Über zwei Jahre wurden in den Medien Gerüchte um eine Parteigründung von Sarah Wagenknecht am Kochen gehalten. Umfragen wurden gestartet, welchen Zuspruch die Partei bei den Wählern erhalten würde. Angeblich in Thüringen über 20%, bundesweit über 10%. Das ist nur dadurch zu erklären, dass die Öffentlichkeit Wagenknechts Angriffe auf die Ampelregierung und besonders die Grünen wahrnimmt, aber im Unklaren darüber ist, dass die „neue linke Partei“ inhaltlich die alten sozialistischen Konzepte, die längst gescheitert sind, bietet. Schauen wir, was in Wagenknechts Buch von 2011 “Freiheit statt Kapitalismus“ steht: Alle Bereiche der Grundversorgung sollen in öffentliches Eigentum überführt werden mit dem Auftrag der „optimalen Bedarfsdeckung“ (S.363). Mit Grundversorgung ist gemeint: „Wasser, Energie, Mobilität und Kommunikation,…Bildung, Gesundheit, Mietwohnungen und die ganze Palette kommunaler Dienste“ (S.307).
Außerdem sollen alle Großunternehmen in öffentliches Eigentum überführt oder denen übergeben werden, die darin arbeiten (S.365). Falls die ehemaligen Eigentümer im Unternehmen arbeiten, können sie bleiben. Auch sollen die „private Säule des Finanzsektors“ und die Versicherungen in die öffentliche Hand überführt werden (S.283). Soweit die Überführungen in die öffentliche Hand nicht durch Enteignungen erfolgen, sollen durch eine jährliche Vermögenssteuer von 5% Unternehmensanteile an eine Art Stiftung übertragen werden, „die der Belegschaft untersteht“ (S.374).
Erbschaften sollen generell auf 1 Million begrenzt werden. Dann soll das „gesamte 1 Million übersteigende Betriebsvermögen…in unveräußerliches Belegschaftseigentum übertragen“ werden (S.376). Bei Unternehmen ab 100 Million€ Eigenkapital sollen „25% Stiftungsanteile auf die öffentliche Hand – die Kommune oder das Land-übergehen“ (S.374).
Dazu sollen staatlich festgelegte Höchstpreise (in der DDR EVP genannt) kommen.
Das ist nichts anderes als der alte, bereits vielfach gescheiterte Sozialismus in neuem Kostüm. Wagenknecht äußert auch völlig Absurdes: Die Ampel würde sich zu sehr auf den Markt verlassen. Das ist hinsichtlich der immer planwirtschaftlicher ausgerichteten Politik der Ampel eine Feststellung, die an Wagenknechts wirtschaftlicher Kompetenz, die von den Medien hoch gelobt wird, zweifeln lässt. Auch ihr Freiheitsbegriff ist höchst fragwürdig, wenn die Wirtschaft von der Freiheit ausgenommen ist
Öffentlichkeitswirksam und für viele attraktiv ist, was Wagenknecht Richtiges zur unkontrollierten Einwanderung und »blinden, planlosen Ökoaktivismus“ in der so genannten Klimapolitik sagt. Man sollte sich aber genau ansehen, was hinter solchen vernünftigen Analysen als Lösung angeboten wird.
Nachdem der Verein, der die Gründung der Partei vorbereiten soll, „Bündnis Sarah Wagenknecht“ genannt wurde, schlossen sich viele Möchtegern-Meinungsmacher dem Diktum an, Wagenknecht befände sich auf einem Ego-Tripp. Wichtiger ist die Frage, wie glaubwürdig Wagenknecht ist. Als sie ihren Verein in Berlin vorstellte, verkündete sie ihren Austritt aus der SED-Linken, dem sich ihre 9 Fraktionskollegen anschlossen. Logischerweise müssten sie aus der Fraktion der Partei austreten, die sie verlassen haben. Das hätte zur Folge, dass aus der Fraktion eine Gruppe werden würde, mit erheblichen Einbußen an Geld und Mitarbeitern. Wagenknecht will aber die Fraktion „zunächst aufrechterhalten«. Sie möchte nicht auf den Fraktionsstatus und die damit verbundenen politischen und finanziellen Möglichkeiten verzichten. Der Fraktionsvorstand will den Antrag der Abtrünnigen „in aller Ruhe“ prüfen. Ich würde wetten, die Prüfung geht zugunsten des Erhalts der Fraktion aus, trotz der massiven Vorwürfe, die Wagenknecht und ihren Mitstreitern von der Linken gemacht werden. Vertrauen in die Redlichkeit der Akteure stärkt das nicht gerade.
Nebenbei gab es noch ein kleines Lehrstück, wie wenig die linke Ikone Gregor Gysi nach über dreißig Jahren vom demokratischen Parlamentarismus verstanden hat. Er warf Wagenknecht „unmoralischen Diebstahl“ vor, weil sie und ihre Mitstreiter ihr Mandat nicht niederlegen. Das Parlamentsmandat ist aber frei. Es gehört (noch) nicht der Partei, sondern dem gewählten Abgeordneten, auch wenn der Einzug der Partei in den Bundestag nur durch drei Direktmandate erfolgte.