Nachdenken über die Zeit im Museum Schloss Burgk

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Schon unsere biblischen Vorfahren kannten das Zeit-Paradox. In der Kindheit scheint die Zeit unendlich, jeder hat die Stunden erlebt, die sich endlos dehnen, aber „am Ende scheint alles ganz schnell gegangen zu sein“. Das hat Thomas Mann im „Tod in Venedig“ Gustav von Aschenbach über das Stundenglas philosophieren lassen.

In der Lutherbibel steht, wir verbrächten unser Leben „wie ein Geschwätz“, und „wie ein Seufzer“ ist es vorbei. „Denn tausend Jahre sind vor Dir wie ein Tag, der gestern vergangen ist.“ (Psalm 90.4)

Marcel Proust hat sich noch in aller Gemütsruhe auf die Suche nach der verlorenen Zeit gemacht. Wer würde sich heute, wo die Zeit sich immer mehr zu beschleunigen scheint, noch an so ein Projekt wagen?

Es scheint, je schnellebiger die Zeit, desto weniger Gedanken widmet man ihr.

Es gibt sie, die Ausnahmen.

Das Museum Schloss Burgk hatte am Sonnabend, den 3. Juni zu einem Konzert geladen, das dem Nachdenken über die Zeit gewidmet war.

Als Motto für die Veranstaltung diente eine Betrachtung des thüringischen Mönchs und Mystiker Meister Eckhart aus dem 14. Jahrhundert:

„Nehme ich ein Stück Zeit, so ist es weder der Tag heute noch der Tag gestern. Nehme ich aber das Nun, so begreift das alle Zeit in sich. Das Nun, in dem Gott die Welt erschuf, das ist dieser Zeit ebenso nahe, wie das Nun, in dem ich jetzt spreche und der Jüngste Tag in diesem Nun ebenso nahe, wie der Tag gestern war.“

Zwei Musikerinnen haben es gewagt, sich dem Problem Zeit über die Musik zu nähern. Ausgewählt haben sie Stücke moderner Musiker, die für Violine und Klavier geschrieben wurden. Das Experiment glückte, dank eines hervorragenden Zusammenspiels, das die beiden Instrumente zeitweilig zu einem Klangkörper verschmelzen ließ.

Aus Köln kam Susanna Richard, die vielfache Preisträgerin ihres Fachs und bereits ab 1982 erste Konzertmeisterin und bevorzugte Violinistin der Klassischen Philharmonie Bonn.

Am Klavier saß Tatjana Kozlowa, ebenfalls internationale Preisträgerin, gefragte Konzertpianistin und Klavierpädagogin. Sie hat sich den Satz von Gustav Mahler „Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten“ zu eigen gemacht. Das bekamen die Zuhörer im Rittersaal des Schlosses zu spüren. Sie wurden förmlich in die Musik hineingezogen. Selbst die Ritterrüstungen an den Wänden trugen dazu bei, das Nachdenken über die Zeit zu befördern, denn sie erinnerten an die unbegreiflichen Zeiten, in denen Soli Deo Gloria sowohl unter Johann Sebastian Bachs Werken als auch auf Richtschwertern stand.

Während des Konzerts strömte die Abendsonne durch die Fenster und trug erheblich zum Zauber der Atmosphäre bei. In der Pause konnte man einen Blick ins Tal werfen, das inzwischen von der Bleilochtalsperre, dem historischen Wahrzeichen deutscher Ingenieurbaukunst beherrscht wird, die sich, wie vieles andere in unserem Land, auch auf dem Rückzug befindet und damit einen eigenen Akzent zum Thema Zeit setzt.

Das Konzert endete mit drei Zugaben, was mehr sagt als alle lobenden Worte.

Das Museum Schloss Burgk ist ein Ort mit einem besonderen Programm und immer einen Besuch wert.

Dieser Beitrag erschien auch auf meinem Kulturblog



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