Romeo und Julia in der Provinz

Veröffentlicht am

Vergesst Verona und seine Arena. Man muss nicht nach Italien fahren, um mit dem bekanntesten Liebespaar aller Zeiten zu fühlen und zu leiden. Nordhausen hat ein neues Traumpaar: Julia Ermakowa und Kyounghan Seo als Romeo und Julia in Charles Gounods geniale Oper gleichen Namens.

Ermakowas Debüt am Nordhäuser Theater hätte nicht spektakulärer sein können. Sie meistert ihre Partie bravourös, nicht nur stimmlich, sondern auch durch ihren graziösen Auftritt. Sie ist eine enorme Bereicherung an dem mit bemerkenswerten Stimmen nicht armen Haus. Zu diesen Stimmen gehört Kyounghan Seo, der immer wieder durch gute Auftritte auffällt, zuletzt als Theodor im „Weißen Rössl“. Sein Romeo ist kongenial zu Ermakowas Julia. Die Duette der beiden hielten das vollbesetzte Haus in gebannter Spannung. Die Leidenschaft und das Können auf der Bühne ließen den ehr tristen provisorischen Anbau vergessen, der wegen der Restaurierung des Haupthauses bespielt werden muss.

Aber auch die anderen Akteure gaben ihr Bestes. Marian Kalus war ein überzeugender Tybald, Florian Tavić ein nicht minder eindrucksvoller Merkutio. Thomas Kohl brillierte, mit Perücke zehn Jahre jünger aussehend als Bruder Laurent. Last not least zeigt die hinreißende Rina Hirayama als Stéphano, dass sei wirklich alles spielen kann, auch Hosenrollen.

Hervorragend choreografiert waren die Kampfszenen. Das Bühnenbild, das die drei Schauplätze zeigte, und die Kostüme holten die Geschichte in die Gegenwart. Das funktionierte, auch wenn sich mir nicht erschloss, warum Romeo, im Gegensatz zu allen anderen, so unvorteilhaft kostümiert war. (Bühne und Kostüme Bernhard Bruchhardt). Durch das Können des Sängers geriet das in den Hintergrund.

Benjamin Prins, der die Oper inszeniert hat, schrieb im Programmheft, dass man sich zur Vorbereitung auf das Stück Filme aus dem Bürgerkrieg in Bosnien angeschaut hätte. Zum Glück ist davon im Stück nichts zu spüren. Regietheater ist Gott sei Dank von gestern. Als eine, die während des Bürgerkriegs in Bosnien gewesen ist, kann ich versichern, dass Parallelitäten zwischen dem Familienzwist in Verona und dem Nachbarschaftsmorden in Bosnien kaum bestehen.

Zurück zum Stück. Im ersten Bild zeigt Prins die Totenhalle mit den Gedenktafeln von Romeo und Julia. Kurz darauf wird das zum Ballsaal, in dem die Geschichte ihren Anfang nahm. Zwei Vertreter der Familien Capulet und Montaigu kommen in den Raum, verharren hilflos vor den Tafeln und gehen bedrückt wieder ab. Eindrücklicher kann die Moral von der Geschichte, welch sinnlose Zerstörungen Hass anrichten kann, kaum gezeigt werden.

Gounod hat dem Stück ein etwas anderes Ende gegeben als Shakespeare. Julia erwacht, bevor Romeo tot ist. Er schuf damit die Gelegenheit vorzuführen, was aus dem Paar hätte werden können, und vermittelt indirekt, was passieren muss, um solche Katastrophen künftig zu vermeiden. Das ist die ewige Botschaft dieser Tragödie, die ein Ziel skizziert, das nach über 500 Jahren immer noch nicht erreicht ist.

Nächste Aufführungen: 2.,11., 26.Februar, 10., 22.März



Unabhängiger Journalismus ist zeitaufwendig

Dieser Blog ist ein Ein-Frau-Unternehmen. Wenn Sie meine Arbeit unterstützen wollen, nutzen Sie dazu meine Kontoverbindung oder PayPal:
Vera Lengsfeld
IBAN: DE55 3101 0833 3114 0722 20
Bic: SCFBDE33XXX

oder per PayPal:
Vera Lengsfeld unterstützen