkritisch sein: Geprägt durch den Umstand, dass ich -ähnlich wie andere durch die Bürgerbewegung geprägte Akteure- es für unverzeihlich gehalten habe, dass man die SED nicht aufgelöst hat, gehörte ich jahrelang auch zu den politisch unerbittlichen Gegnern der PDS-Linkspartei.

Dabei wurden ein Teil der bedenklichen Mechanismen etabliert, die heute so destruktiv wirken.

Dabei habe ich es eigentlich selbst erfahren: In der Kommunalpolitik waren es meist nicht die PDSler, die linksdogmatisch agiert haben (vielleicht mit wenigen Ausnahmen bei der Erinnerungspolitik), sondern die linken Grünen und große Teile der SPD.

Und auf Landesebene war das nicht anders: Die Wowereit-Regierungen in Berlin, insbesondere das Wirken der PDS-Kader wie z.B. von Kultursenator Lederer oder auch das kurze, aber fachlich hochkompetente Wirken von Sozialsenatorin Katja Kipping waren nicht zum Nachteil der Stadt – fast im Gegenteil, wenn man einen 1:1 Performance-Vergleich mit Senatoren des vermeintlichen „demokratischen Blocks“ macht. Ähnliches könnte man vielleicht über die Ära Ramelow in Thüringen sagen. Wäre das unsägliche Mobbing gegen den Kurzzeit-Ministerpräsidenten Kemmerich nicht gewesen. Problematisch waren hier vor allem die Jungkader, die zusammen mit dem Mainstream geradezu mobartig gegen die AfD oder andere als „rechts“ gebrandmarkte Kräfte agiert haben.

Auch die unduldsame persönliche Ausgrenzung gilt es historisch zu hinterfragen:

Es war ein guter Dämpfer, dass mit Lothar Bisky die Nummer zwei hinter Gregor Gysi als Vizepräsident im Deutschen Bundestag verhindert wurde – wegen der IM-Historie und seinem gerichtlichen Vorgehen gegen Bundestagsabgeordnete, die über ihre Arbeit im Untersuchungsausschuss über das Verschwundene SED-Vermögen (22 Millarden DM) gab es auch eine inhaltliche Begründung.  Mit Petra Pau ist aber   Ersatzkandidatin proplemlos gewählt worden. Das sollte man sich heute zum Vorbild nehmen. Denn als pauschales Verhinderungsmuster ist es gefährliche “Tradition”.

Fazit und Ausblick

Die Geschichte der SED-PDS-Linke-Linkspartei geht zu Ende.

AfD und BSW übernehmen nicht nur ein Teil ihrer Themen, sondern haben beide ein ähnliches gesellschaftliches Anerkennungsproblem, wo sie aus der Geschichte der PDS lernen können:

Gesellschaftliche Akzeptanz geht über Akzeptanz von inhaltlich vertretbarer Programmatik und Akzeptanz des nominierten Personals und der ins Amt gebrachten Verantwortungsträger. Hier ist jeder auch seine öffentlichen Bildes Schmied – eine Opferstolz-Pose hilft da niemandem.

Die richtigen Schlussfolgerungen aus den Fehlern, aber auch den Dingen, die richtig gelaufen sind am Beispiel der Geschichte der SED-PDS-Linkspartei zu ziehen, das ist die Aufgabe und die Chance für alle Demokraten.



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