Der Abschied von den SED-Opfern

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Von Frank Kästner

Der Autor war politischer Häftling in der DDR, Lektor und freier Journalist. Zudem engagierte er sich beim von Bärbel Boley und Altkanzler Kohl ins Leben gerufenen Bürgerbüros an der Bernauer Straße. 


Am 13.05.2024 vermeldet Tagesschau online, das ab Juli 2024 die Gehälter der Bundestagsabgeordneten um sechs Prozent erhöht werden, was einer monatlichen Steigerung von 635 Euro entspricht. Am 15.05.2024 meldete Tagesschau online, das Bundesjustizminister Buschmann eine Anpassung der SED-Opferrente plane. Was für viele ehemalige politische Häftlinge der DDR zunächst als gute Nachricht erschien, entpuppte sich bei genauerer Betrachtung als symbolpolitische Mogelpackung. Die durch alle Schlagzeilen galoppierenden “Verbesserungen für SED-Opfer” sind nur ein Sturm im Wasserglas und für die Ampelregierung ein willkommener Anlass das leidige Thema DDR-Unrecht endgültig zu beerdigen.

Die FDP, SPD und die Grünen handeln in dieser ernsthaften Angelegenheit nach dem Motto, was kümmert uns unser Geschwätz aus dem Koalitionsvertrag. In diesem standen noch hoffnungsvolle Worte der Zuversicht um endlich nach 35 Jahren Mauerfall ein verkorkstes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz zu korrigieren. Diese Chance wurde nun vertan, der in der Sache kenntnislos wirkende Justizminister Buschmann legte einen Gesetzesentwurf vor, der in der Substanz würdelos ist und keine Verbesserungen für die SED-Opfer bringt.

Schon das bestehende Unrechtsbereinigungsgesetz ist nur bürokratische Makulatur. Weder handelt es um eine wie im Volksmund genannte „Opferrente“ noch um eine „Ehrenpension“ als Anerkennung für erlittenes Unrecht. Die Zahlungen sind an die Bedürftigkeit gekoppelt ähnlich wie im Sozialrecht. Eine Erhöhung der Zuwendung von 330,- Euro wird es nicht geben. Seit fünf Jahren ohne jegliche Änderung wird mit der Gesetzesänderung damit der Betrag eingefroren. Ebenfalls traurig sehen die Anerkennungsquoten bei gesundheitlichen Schäden aus. Versorgungsämter, Gutachter und Sozialgerichte lassen die Menschen über Jahre hinweg am langen Arm verhungern.

Justizminister Buschmann will ab1. Juli 2025 die Zahlung an die Rente koppeln, dies „werde die wirtschaftliche Lage der Betroffenen deutlich verbessern“. Das sieht die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, vermutlich anders. Denn sie sagte der dpa am 19. Mai 2024, das die Renten nicht weiter steigen können, weil “wir” uns das nicht leisten können. Das weiß auch Buschmann. Deshalb ist sein Verweis auf „die angespannte Haushaltslage“ mit anerkannten DDR-Opfern in Verbindung zu bringen instinktlos und schäbig. Dieser Staat verschwendet Geld in gigantischen Dimensionen, wenn es jedoch um eine überschaubar kleine Gruppe von Menschen geht, die in ihren Leben tatsächlich Haltung zeigten, zeigt der Staat eine schauerliche Kälte. Hier zeigt sich auch die ganze Geschichtslosigkeit, die Denkfaulheit und Ambivalenz dieser neuen Politikerkaste.

Sie kennen nur imaginäre Zerrbilder der Wirklichkeit, das der Planet brennt und uns die Radwege in Peru aus der Dunkelheit helfen werden. Für den Kampf gegen Rechts, den Klima-Kampf und den zum Popanz aufgeblasenen Feldzug gegen Hass und Hetze werden atemberaubende Summen verbrannt, aber den namenlosen Gespenstern aus den Katakomben des real existierenden Sozialismus versagt man ein würdevolles Zubrot zum Lebensende. Und all jene, die verstrickt oder offensiv den Menschenzoo in den Haftanstalten kontrolliert haben, erfreuen sich heute an höheren Renten und Pensionen.

Der ethisch und moralische Kompass der alten Bundesrepublik Deutschland hatte wenigstens noch Schutzmechanismen gegen solche Entgleisungen. Noch vor 30 Jahren wäre kein Politiker mit diesem Zynismus durchgekommen. Damalige Politiker, egal ob links oder konservativ, besaßen noch dieses Gespür für Geschichte und Zusammenhang. Alle wußten, das die Zuchthäuser, all die Schinderhütten, das ganze Gefängnissystem der DDR echt waren. Einzelhaft, Isolationshaft, Zwangsarbeit, die Zersetzung und Zurichtung, all das war echt.

Über Dekaden mussten sich ehemalige politische Häftlinge die Sontagsreden über Demokratie anhören. Lobgesänge von Anerkennung und Respekt, alles für die Galerie. Wer in Cottbus, Bautzen oder Brandenburg als “Politischer” saß, hatte andere Dinge zu ertragen als Herr Buschmann, Steinmeier oder Scholz. Die Vergangenheit dieser Leute ist bekannt, ihre Treffen und Reisen auch. In ihrer Welt sind ehemalige politische Häftlinge des real existierenden Sozialismus bizarre Fremdkörper und Störenfriede, die bis heute noch nicht verstanden haben, das der Sozialismus direkt ins Paradies führt. Dies ist der wahre Grund, die wirklichen Opfer zu vergessen. Die Biologie wird den Rest erledigen. Es ist eine große Schande und hat keine Würde.



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