Von Dagmar Jestremski
Der neue Chef des Unternehmensverbands Hafen Hamburg e.V., Ulfert Cornelius, spricht von einem „Transitionsprozess“ des Hamburger Hafens. Auf einem großflächigen Terminal kommen zurzeit Industrieanlagen für den Import, die Aufbereitung und den Weitertransport der „klimafreundlichen Energieprodukte“ Wasserstoff und Ammoniak in die Genehmigungsphase. Mittelfristig entsteht laut Cornelius ein Bedarf von etwa acht Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich. Von dem vielseitig verwendbaren Energieträger Ammoniak müssten 40 Millionen Tonnen nach Deutschland importiert werden. Das werde nur über mehrere Häfen möglich sein. Gasförmiges Ammoniak wird im Haber-Bosch-Verfahren aus „grünem“ Wasserstoff hergestellt, der an diversen Standorten im Ausland mit den dafür erforderlichen Unmengen von Strom aus Wind- und Solarenergie produziert werden soll. Verflüssigtes Ammoniak soll in großen Tankschiffen aus Saudi-Arabien nach Hamburg befördert werden. Ammoniak gilt neuerdings als „Superchemikalie“, da es leichter zu verflüssigen ist als Wasserstoff und auf weniger Raum größere Energiemengen über weite Strecken transportiert werden können. In einer Crackeranlage im Hamburger Hafen soll das Ammoniak wieder in die Bestandteile Wasserstoff und Stickstoff zerlegt werden. Die Investition des US-Industriegasproduzent Air Products und des Hamburger Energieunternehmens Mabanaft in den Aufbau der Verarbeitungsindustrien und einer Vertriebsinfrastruktur beliefen sich im Januar bereits 2023 auf eine Milliarde Euro.
Wegen zahlreicher Risiken und Unwägbarkeiten erscheint es fraglich, ob sich die getätigten Investitionen jemals rentieren werden. Sämtliche seit 2022 geschlossene Wasserstoffabkommen zwischen Deutschland und gut einem Dutzend Partnerländern wurden von den Eliten dieser Länder vereinbart. Offenbar wurde vorausgesetzt, dass sich die Einwohner vor Ort in Afrika, Lateinamerika und Kanada in das ihnen zugedachte Schicksal fügen und den Bau der gewaltigen Wind- und Solarparks hinnehmen würden, die für die Produktion von „grünem“ Wasserstoff und Ammoniak unverzichtbar sind. Und das ist wirklich erstaunlich.
In Port-au-Port und einer benachbarten Region im Südwesten Neufundlands (Kanada) müssten für die Realisierung des 2022 geschlossenen deutsch-kanadischen Wasserstoffabkommens durch das Projekt „World Energy GH2“ zwei gigantische Windparks mit 150 und 160 200-Meter-Windrädern entstehen. Nach der am 9. Juni bekannt gegebenen Genehmigung des Projekts durch die Provinzregierung prangern die Mitglieder des Vereins Environmental Transparency Committee Port-au-Port (ETC) in einem offenen Brief an die zuständigen Minister deren Zustimmung als unrechtmäßig an. Die Genehmigung müsse zurückgenommen werden. Zwischenzeitlich sei das Projekt um weitere 150 Windräder aufgestockt worden. Es werden zahlreiche Mängel und Lücken bei der Umweltprüfung aufgelistet. Die Regierung habe kein Mandat zur Genehmigung von massivem Umweltfrevel auf Neufundlands Kronland. Es habe keine Kommunikation zwischen der Regierung und den betroffenen Einwohnern gegeben, auch nicht mit den Angehörigen der Qalipu-First Nation. Damit verstoße die Regierung gegen das Minderheitengesetz. „Wir sind Kanarienvögel in Kohlengrube. Wir singen weiter. Unser Kampf wird fortgesetzt, möglichst mit legalen Mitteln.“
Laut einem aktuellen Bericht von Hydrogeninsight nimmt auch in Namibia der Widerstand gegen die Umweltzerstörung infolge des Projekts „Hyphen Hydrogen Energy“ Fahrt auf. Die im Dachverband Namibian Chamber of Environmehr (NCE) organisierten Umweltschützer äußern öffentlich ihre „Wut auf die deutsche Regierung“, weil diese das 3 GW-Wasserstoffprojekt im streng geschützten Tsau Khaeb Naturreservat stark fördere. Der Plan, dort gewaltige 7-Gigawatt (GW) Wind- und Solarparks zu errichten, um den „grünen“ Strom bereitzustellen, sei „moralisch falsch“. Aus dem ehemaligen Sperrgebiet an der Atlantikküste soll ab 2027 Ammoniak nach Deutschland exportiert werden. Der Tsau Kaeb Nationalpark ist ökologisch so wertvoll, dass dort nicht einmal Öko-Tourismus gestattet ist. Es sei davon auszugehen, dass die Industrialisierung den global wichtigen Biodiversitäts-Hotspot mit seinen zahlreichen seltenen Pflanzen und Tieren zerstören würde. Desgleichen prangert die unabhängige Denkfabrik Transnational Institute (TNI) die Wasserstoff-Projekte reicher Nationen wie Deutschland in Afrika an („Wer profitiert vom Grüne-Energien-Rausch?“). Diese Industrien würden internationalen Investoren öffentliche Gelder in die Tasche spülen, während die Gemeinschaften vor Ort durch die Ausbeutung ihres Lebensraumes schwerwiegende Beeinträchtigungen zu erleiden hätten.