Meine Wahlempfehlung für die Europawahl am Sonntag

Veröffentlicht am

von Philipp Lengsfeld

Am Sonntag wird das neue Europaparlament gewählt, die entscheidende Weichenstellung für die Zukunft unseres Landes und unserer Weltregion.

Ich möchte in der Tradition des amerikanischen „endorsement“ hier eine Wahlempfehlung abgeben.

Es fällt mir nicht leicht. aber ich zwinge mich dazu, denn meine erste Empfehlung ist: Gehen Sie zur Wahl, bestimmen Sie den künftigen Kurs Europas mit. Aber wählen Sie bewusst:

Deshalb gebe ich hier meine Empfehlung ab, bezüglich dessen, welche Liste aus meiner Sicht unterstützt werden kann und welche auf gar keinen Fall.

Bitte bedenken Sie auch, dass in dieser Wahl in Deutschland keine Sperrklausel gilt – für die Erinnerung eines der 96 deutschen Europamandate benötigt man nur ca. 0.7% der der deutschen Stimmen: Damit ist auch klar: Sie sind mit Ihrer Stimmenabgabe fast sicher mindestens für die Wahl des jeweiligen Listenspitzenkandidaten verantwortlich, weshalb ich diese auch in diesem Text ausführlich erwähne!

Ich fange mal mit dem Offensichtlichen an: Wer sollte auf gar keinen Fall Stimmen aus dem freiheitlich-bürgerlich, liberal-konservativen Lager bekommen? Die Antwort ist natürlich eindeutig und Ihnen auch sofort klar: Die Grünen!

Die deutschen Grünen sind der Motor des Grünismus (dazu auch noch mal die Kerntexte im Anhang) und haben mit Terry Reintke auch noch eine grünistische Frontrunnerin reinsten Wassers als EU-Spitzenkandidatin – ich kann nur hoffen, dass diese Grünen unter 10 Prozent der deutschen Stimmen bekommen, das wäre aus meiner Sicht ein ganz wichtiges Signal dieser Europawahl!

Über SPD und Linke brauchen wir bei dieser Wahl nicht zu reden. Wenn man das gefährliche Original (Grüne) ablehnt, warum sollte man sich um die schwachen, schlechten Kopien kümmern?

Schwieriger ist schon die Frage nach der Manfred-Weber-Union oder der FDP: Ich gebe offen zu, dass ich Sympathien für Manfred Weber hege.

Manfred Weber weiß eigentlich genau, dass der industriepolitische Wahnsinn in Europa, Stichwort Green Deal-Dogmen, allen voran die CO2-Reglungen, aber auch das Verbrennerverbot sofort geändert werden muss – die Gelegenheit ist günstig und Ursula von der Leyen ist wahrscheinlich auch politisch flexibel – trotzdem traue ich der Truppe nicht über den Weg und würde eher empfehlen, die EVP durch entsprechenden Druck von liberal-konservativer Seite auf Kurs zu halten.

Europa braucht eine klare Linie gegenüber Autokratien und insbesondere gegenüber Russland. Und natürlich brauchen wir eine gestärkte Wehrfähigkeit und eine Stärkung der Wehrindustrie – jegliche Denunziationen dieser Politik, jede Diffamierung der Bundeswehr und der Stärkung der Wehrhaftigkeit unserer Armeen, früher ja ausschließliches Terrain der linken Kräfte, lehne ich rundweg ab. Die FDP und Agnes Strack-Zimmermann kann ich aber trotz einer klaren Haltung in dieser Sache nicht empfehlen: Strack-Zimmermann hat im Wahlkampf wirklich sehr viel falsch gemacht. Und die FDP müsste die Ampel endlich verlassen, statt dieses industriepolitischen Abbaukurs weiter mit zu unterstützen.

Gleiches gilt aber auch eindeutig für die Krah-Bystron-Liste der AfD.

Ich kann mir vorstellen, dass viele Unzufriedene und Verzweifelte sehr gerne ein glasklares Signal für das Umsteuern in der Migrations- und (inneren) Sicherheitspolitik senden wollen und deshalb gerne die AfD wählen würden. Aber diese von Partei-Funktionärs-Radikalinskis durchgeprügelte Europaliste ist ein absolutes no go. Die Truppe wurde wegen politischer Dämlichkeit und indiskutabler historisch-politischer Einlassungen zur NS-Zeit von Marine le Pen und ihrer Rassemblement bleu Marine (RBM) aus der gemeinsamen rechtsradikalen Fraktion im Europaparlament geschmissen worden – eine weitere Blamage für Deutschland – wir scheinen momentan praktisch nichts mehr zu können. Für mich unbegreiflich, dass die vernünftige Alice Weidel hier nicht stärker durchgreift. Vielleicht hilft ihr innerparteilich, wenn die AfD in Europa deutlich unter ihren Möglichkeiten bleibt?

Was bleibt also als Empfehlung?

Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich Ihnen das Bündnis Deutschland und Lars Patrick Berg oder das Bündnis Sahra Wagenknecht mit dem Spitzenmann Fabio de Masi empfehlen kann – für eine dieser beiden Listen sollten Sie sich meines Erachtens nach aber entscheiden.

Lars Patrick Berg ist Mitglied des momentanen Europäischen Parlaments (gewählt über die AfD-Liste) und ist ein guter Mann. Die politische Grundidee und die programmatischen Eckpunkte der Neugründung Bündnis Deutschland sind richtig – im Wahl-o-Mat hat es für mich die größte programmatische Übereinstimmung für die Europawahl gegeben.

Sie bemerken aber mein „Aber“: Als aufmerksame Leserinnen und Leser dieses Blogs wissen Sie Bescheid: Ich bin alles andere als zufrieden damit, dass Bündnis Deutschland keine gemeinsame Liste mit anderen liberal-konservativen Kräften gemacht hat. Die strukturelle Idee von Bündnis Deutschland ist altbacken und nicht mehr zeitgemäß, hinter Lars Patrick Berg kommt der junge, ehrgeizige Generalsekretär der Partei (vormals CSU), der Rest der Liste ist, auch bei aller persönlicher Sympathie, nicht kampagnenfähig.

Das ist mein Dilemma:

Ich wünsche und hoffe, dass Lars Patrick Berg die 0.7% Stimmen erhält, damit er eine weitere Periode im Europaparlament arbeiten kann – in der Fraktion ECR. Durch ein besseres Ergebnis würden dagegen diejenigen bei Bündnis Deutschland Rückenwind bekommen, die ein Zusammengehen für eine breitere liberal-konservative Liste hintertrieben haben und ihren Parteiverein über das Wohl des Landes gestellt haben. In Thüringen und Sachsen setzt sich dieses Problem ja fort (anderes Thema, wird aber akut zu bereden sein, sobald die Europawahlergebnisse auf dem Tisch liegen).

Deshalb schlage ich Ihnen alternativ eine Stimme für die von Fabio de Masi angeführte Liste des Bündnis Sahra Wagenknecht vor. Hier habe ich das umgekehrte Dilemma zu Bündnis Deutschland: Inhaltlich liegt mir die Politik von BSW viel ferner, trotz vieler Überschneidungen bei der Kritik am momentanen Kurs der Ampelunion in Deutschland. Insbesondere natürlich in der mehr als wackeligen Argumentation bezüglich des russischen Krieges gegen Europa – wir alle sind für Frieden und Verhandlungen, aber Schwäche gegenüber Aggressoren und Anfälligkeit für Feindpropaganda hat sich in Europa schon oft genug als Fehler erwiesen – eine stabile und sichere Zukunft in Kooperation wird es mit Russland nur geben, wenn wir Putin und seine Kriegsaggression stoppen. Und Angst ist dabei der größte Fehler, Angstmache das Mittel des Feindes.

Trotzdem kann ich in aller Abwägung mir vorstellen, dass Stimmen für BSW letztlich eine gute Option sein könnten – jede demokratische Wahl ist am Ende auch die Auswahl des kleinsten Übels in der konkreten Situation.

Eines muss man dem BSW jedenfalls lassen: Strukturell und organisatorisch ist das kein Vergleich zu den momentan fast komplett dilettantischen Bemühungen im liberal-konservativen Lager – BSW stehen in Umfragen in Thüringen und Sachsen zwischen 11-15% und können deshalb ein Garant dafür sein, dass in beiden Ländern die CDU ohne Grüne regieren kann – das brauchen wir, denn die Grünen müssen aus den Landesregierungen raus! Rückenwind aus der Europawahl schadet da sicherlich nicht.

Quellen:

Grünismus-Texte:

https://vera-lengsfeld.de/2024/05/29/thesen-ueber-gruenismus-und-die-zukunft-von-demokratie-und-wohlstand/

https://vera-lengsfeld.de/2024/05/30/fuenf-thesen-ueber-gruenismus-und-die-zukunft-von-demokratie-und-wohlstand-zweiter-teil/

 

Lars Patrick Berg auf X:

https://twitter.com/L_P_Berg

Mein Wahl-o-Mat-Ergebnis:

https://x.com/PLengsfeld/status/1789316142978273414

Meine Bilanz zum liberal-konservativen Lager vor der Europawahl:

Zwischenbilanz Europawahl-Vorbereitung – das liberal-konservative Lager ist in der Defensive

Fabio de Masi auf X:

https://twitter.com/FabioDeMasi



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