Ein Blick zurück – die Kontroverse um Ines Geipel und die Verleihung des Erich-Loest-Preises

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Obwohl ich inhaltlich nicht in allen Punkten die gleiche Einschätzung habe, empfehle ich hier den folgenden Artikel von Philipp Lengsfeld, CDU-MdB 2013-17, der in seiner Zeit im Bundestag auch einer der Unionsberichterstatter für die Thematik Erinnerungskultur war. Das Thema ist die politische Kontroverse um Ines Geipel und die Aufarbeitung des DDR-Staatsdoping.

Philipp Lengsfeld ruft beide Seiten zur Mäßigung auf und weist insbesondere eine Attacke von Ines Geipel auf den Wissenschaftler Ilko-Sascha Kowalczuk zurück, was ich sehr wichtig finde. Streit in der Sache ja, aber Angriffe auf die Person und den beruflichen Status eines Wissenschaftlers? Geht aus meiner Sicht gar nicht.
Ich dokumntiere hier den zweiten Teil des Textes:

Ich muss aber auch die mediale Reaktion von Ines Geipel und ihren Unterstützern kritisieren.

Statt Versachlichung wird, ganz im Sinne der Mechanismen der Aufregungsrepublik, weiter an der medialen Eskalationsschraube gedreht. Und mit aus meiner Sicht unsäglichen Angriffen auf z.B. engagierte Wissenschaftler, wie Ilko-Sascha Kowalczuk, auch Grenzen überschritten.

Wobei ich die Gegenschlagslogik, wie sie von Werner Schulz in seinem posthum veröffentlichten Gegenangriff auf Henner Misersky oder auch in der von mir als zu pauschal empfundenen Eröffnung von Durs Grünbein bei der Laudatio für Ines Geipel eh nicht verstehe und auch nicht akzeptiere: Sämtliche Fehler im Vortragen oder auch in der Verteidigung sagen eben nichts! über den sachlichen Kern eine Themas – diese einfache Wahrheit scheint die momentane deutsche Diskussionsgesellschaft ganz oft nicht zu begreifen.

Es gibt keine gefühlte Wirklichkeit.

Und aus einer Dopingbetroffenen wird nicht plötzlich ein Dopingverantwortlicher oder umgekehrt.

Dieses ganze unterkomplexe, aber übermoralisierende Täter-Opfer-schwarz-weiß-gut-böse Schema ist für mich das eigentliche Problem. Und natürlich die fast seuchenartig verbreitete elende Rechthaberei und die auch sehr weit verbreitete absolute Unfähigkeit, bzw. Unwilligkeit auch nur kleinste Fehler zuzugeben.

All dies lenkt völlig ab vom eigentlichen Kern des Problems, den es für mich schon gibt.

Punkt II: Der politische Kern der Debatte

Für mich dreht sich dieser Kern der Debatte um die Deutungshoheit der politisch-medialen Begrifflichkeiten, hier vor allem um den Begriff „Opfer“ oder auch „Zwang“.

Dabei ist die Sache für mich klar: Die Gabe illegaler leistungssteigernder, wettbewerbsverzerrender Mittel innerhalb eines knallharten Leistungssystems in einer Diktatur ist natürlich eindeutig zu verurteilen.

Jeder, der daran mitgemacht hat und dies involvierte viel mehr Professionen und Einzelpersönlichkeiten als man im ersten Moment nachvollziehen kann trägt dafür eine Mitverantwortung, die aber ganz unterschiedlich ausgeprägt ist. Sie ist natürlich desto höher, je wichtiger die Position der Person im SED-DDR-Sport-Doping-System war. Umgekehrt sind die Sportlerpersönlichkeiten, auch wenn sie volljährig waren und auch unabhängig von ihrem persönlichen Ehrgeiz, Talent oder gar ihre Team- oder Kollektivfähigkeit zunächst und vor allem Betroffene, bzw. Geschädigte.

Der Terminus „Täter“ und „Opfer“ ist dabei aus meiner Sicht nicht sonderlich hilfreich.

Und eine Diskussion über „wissentlich“ oder „unwissentlich“ scheint mir politisch auch sehr fragwürdig.

Ich habe mich mit der genauen Passage im Gesetzestext noch nicht beschäftigt, aber Gesetzestexte stehen nicht außerhalb der Diskussion, sondern sind in einer Demokratie gerade bei Aufbruch in neue Bereiche, wie hier der Entschädigung von Staatsdopinggeschädigten der Ausgangspunkt einer weiteren Debatte.

Habe ich eine Erklärung, warum sich die Diskussion nicht um diese Sachfragen, sondern stattdessen um die Person und mediale Perzeption von Ines Geipel dreht?

Nicht wirklich, aber vielleicht doch: Es scheint vielen Deutschen momentan einfacher und zielführender die medialen gut-böse-Schlachten weiterzutreiben, statt sich dem Kern von Sachfragen zu widmen. Ersteres scheint einfach, insbesondere wenn man sich auf der „richtigen“ Seite wähnt und letzteres ist anstrengend und erfordert hohe Kompromissfähigkeit und enormes Durchhaltevermögen. Und es gibt auch zu viele Spieler, die sich mit der letztlich undemokratischen Moralschlacht-Variante des Diskurses sehr gut eingerichtet haben, ihre Pfründe verteidigen und Konflikte lieber anheizen als zu befrieden.

Leider befeuern diese Art von „Diskussionen“, diese medialen Moralschlammschlachten, das zeigt das Geipel-DOH-Beispiel finde ich sehr gut, aber gerade die Probleme, die sie beklagen (was dem Teil der Beteiligten, die es nicht in böser Absicht machen -solche Kräfte gibt es aber auch- nicht bewusst zu sein scheint).

Ich bin froh, dass die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig letztlich nicht die Nerven verloren hat.

Ines Geipel erhielt einen Literaturpreis für ihr umfangreiches und wirkungsstarkes literarisch-publizistisches Werk. Das hat die Jury so beschlossen und ich persönlich hätte eine Revision dieser Entscheidung im Gefolge der MDR-Dokumentation nicht richtig gefunden, denn die Juryentscheidung bezieht sich auf das Werk von Ines Geipel und wird daran gemessen.

Wie geht es von hier weiter?

Ich kann nur hoffen, dass die beteiligten Journalisten und Wissenschaftler nicht an einer Fortsetzung von destruktiven und unprofessionellen Grabenkriegen weiterwirken. Ich kann den Beteiligten aus dem Umfeld des DOH nur wünschen, dass sie aus der Sackgasse der gegenseitigen persönlichen Vorwürfe, die aus meiner Sicht nichts in der Öffentlichkeit zu suchen haben, herausfinden und zur Sachthematik zurückfinden.

Und ich kann dem DOH selber und allen anderen Kräften, die sich um das wichtige Thema Sportdoping kümmern nur wünschen, dass aus der Dynamik der Eskalation und Emotionalisierung die richtigen Schlüsse für die politisch-mediale Arbeit nach vorne gezogen werden. Als ersten Hoffnungsschimmer sehe ich, dass die Seiten der DOH, die im Deutschen den unguten „Opfer“-Begriff im Namen tragen, in der englischen Variante viel treffender und zielführender schlicht „no doping“ heißen.

Und es scheint in der SPD Bundestagsfraktion eine Sachdebatte um Phase II der Hilfen für DDR-Dopinggeschädigte angefangen zu haben, was ich sehr begrüße.

Philipp Lengsfeld, CDU-MdB, 18. WP, 2013-2017 hatte im Bundestag als zweiten inhaltlichen Schwerpunkt das Thema Erinnerungspolitik im Ausschuss für Kultur und Medien und war einer der Berichterstatter für dieses Thema für die CDU/CSU-Fraktion.

Quellen:

Die Seiten der Medienstiftung der Sparkassen Leipzig:

Startseite – Medienstiftung der Sparkasse Leipzig

Hier sind auch einige Medienberichte dokumentiert, nach meinem Eindruck vor allem die, die Ines Geipel verteidigen.

Die Seiten von Ines Geipel geben eine Möglichkeit sich ihrem umfangreichen Werk zu nähern.

Ines Geipel – Schriftstellerin und Publizistin

Dokumentation der Erich-Loest-Preisverleihung 2023 mit der Laudatio von Durs Grünbein und der Dankesrede von Ines Geipel

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Der MDR-Film „Doping und Dichtung“, der wenige Wochen vor dem geplanten Verleihungstermin vom MDR ausgestrahlt wurde

 

Auch zur Begleitung, bzw. Unterstützung dieses MDR-Beitrags gibt es weitere mediale Äußerungen, die hier nicht alle dokumentiert sind. Pars pro toto der Beitrag von Jens Weinreich in der Berliner Zeitung – hier finden sich auch zahlreiche Verweise auf weitere Artikel.

Debatte um DDR-Leichtathletin Ines Geipel: Propaganda vom Feinsten (berliner-zeitung.de)

Die Seiten des DOH

doping-opfer-hilfe e.V. – Forum für selbstbestimmten Sport ()

Neue Debatte in SPD-Bundestagsfraktion über weiteren Umgang mit DDR-Doping-Geschädigten

SPD will Rente für DDR-Doping-Geschädigte durch Bundestag bringen (faz.net)



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