Von Peter Schewe
Vera Lengsfeld und ich folgten einer Einladung des Freiberger Forums zu einem Gesprächsabend im Festsaal der Stadt Freiberg.
Freiberg, die Silberstadt Sachsens ist immer eine Reise wert. Ihrer Entstehung verdankt sie dem Berggeschrei im 12. Jahrhundert, jedem stand es frei, nach Silber zu graben. Der Berg war freigegeben für jedermann, in Zeiten der feudalen Leibeigenschaft keine Selbstverständlichkeit. Diese Idee von Freiheit hat sich in der Bürgerschaft bis heute erhalten und die Stadt und ihre Bürger über manch dunkle Zeiten hinweggeholfen. Das Freiberger Forum e.V., ein Zusammenschluss Freiberger Bürger, die sich der Meinungsfreiheit und der Suche nach der Wahrheit verpflichtet fühlen, steht heute noch oder wieder dafür.
Dass die Stadtväter, allen voran ihr Oberbürgermeister, den städtischen Festsaal trotz mancher Anfeindungen der Medien dafür zur Verfügung stellen, ohne auf Inhalte des dort geäußerten Einfluss zu nehmen und auch ein russischer Botschaftsrat nebst Herrn Baab dort auftreten durften, ist für mich in heutigen Zeiten ein hoffnungsvolles Zeichen bürgerlicher Freiheit, auch wenn ich persönlich zu Putin und dem Krieg eine andere Meinung vertrete. Traurig nur, dass es nicht mehr zu den Selbstverständlichkeiten unserer Zeit gehört, unbehelligt seine Meinung äußern zu können. Umso mehr sind die Aktivitäten des Freiberger Forums anzuerkennen.
Freiberg hat einiges zu bieten: Die älteste Bergakademie Deutschlands, heute TU, das älteste Stadttheater der Welt, das Schloss mit der größten Mineraliensammlung, der Dom mit Tulpenkanzel und Goldener Pforte, die wunderbaren Renaissancefassaden mit ihren Eingangsportalen und Fenstergewänden und nicht zuletzt der Stein am Obermarkt, der den Ort markiert, wo der Prinzenräuber Kunz von Kauffungen hingerichtet wurde. Abgesehen davon, dass es einer Stadt nicht zustand, einen Adligen ins Jenseits zu befördern, wie anders wäre die Geschichte Sachsens verlaufen, wenn den beiden Erbprinzen Ernst und Albrecht dabei etwas zugestoßen wäre. Die spätere Teilung wäre Sachsen evtl. erspart geblieben oder die Erbteilung hätte auch das albertinische Sachsen in eine unbedeutende Kleinstaaterei geführt, so wie es mit Thüringen nach Ernst dem Weisen geschah. Am Obermarkt findet alljährlich die große Bergparade statt. Ich habe sie vor einigen Jahren selbst erlebt und es ist schon ein ergreifendes Gefühl, wenn das Steigerlied „Glück auf Glück auf…“, die Hymne des Erzgebirges, aus tausenden Kehlen erklingt. Wie oft habe ich selbst im Freitaler Männerchor zur Mettenschicht dieses berührende Lied gesungen.
Was uns als Gäste des Freiberger Forums erwartete und was die Freiberger von uns erwarteten, blieb für mich zunächst unklar. Als Motto einigte man sich auf den Begriff ‚Parallelen‘. Es galt, Erfahrungen aus der DDR-Vergangenheit mit heutigen Zeiterscheinungen zu vergleichen und ggf. Parallelent-wicklungen aufzuzeigen. Dazu dienten mir meine 2021 verfassten Erinnerungen (Mein Leben in der DDR – Erinnerungen 1950-1990), Vera Lengsfeld schöpfte aus ihrem politisch bewegten Leben. Sie verglich das Agieren des Verfassungsschutzes heute mit dem der Stasi damals und kam zu dem Schluss, nicht DDR 2.0 sondern DDR 4.0 wäre hier zutreffender, wenn Herr Haldenwang meint, ‚falsche‘ Denkmuster schon bekämpfen zu müssen, ehe sie sich artikulieren und öffentlich verbreiten können.
Auch über die Rolle der Kirchen damals und jetzt wurde gesprochen. Während in der DDR sich die Kirchen noch vom Staat distanzierten, dienen sie sich jetzt eher dem Mainstream an und verlieren damit mehr und mehr an Bedeutung.
Natürlich kam auch die angeblich menschenverursachte Klimakatastrophe als neues Narrativ des Kampfes gegen den Kapitalismus zur Sprache und vieles andere, was derzeit faul ist im Staate Dänemark. So auch zum Beispiel die weitere Pervertierung unseres Wahlsystems durch die jüngste Wahlrechtsreform und dem daraus noch stärker erwachsenen Einfluss der Parteien auf das politische Geschehen. Zum Thema Klima wäre den Freibergern ein gesonderter Gesprächsabend zu empfehlen.
Nicht gut vorbereitet war ich auf die mehrfach vom Publikum aufgeworfenen Frage, wie man denn etwas ändern könne an den derzeitigen Verhältnissen, nur eine andere Partei zu wählen, das bringe ja wohl auch nichts. Und wie schwer es ist, als Parteiloser eine Wahl selbst auf kommunaler Ebene zu gewinnen, auch dafür wurden Beispiele genannt.
Mit unserer Empfehlung, immer und überall offen und jedem gegenüber seine Meinung zu vertreten und auf die Missstände hinzuweisen, sich dabei des eigenen Verstandes zu bedienen und alles kritisch zu hinterfragen, liefen wir wohl beim Freiberger Forum eher offene Türen ein. Aber ob das allein ausreicht, bestehende Machtstrukturen zu ändern und dem Individuum mehr Freiheit und Gewicht zu verschaffen, das blieb offen.
Wir müssen uns das Recht auf freie Meinungsäußerung gegen alle Versuche, es einzugrenzen, immer wieder erstreiten. Es reicht eben nicht, es nur in der Verfassung stehen zu haben. Auch die DDR hatte eine geschriebene Verfassung, weshalb ja immer noch einige meinen, sie könne deshalb kein Unrechtsstaat gewesen sein. Während man sich hier im alten Westen anlässlich des 75. Jubiläums der Verfassung im Wohlgefühl moralischer Überlegenheit badet, sollte man nicht vergessen, dass eine Verfassung allein weder Demokratie noch Rechtsstaat garantieren. Ohne das Vertrauen einer großen Mehrheit in die Organe der Verfassung nützt die beste Verfassung nichts.
Insgesamt war es für mich eine angenehme Erfahrung, vor ca. 150 Leuten meine Ansichten zur gegenwärtigen politischen Entwicklung darlegen zu dürfen und damit offenbar auf Zustimmung zu stoßen. Auch dass die 11 mitgebrachten Exemplare meines Buches im Handumdrehen verkauft waren, lässt auf weitere Nachfrage hoffen.
Zum Abschluss des Abends wurde gemeinsam das Steigerlied gesungen, auch das gehört zum Ritual des Freiberger Forums.
Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann jederzeit auf youtube unter
https://youtu.be/QV-4_ezgeUk verfolgt werden.
Regenstauf, den 22.04.2024
Peter Schewe